Das letzte Reform-Kapitel

Wieder einmal haben die Fachverantwortliche und ich eine Subsite für unsere Lernenden und Lehrfirmen fertig gestellt: Qualifikationsverfahren. Sieht nicht nach viel aus, ist es aber. Denn die die neue Abschlussprüfung muss so gut wie fertig geplant sein, um so etwas zu machen. Und Abschlussprüfungen sind nichts, womit man in die Öffentlichkeit kann, ehe sie nicht durchdacht, in Teile zerlegt, getestet und a gogo durchgerechnet sind. Zudem sind wir die erste Abteilung der ganzen grossen Schule, die ein Qualifikationsverfahren auf Grund des neuen Berufsbildungsgesetzes durchführen. Früher oder später kommen zwar alle Branchen dran, aber jetzt schaut man einmal uns auf die Finger.
Nun ist das glücklicherweise nicht die erste Reform in unserem Berufsschulleben und wird auch nicht die letzte sein, im Gegenteil: Die Tendenz geht klar Richtung Reform als Normalzustand. Und ich gehöre eigentlich zu denen, die das begrüssen, weil Unternehmen weiss Gott nicht Jahre auf angemessen ausgebildete Leute warten können und mit veralteten Rahmenbedingungen schlechter oder gar nicht mehr ausbilden.
Was ich eigentlich sagen wollte: Das sind nicht nur ein paar Zeilen CMS. Jeder Lehrplan und jede Wegleitung, die verlinkt sind, mussten geschrieben, vernehmlasst, angepasst und gelayoutet werden. Am 12. März 2012 sind die Berufsbildnerinnen und Berufsbilder bei uns zum Informationsabend eingeladen. Zwei Wochen vorher sollte alles bereit sein; et voilà! Die erste solche Prüfung findet im Mai und Juni statt. Kurz: Es läuft alles wie gewünscht. Dank dem, dass die Planung frühzeitig und sorgfältig gemacht wurde und alle in meinem Team ihre Arbeit stets termingerecht und gut erledigt haben. Besseres kann mir zum fünfjährigen Jubiläum als Abteilungsleiterin gar nicht passieren.

Bekenntnisse

Zum Schulanfang haben wir „Bekenntnisse: Was ich mag – was ich nicht mag“ von den neuen Azubis eingeholt. Umgekehrt wollten die Azubis auch welche von uns Lehrerinnen und Lehrern haben. Diese Bekenntnisse bleiben dann während des ersten Semesters im Gang aufgehängt. Sie führten wirklich zu vielen Gesprächen, zu lustigen, persönlichen und ernsthaften, jedenfalls unter den Lernenden. Als ich meine Bekenntnisse vor einem halben Jahr schrieb, habe ich (nur für mich) die Stichworte gelb markiert, von denen ich dachte, dass sie in irgendeiner Form kommentiert würden. Nun habe ich pink angestrichen, worauf ich auch wirklich angesprochen worden bin. Die Übereinstimmung ist mit 2% spärlich:
Bekenntnisse

Wahrnehmungsstörung

Menschen reagieren scheints unterschiedlich auf die alltägliche Überforderung. Manche finden die Buchstaben auf der Tastatur nicht mehr oder können die Waschmaschine nicht mehr bedienen, sie vergessen die Namen ihrer Mitarbeitenden oder ignorieren Geschäftstermine. Ich kriege Wahrnehmungsstörungen. Ich merke tagelang nicht, dass der Zucker im Kühlschrank falsch ist und das Kochsalz nicht ins Bad gehört. Nun ist es wieder einmal soweit:
Freitagabend musste ich noch die neu eingerichteten Arbeitsplatz einer Praktikantin prüfen, damit sie morgen wirklich hat, was sie braucht. Normalerweise ist dazu keine Checkliste nötig, aber weil die Symptome mir schon die ganze Woche nachschlichen, habe ich eine mitgenommen. Ich hakte ab und stellte fest, dass der PC fehlte. Fünf Minuten bevor die Herren ins Weekend wollten, schreckte ich also unseren IT-Support auf. Der nahm einen Augenschein. Der PC stand am Platz. Veni vidi vici.
Nun übe ich Entspannung.

Good News

Heute war die Expertenschulung für die erste Prüfung nach der Reform. Ich war Referntin und gehörte zu den Dienstältesten. Ob sich wohl jemand der heute hier Mitlesenden noch daran erinnert? Nun ist also der letzte Teil der Planung getan, wir konnten viele neue, junge Expertinnen und Experten gewinnen. Damit haben wir ein Ziel erreicht, das mir fast das grösste Anliegen war. (Berufe mit verhältnismässig vielen älteren Prüfungsexpertinnen und -experten können junge Menschen nicht dauerhaft ansprechen, hochgelobte Erfahrung hin oder her. Ich jedenfalls freue mich darauf, meinen Chefexpertinnenposten weiter zu geben.)
Anfang Februar hat eine unserer Azubis ihr Kind bekommen, genau in der Hälfte der Lehrzeit. Alles klar und wunderbar, alle gesund und munter, ihre Auszeit während der Lehrzeit ist gütlich geregelt. Darüber bin ich froh. Ich muss aber auch sagen, dass Schwangerschaften an der Abteilung Buchhandel noch nie ein grosses Drama waren, obwohl es regelmässig vorkommt, dass eine Lernende deswegen die Lehre kurz oder länger unterbricht.
Dank meiner fleissigen und Buch-affinen Familie ist die erste Bücherwand fertig eingeräumt. Mit Ordnungssystem rein nach Farbe. Auch blaue Taschenbücher von Max Frisch stehen nicht nebeneinander, wenn’s nicht das gleiche Blau ist. Gefällt mir gut so.
Bücherwand in der neuen Wohnung

Schiffsmeldungen

Der Umzug ist vollzogen, nun müssen wir nur noch die alte Wohnung abgeben. Letzteres sei „ein ganz besonderer Stress in der Schweiz“, meint mein neuer deutscher Nachbar. Könnte stimmen, wir notieren schon beim Einzug alles Defekte und sei es noch so klein, um nicht für Dellen, Absplitterungen, Verbogenes und Fehlendes grade stehen zu müssen, wenn wir dereinst hier wegziehen. In der Deutschschweiz liebt man detailreiche Aufzählungen handwerklich relevanter Kleinteile und deren Verhalten und Zustand, was sich eben in der sog. Mängellsite manifestiert. Kein Wunder ist die Wiege der Berufsbildung gerade hier.
Die Bibliothek ist reduziert und vor allem deswegen schon zu einem guten Teil eingeräumt. Das Kind findet, die Bibliothekarinnen-Grossmutter versuche das Gesetz des Chaos auszuhebeln, indem sie aus ästhetischen Gründen farblich ordne, aber auch noch nach Grösse (weil’s dann noch schöner aussieht), nach Genre (weils dann praktischer ist) und – liesse es sich irgendwie einrichten – doch noch nach Autor (der bibliothekarischen Logik wegen). Da aber Alfred Andersch nicht nur gleich grosse rostrote Bücher im Aufbau Verlag geschrieben hat, werden wir Abstriche machen müssen.
Ich schreibe dies aus einer beinahe eingeräumten Küche auf einem beinahe abgeräumte Tisch mit Blick auf die Strasse und in die Wohnstuben des Nachbarhauses. Vor dem Küchenfenster wippen vermummte Köpfe vorbei, es ist immer noch bitterkalt. Die Minustemperaturen haben unseren Umzug zum eisigen Erlebnis gemacht – ich war froh, dass wir uns für eine (verhältnismässig neue) Umzugsfirma eines Südosteuropäers entschieden hatten. Diese zähen Zügelmänner arbeiteten auch bei -15° präzise und schnell, und ich dachte mehr als einmal: Zum Glück führen die Umzüge durch und nicht Kriege.
So, nun gehe ich weiter auspacken.

one more step

Der neue Pegasus ist da. Seit Jahr und Tag höre ich, für Buchhändlerinnen und Buchhändler gebe es so wenig Entwicklungsmöglichkeiten. Deshalb ist diese Nummer auch als Replik gedacht. Ein Klischee zu kontern ist enorm schwierig, aber wenn etwas hilft, dann sind es Fakten. Und die liefern sechs Ehemalige unserer Schule. Ich habe jedenfalls grosse Freude daran.
Und noch etwas Schönes: In unserer neuen Wohnung sind die Lichtquellen fertig. Hier in der alten ist nur noch blendende Baufassung – Point of no return, eine Lesefamilie wie uns zieht es nun definitv fort.

Gepunktet (gegenüber Ahnen)

Aus Ahnensicht habe ich bestimmt ein akzeptables Wochenende zugebracht. Ich habe freitags bis spät gearbeitet und bin dennoch samstags früh aufgestanden, um dem letzten Wäscheberg in der alten Wohnung Herrin zu werden. Danach habe ich gemeinsam mit dem Kind weitere drei Taschen Spielzeug fürs Heilsarmee-Brockenhaus aussortiert, nicht ohne auf Qualität und Vollständigkeit zu achten. Nach deren Ablieferung zerlegten wir das Errexgestell aus dem Kinderzimmer sauber und ohne Wunden (was nicht selbstverständlich ist) in zügelbare Teile, welche wir nach Typus stapelten und so verpackten, dass auch für die Zügelmänner keine Verletzungsgefahr besteht. Nach einem bescheidenen Mahl aus Resten und nachdem ich dem Kind sinnvolle Aufträge erteilt hatte, machte ich mich auf ins Büro, um noch ein, zwei Stunden Unerledigtes abzuarbeiten. (Ins Hintertreffen war ich vor allem am Freitag geraten, weil ich Reich-Ranicki live im Bundestag hatte hören wollen.)
Auf dem Weg hatte ich zweimal eine halbe Stunde für Franzens Freiheit und ich denke, das wäre selbst für meine unermüdlichen Vorfahren noch ein tolerierbarer Freizeitanteil. Zurück daheim räumte ich den Keller auf, verpackte, was nötig war und sortierte das Übrige schweizerisch fürs korrekte Recyling an unzähligen verschiedenen Stellen. Zu sauertöpfisch erschien ich zum Nachtessen, welches vom – ebenfalls von Wochenendarbeit zurückgekehrten – Mann eingekauft und zubereitet worden war. Nach einer letzten Debatte ums Gewähren und Verbieten gegenüber Sechzehnjährigen und ein paar Seiten Franzen folgte Tiefschlaf.
Heute, Sonntagmorgen, erledigte ich verhältnismässig frisch den letzten Korrekturlauf für die neue Pegasus-Ausgabe, damit „mein“ GzD sicher das sei, womit der Grafiker seine neue Woche beginne. Über Mittag lösten wir gemeinsam ein Problem in der neuen Wohnung, wobei ich mit einem Schaden am frischen Anstirch wieder eines schaffte. Nachmittags verpackte ich Geschirr und Küchenutensilien, es ging nur ein wunderbares, grünes Glas zu Bruch und ich kniete bloss in eine Scherbe. Am Ende markierte ich alle Umzugskartons mit einem (andersfarbigen) Aufkleber nach Zielort, welcher natürlich dann am neuen Ort auch markiert sein wird und auf dem Grundrissplan seine Entsprechung findet. Denn dass ich gegenüber hart arbeitenden Zügelmännern einen Befehlston anschlüge oder sie gar mehrmals mit ihrer schweren Last hin- und herdirigierte – das würden meine Ahnen nicht goutieren.
Markierung Küche1 Markierung Küche2