Perspektive nach der Lehre 2010

Ich habe hier auch schon darüber berichtet, dass wir jedes Jahr einen Halbtag für die Abschlussklassen organisieren, in dem es einzig und allein um ihre Perspektive nach dem Lehrabschluss geht. Ihre Fragen und ihre Sorgen können die Azubis vorgängig anonym eingeben, wir schauen dann, dass möglichst alles fachkundig beantwortet wird.
Natürlich gibt es nicht auf alles Antworten, zum Beispiel wissen auch wir Lehrerinnen nicht, ob dieser Beruf eine Zukunft hat und wenn ja, wie lange. Deswegen ist es uns wichtig, buchhändlerische Laufbahnen vorzustellen. Wir haben über die Jahre viele gesammelt und es kommen laufend neue dazu. Daraus geht oft Aufschlussreicheres hervor als aus Branchenpresse und Medien. Bereits Anfang Siebziger wurde von vielen Berufsberatern vom Buchhandel abgeraten, weil es diesen nicht mehr lange gäbe. Trotzdem haben unsere Ehemaligen, die letztes Jahr ihren Abschluss gemacht haben, alle eine Stelle gefunden, sogar die, die noch die Berufsmatura machen und nur einen Tag pro Woche arbeiten können. Dafür sind von den Azubis, die vorletztes Jahr abgeschlossen haben, nurdie Hälfte im Buchhandel geblieben.
In der ganzen Schweiz waren am 31. Januar 2010 nur 89 Buchhändlerinnen und Buchhändler arbeitslos. Bald bin ich ein Vierteljahrhundert in der Buchhandelsbranche und unsere Arbeitslosigkeit lag in dieser Zeit immer unter dem Durchschnitt. Die Fähigkeiten und Fertigkeiten aus dieser Berufslehre scheinen die meisten also ziemlich erwerbstauglich zu machen. Man könnte einwenden, Buchhändlerin sei ein Frauenberuf und die Frauen zögen sich nach der Ausbildung häufig in den Haushalt zurück. Meiner Erfahrung nach stimmt das nicht. Ich kenne jedenfalls keine Buchhändlerin, die länger Hausfrau geblieben ist und nicht einmal eine, die reich genug geheiratet hat, als dass es auch ihr Einkommen nicht ankäme.
Buchhändlerinnen haben immer wieder neue Berufsideen und auch unseren Abschlussklassen mangelt es erfreulicherweise nicht an Plänen.
Perspektiven 2010
Perspektiven 2010

Bei den welschen Kollegen

Gestern haben wir in kleiner Delegation die l’Ecole professionnelle commerciale de Lausanne (EPCL) besucht. Das war – abgesehen von der trostlosen Erkenntnis, kaum Frazösisch zu können – eine sehr gute Sache.
Diese kaufmännsiche Berufsfachschule gehört wie unsere zu den grössten der Schweiz, es werden dort 4’000 Azubis unterrichtet. Die angehenden Buchhändlerinnen und Buchhändler reisen aus allen frazösischsprachigen Kantonen an.
Die Kolleginnen und Kollegen an der EPCL waren sehr zuvorkommend. Vieles ist an unseren Schulen ähnlich, aber ebenso vieles ist ganz anders. Und das Andere ist natürlich das Lehrreiche.

  • Ihr Kollegium ist gemessen an der Schülerzahl viel kleiner. (Sie haben höhere Pensen, v.a. die Frauen. Das wäre für mich auch bei uns wünschenswert.)
  • Die letzten ernsthaften Renovationen liegen 30 Jahre zurück. (Bei uns wird schon nächsten Sommer wieder renoviert. Also nie mehr jammern.)
  • Sie benutzen CLAROLINE, die Arbeit damit ist Pflicht, der Support wird durch Lehrer gemacht. (Wir benutzen Moodle, die Arbeit damit ist freiwillig. Ich würde gern auf etwas Sicherheit zugunsten von Unserfreundlichekeit verzichten und fände CLAROLINE, das ich schon ein wenig kenne, eine gute Sache. Die Pflichtbenutzung bei entsprechender Schulung und gutem Support ebenfalls.)
  • Sie investieren ihr Geld und ihre Kraft in die interne Kommunikation. Externe Kommunikation ist nicht standardisiert und wird je nach Bedarf gemacht. (Ich würde gern auch mehr intern investieren, aber nicht unbedingt auf Kosten der externen Kommunikation. Ich glaube, Eltern und Lehrfirmen in der Deutschschweiz haben in der Sache andere, höhere Ansprüche und ich bin häufig froh, einheitliche Unterlagen mit offiziellem Charakter zur Hand zu haben.)
  • Nur die Lehrpersonen führen die Absenzenkontrolle und informieren alle zwei Wochen die Lehrfirma. (Bei uns führen alle drei Seiten – Lehrperson, Lernende, Lehrbetrieb – die Absenzenkontrolle, Differenzen werden als „Unentschuldigte“ im Zeugnis vermerkt. Ich weiss nicht, was besser ist, um dem Grundsatz der Lehre „Schulzeit ist Arbeitszeit“ gerecht zu werden.)
  • Sie haben keine schulinternen Lehrpläne. Sie erstellen ihre Unterrichtspläne direkt aufgrund der Bildungsverordnungen in den verschiedenen Berufen. (Für mich ist schwer vorstellbar, wie wir ohne diese eine gewisse Einheitlichkeit pro Fach wahren könnten, denn Verordnungen lassen – zum Glück – einiges an Spielraum. Aber wenn das Kollegium kleiner ist, ist auch die mündliche Absprache einfacher.)
  • Sie sind durch und durch Schule und Non-Profit-Organisation. (Bei uns gibt es auch Teile, die nicht subventioniert werden, was zu einer Mischform von Schule und Unternehmen führt.)
  • „Bei den welschen Kollegen“ weiterlesen

    It was like the moon

    „Tell me a story, Billy boy.“
    „Dresden was destroyed on the night of February 13, 1945,“ Billy Pilgrim began. „We came out of our shelter the next day.“ He told Montana about the four guards who, in their astonishment and grief, resembled a barbershop quartet. He told her about the stockyards with all the fenceposts gone, with roofs and windows gone – thold her about seeming little logs lying around. There were people who had been caught in the fire-storm. So it goes.
    Billy told her what hat happened to the buildings that used form cliffs around the stockyards. They had collapsed. Their wood had been consumed, and their stones had crashed down, had tumbled against one another until they locked at last in low and graceful curves.
    „It was like the moon,“ said Billy Pilgrim.
    „It was like the moon“ weiterlesen

    Ich bin eine Schreibmaschine

    Ich habe diese Woche fast nur geschrieben: Jahresberichte, die überraschend eingefordert wurden, Artikel und Artikelteile, die am Ende den Namen von jemand anderem tragen werden, Einladungen zu Treffen in drei adressatengerechten Serienbriefvarianten, eine Einladung zum Weiterbildungswochenende, Tagesprogramme für ebendieses, Gesuche, Anträge, Begründungen, Kursausschreibungen, FAQ samt Antworten in je einer Variante online und offline und wasweissichnochalles.
    Aber wie sagte der passionierte und frisch pensionierte Schulleiter, mit dem ich heute zu Mittag gegessen habe?
    „Es ist kaum zu glauben. Vor ein paar Monaten sass ich noch in der Schule im Büro, habe geschrieben, mich enerviert, geschrieben, gebettelt, geschrieben, mich eingesetzt, geschrieben, argumentiert, gewettert, bin dafür wieder und wieder gerügt und sogar zum Erziehungsdirektor zitiert worden… Und heute scheint mir da alles weit, weit weg und Jahre her zu sein.“

    Mitschreiben bei der Branchenpresse

    Unsere deutschschweizer Branchenzeitschrift – noch gibt es ihn, den Buchhandel – hat ein gelungenes Relaunch hinter sich. Zum neuen Auftritt gehören auch Lehrlingsseiten, die wir Schulen mitgestalten können. (Eigentlich dürften das auch die Lernenden völlig selbständig machen und ich wünschte mir, sie täten das, verstehe jedoch, dass solche Beiträge inklusive Planung und Schlussredaktion neben der Arbeit zuviel sind.)
    Nun haben wir zum ersten Mal mitgeholfen, die entsprechende Nummer des „Schweizer Buchhandels“ ist letzte Woche erschienen. Lernende in unserem Metier (und wohl auch andere) werden nicht gerade verwöhnt mit Lob. Deswegen sind Erfolgserlebnisse und nette Rückmeldungen aus der Branche etwas Besonderes.
    Das Thema unserer nächsten Nummer ist „Das Rechnungswesen“ und ich fürchte, die Artikel werden etwas weniger positiv ausfallen als die jetzigen über Schaufenster- und Weihnachtsverkaufserfahrung:
    Lehrlingsseite 1.
    Lehrlingsseite 2.

    Erinnerungen an Afghanistan

    Als ich im letzten – vorletzen? – SPIEGEL den Bericht „Pakt mit dem Teufel“ über Afghanistans Widerstand und Kriege gelesen hatte, suchte ich meinen eigenen Bericht über das Land heraus. Er ist von der Hinreise nach Indien, von 1978. Über die Rückreise von 1979 habe ich nichts geschrieben (dafür meine Mutter).
    Afghanistanbericht, Tanja, 1978
    In Afghanistan gibt es keine Eisenbahn, dafür viele buntbemalte Busse. Diese sind schwer beladen mit Lasten und Menschen. Es ist heiss! Ich sehe zum ersten Mal Sandhosen, eine art Sandsturm. Die Beduinenfrauen sammeln allen Mist zusamme, kneten daraus mit Wasser und Stroh einen Teig und formen runde Ballen. Wenn sie trocken sind, geben sie ein gutes Feuer. In den Oasen wachsen süsse Trauben und Granatäpfeln. Alle Frauen gehen mit einem Schleier bedeckt. Ein kleines Kind ist vom Kamel gefallen. Da hat mein Vater ihm ein Pflaster auf die Wunde geklebt. Dann zog die Karawane weiter in die Wüste hinaus.

    The Burnout Challenge

    Nun ist der Januar also ins Land gegangen, ohne dass ich hier schreiben konnte. In der post-postmodernen Zustandsbescheibung gibt es ja nur Herausforderungen oder Burnout. Mein Monat war weder das eine noch das andere oder aber eine Mixtur.
    Wie auch immer, jammern will ich nicht. In den wenigen Stunden für mich habe ich meine Nebenberufe erledigt. Um schreiben zu können, muss ich ohnehin zuerst wieder lesen. Bis dahin zehn Stichworte zur Befindlichkeit 2010:

  • Azubis. Ordentlich bis sehr gut, Zeugnisschluss.
  • Buchhandel. Ambivalent.
  • Bücher. Vorfreude, wie immer.
  • Ehemalige. In einer Woche drei aufbauende Begegnungen.
  • Familie. Alles in Ordnung.
  • Freundeskreis. Mehr Tragödien denn Komödien.
  • Haiti. Für Spende an HEKS entschieden, unsicher geblieben.
  • Kollegium. Viel Trauriges.
  • Schulwesen. Kürzungen unverändert.
  • Social Communities. Erleichtert ausgetwittert.