Zwischenbilanz

Nun haben wir schon fast einen Monat ohne Buchpreisbindung hinter uns. Und ich komme mir ein bisschen wie eine Jukebox vor. Irgendwer gibt irgendwann das Abspulen von irgendwas bei mir in Auftrag.
Ja, ja, es gab Leserbriefe à discrétion, längst nicht alle wurden publiziert, die Presse will viel lieber als das ewige Gejammer ein paar Testkäufe mit Preisvergleich abdrucken und ja, ja, natürlich gibt es dafür inzwischen auch eine diverse Wo-ist-es-am-billigsten-Websites, die auch mal die Portokosten vergessen, aber das ist weissgott nicht mein, sondern das Problem des aufgeklärten Konsumenten. Nein, das Preisbindungsgesetz in Deutschland und Österreich wird vorläufig nicht tangiert. Ausser, dass Reimporte theoretisch möglich sind, weil die Einhaltung der Buchpreisbindungsgesetze praktisch nicht zu kontrollieren ist. Und nein, keine Ahnung, ob eine gesetzliche Grundlage für die Schweiz jetzt noch einen Sinn ergibt und auch nicht, ob die Autoren die bisherigen Honorare – denn was ist 10% vom Preis, was? – noch bekommen.
Es gibt nur eine Sache, die meine Jukebox mit Sicherheit plärren kann: Es wurde nie zuviel Geld kassiert in unserer Branche. Folglich wird’s irgendwo teurer oder weniger, wenn’s anderweitig billiger sein soll. Ausser es gäbe alsbald ein Billiglohnland, welches sich aufs Schreiben und Vertreiben deutschsprachiger Belletristik und Sachbücher spezialisiert, wer weiss das schon.
Deshalb und weil bald die Abschlussfeiern beginnen, die Reden gehalten, Tosts ausgesprochen und die Pensionierten verdankt sein wollen, habe in meinem berufshistorischen Archiv gewühlt. Ich habe einen Text über die durchschnittliche Buchhändlerin gefunden, den ich vor sechs Jahren geschrieben habe. Zum Zwecke einer Weiterbildung von Deutschlehrern. Damals gab es noch viel weniger Buchhändlerinnen, die für eine Buchhandelskette arbeiteten. In den meisten Buchhandlungen war „Jobrotation“ normal, wer verkaufte, kaufte auch ein, dekorierte die Schaufenster und beteiligte sich an der Werbung. Doch abgesehen davon, dass jetzt seltener Verschiedenes gemacht wird, hat sich für die durchschnittliche Buchhändlerin wenig verändert. Mal abwarten, wie es 2013 aussieht.
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Criss-Cross

(Meine Schonzeit hat geholfen, der Arm hat sich freundlicherweise wieder zu meinem übrigen Körper gesellt und braucht nicht länger betäubt zu werden. Auf Auffahrt hin muss ich immer besonders tipp-fit sein, denn da schreibe ich alle mündlichen Prüfungsfragen samt Auswahlsendung an Antworten alles-neu-macht-der-Mai auf. Danke noch einmal für die Genesungswünsche.)
Die letzten beiden Nächte habe ich hälftig mit Kreuzworträtseln verbracht. Schon lange suche ich nämlich eine Möglichkeit, den Fachwortschatz zu trainieren. Ich habe von Tests über Glossare und Lückentexte in Einzel- Partner- und Teamarbeit die ganze Methodenvielfalt walten lassen. Leider funktioniert das nur im Schulzimmer und während der Schulzeit, die Anwendung des Fachwortschatzes untereinander ist danach so mangelhaft wie zuvor.
Früher – als alles noch besser war – lernte der Lehrling vom Chef wie man in der Branche was nannte. Ob etwas eine Remittende ist oder eben ein Umtausch, ob zuerst das fliegende Vorsatzpapier oder der Schmutztitel kommt, was es mit dem Buchbinder und was es mit der Bauchbinde auf sich hat, ob Koch, Neff und Volckmar ein Borsortiment, eine Verlagsauslieferung oder ein Kommissionär ist begriff man im Nu. Auch die „Hurenkinder“ unterschied man locker von den „Waisenkindern“, Bezugsformen sowie Rabattarten konnte man im Schlaf runterrasseln, und wenn ein Schutzumschlag kaputt ging, bestellte man genau diesen nach und schickte nicht das ganze Buch zurück „weil Cover defekt“.
Heute stellt sich mir die Frage, was von diesem Branchencode noch zu vermitteln und nützlich ist. Die Antwort aus Deutschland ist eindeutig: Alles! Die Antwort aus der Schweiz ist eher vage und geht in Richtung „weniger ist mehr“. Aber welche Begriffe zentral sind, darüber herrscht bei den Buch-Eidgenossen keine Einigkeit. Das wiederum bedeutet für mich, dass ich meine Liste der unentbehrlichen Fachbegriffe laufend neu zu definieren habe.
Unter anderem deswegen habe ich Kreuzworträtsel gemacht. Kreuzworträtsel lösen die Schülerinnen schliesslich zu jeder unpassenden Gelegenheit, egal wie stupide und langweilig diese auch sein mögen. Schülerinnen-Hirne sind offensichtlich bereit, die neu erworbenen Begriffe zu behalten und wieder und wieder anzuwenden. Wenn’s im Criss-Cross aufgeht, gibt das ein Gewinnergefühl. Und wenn die Schule davon nicht profitiert, ist ihr auch nicht zu helfen!
Der Puzzlemaker beispielsweise bietet Gelegenheit, sehr rasch eigene Kreuzworträtsel zu kreieren. (Wegen Layout-Mängeln will ich mich aber nach einem käuflichen Kreuzworträtselprogramm umsehen, Tipps willkommen.)
Während mir geschlossene schriftliche Fragen sonst widerstreben, weil sie bloss einen riesigen Kontrollaufwand (Stichwort Abschreiben und Spickzettel) generieren und die Schülerinnen höchstens auf Taxonomiestufe 2 bringen, finde ich sie bei der Kreuzworträtselkreation richtig spassig. Win-Win.
Und zum Schluss ein (noch nicht zu Ende durchdachtes) Beispiel.

Die Buchpreisbindung ist gefällt

(Die Berufshistorie zwingt mich zum Bloggen.)
Noch ein letztes Mal das kleine Flehen eines alten Autors lesen, ein Tränchen verdrücken und dann – endlich! – billigere Bücher.
Nun muss der Hugo Loetscher den Hugo Boss ausziehen und auch aus seiner Villa an der Goldküste, den Gürtel enger schnallen halt. Nun müsst ihr die Ferraris verkaufen, liebe Kollginnen, die Bali-Ferien annullieren liebe Kollegen und das Diamantenarmband für die Geliebte gegen ein indianische Glücksbändeli eintauschen auf dem Märit, liebe Verleger. Jetzt weht ein anderes Lüftlein.

„Hunkeler und Harry Potter jetzt 30% günstiger!“, heisst es in einer Medienmitteilung, die um 14.22 Uhr über den Ticker der Nachrichtenagentur sda lief. „Bei je zehn Schweizer Top-Bestseller aus den Bereichen Belletristik und Sachbuch wurde kurzfristig der Preis um 30 Prozent gesenkt, weitere sollen folgen“, heisst es weiter.

[Quelle.]

Die Buchhändlerin bleibt eigenständig

Die FAQs an mich sind mit Abstand:

Warum machst du das? Wie lange bleibst du noch in dieser trostlosen Branche? Die Preisbindung… Der Konzentrationsprozess… Die Digitalisierung der Information… Die Googlisierung der Gesellschaft… Die Verwikipedianiserung der Kulturgeschichte… Such dir einen anderen Job… Was regst du dich immer noch auf? Dieser Zug ist längst abgefahren.

Die Antwort war, ist und bleibt unspektakulär: Weil ich Buchhandel am besten kann.
Langweilige Tatsache meines Lebens, dass ich fast alles vom Buchhandel und von Buchmenschen gelernt habe. Ich bin das wandelnde Beispiel nur angelesenen Wissens.
Aber wie jede Antwort kann ich auch diese gerne etwas ausschmücken:
Ich mache nicht gerne Angebote, wo kein Bedarf besteht, deshalb hab’ ich trotz ein paar guten Gelegenheiten nie in die Werbung gewechselt. Ich kämpfe nicht prinzipiell gern, nicht um Freundinnen, nicht um Männer und auch nicht um Arbeitgeber, die mich nicht haben wollen. Bref: Es gibt nur sehr wenig, worum ich kämpfe.
Über die beiden Jahre, in denen diskutiert wurde, ob mein Beruf in der Schweiz beibehalten, nur verwischt oder ganz abgeschafft werden sollte, hat mir diese Einstellung geholfen, nicht aufzugeben und mich offensichtlich auch einigermassen glaubwürdig gemacht.
Soll der Buchhandel eines natürlichen Todes sterben, so sei es. Aber so lange noch ein paar Tausend Menschen dieses viersprachigen Landes in diesem Beruf leben und wirken, so lange jedes Jahr hundertdreissig Neue ihre Lehre beginnen, so lange gibt es verdammtnochmal keinen Grund für Selbstmord.
Nun ist die Nachricht also angekommen. Die „schöne grosse Welt des Detailhandels“ (Zitat aus einem Argumentationswettstreit) muss vorläufig auf uns verzichten. Verkaufen wird wichtiger, aber Einkaufen bleibt wichtig. Wir lehren und lernen jetzt alle Medien, aber deswegen können wir immer noch Goethe, Shakespeare, Petrarca, Cervantes und Balzac in Buchform.
Die Branche hat heute der neuen Berufsbildung zugestimmt. Einstimmig.
Bis das letzte Lehrmittel gewählt und das letzte Budget gesprochen ist, werden noch viele Vernehmlassungen ins Land gehen und es wird Kompromisse brauchen, bis die Augen tränen. Aber unser kleiner Beruf bleibt eigenständig und bei seinem Namen.

Cup of Tea on 30th of April 2007

Und weil man ja immer gewarnt wird vor der Unbill, die Entspannung nach langer Anspannung mit sich bringt, habe ich nur ganz leise bei einer Tasse Tee gefeiert.

Weltbuchtag 2007

Meine Schülerinnen werden in die Bahnhöfe ausschwärmen, ich selber werde auf dem Schulgelände Lektüregeschenke und Buch-PR machen.
Aber den Blogbeitrag zum diesjährigen Welttag des Buches widme ich einem Frust-Thema. Also Vorsicht, Moral-Alarm.
Zum meiner Lehrzeit mussten wir uns im Buchhandel kaum mit Profidieben herumschlagen. Bücher waren nun mal nichts, was Hehler abnahmen. Gelegenheitsdiebe, die von unserer Sorglosigkeit profitierten und Junkies, die vom Stempelkissen bis zu den Büroklammern alles mitgehen liessen, prägten das Bild. Dazu kamen ein paar Trickdiebe, die man mit der Zeit kannte. (Das sind in den meisten Fällen die, die etwas Klitzekleines mit einer grossen Note kaufen und dann beim Wechselgeld Theater machen.)
Soweit, so vertraut. Dass Buchhändlerinnen und Buchhändler in Sachen Diebstahl eher naiv sind und in den Büchern irgend etwas Idealistisches aber nicht das Geld sehen, ist leider auch kein reines Märchen. Unternehmensberater empfehlen uns, regelmässig ein paar Regale leerzuräumen und den Gegenwert der ausgeräumten Bücher in Geld hinzulegen, damit wir endlich lernen, richtig darauf achtzugeben.
Die Gelegenheitsdiebe, Trickdiebe und Junkies sind uns erhalten geblieben. Zusätzlich haben wir noch die Profidiebe bekommen. Es gibt Banden, die unsere Stauräume suchen, uns ablenken oder dringenden Toilettenbedarf vortäuschen, um regelmässig die Porte-Monnaies des leutseligen Buchhandelspersonals mitgehen zu lassen.
Noch viel sprunghafter zugenommen hat jedoch der Diebstahl von Büchern und Non-Books im grossen Stil. Denn dieser Tage braucht man keinen Hehler mehr, heute gibt es einen direkten Markt für solche Ware. Online. Ist es nicht nett einen frischen Bildband, den neusten Sowieso und ein paar unterhaltsame Hörbücher zum Spottpreis zu bekommen? „Gebraucht“ wie neu!
Ich rechne zwischendurch mit meinen Schülerinnen aus, wie viele Taschenbücher wir verkaufen müssen, um einen geklauten neuen Irving zu decken oder wie viele Irvings wir an Mann und Frau zu bringen haben, bis wir uns ein elektronisches Sicherungssystem leisten können.
Dagegen freuen sich immer mehr Leute über immer mehr Schnäppchen beim Online-Shopping. Sie trösten einen in dieser kalten, vertechnisierten Konsumgesellschaft ohne liebevoll lächelnde Tante Emmas.
Der Computer im Netz ist ganz allgemein ein Selbstbedienungsladen ohne Kasse geworden. Die Standardsoftware wird geklaut weil Bill Gates böse ist, Bücher werden gescannt weil Google gut ist, Bilder und Texte werden sowieso kopiert, was das Zeug hält. Schriften werden gestohlen, obwohl das heutige Konsumentenauge kaum eine Arial von einer Frutiger zu unterscheiden weiss, geschweige denn eine Ahnung von den Schriftschnitten hat. Das Scheiben brennen hat sich schon lange zum beliebten Kindersport entwickelt. (Das Kind in diesem Haushalt hasst die Erinnerung an den Tag, als seine Begeisterung dafür von der aufgebrachten Mutter brutal gebrochen und der ganze Stapel CDs an die Stelle ihrer Entstehung zurückgebracht wurde.)
Ach ja, falls es morgen in der Presse einmal mehr untergeht: Der 23. April ist der World Book and Copyright Day.
Damit wünsche ich einen erfolgreichen Start in die neue Woche und gebe zur Feier des Tages allen den kostenlosen Rat, niemals Urheber zu werden.

Ehemaligen-Post

(…) Nochmals herzlichen Dank für ihre Beharrlichkeit meinem Abschluss gegenüber. Ich werde Ihnen mein ganzes Leben dafür dankbar sein. Es war für mich eine enorm schwierige Aufgabe.
Heute denke ich aber fast jeden Tag, wie schön es ist Buchhändlerin zu sein. Wie stolz bin ich und wie wahnsinnig gut tut es, wenn ich jemandem sagen kann, welchen Beruf ich ausübe.

Nicht immer geht es. Aber manchmal. Und dann ist es wunderbar zu hören, dass es sich gelohnt hat.

Ein Abend,

Abwarten. Infoabend 2007.
an welchem ich die Lehrmeisterinnen Ausbildungsverantwortlichen begrüsst habe. Es war das erste Jahr so ganz richtig mein eigenes Programm. Ohne ein kleines Lifting unserer Website mit aktuellen Bildern konnte ich nicht antreten, dafür die angemessene Dekoration des Treppenaufgangs dem Chef delegieren.
Es sind wirklich viele gekommen, über fünfzig Leute: Lernende (weil sie ja darüber erzählt haben, wie es ist, eine Art Sonderfall zu sein), Kolleginnen und Kollegen (weil ich wirklich intensiv darum gebeten habe) und eben die, die ausbilden (freiwillig, sogar aus dem Wallis).
Für mich war es ein guter und ein schöner Abend, aber was kann ich dazu schon sagen? Nach solchen Anlässen müsste man einfach viele, viele Antennen in der Buchhandelswelt draussen haben. Doch mit Gossip hat sich Schulz von Thun leider nicht befasst.
Gute Nacht, vernachlässigtes virtuelles Leben.

Heute gemacht

Heute war ich mit dem 1. Lehrjahr im Schweizer Buchzentrum. Zum Glück hat es nicht geregnet. (Das klingt nach Schulaufsatz. Aber wer mal mit einer Meute junger Leute in abgelatschten Turnschuhen, Ballerinas und Stiefeletten durch die Pfützen der Gewerbezone Hägendorfs gelaufen ist und dann immer noch einen einigermassen guten Eindruck beim Gastgeber hinterlassen wollte, hat vielleicht Verständnis.)
BZ-Besuch im März 2007
Es war eine gute Exkursion mit einem ansehnlichen Programm. Doch es gibt noch viel Arbeit zu tun. Ich habe Vierergruppen für ein Thema eingeteilt, weil es unmöglich ist, im ersten Lehrjahr mehrere Stunden mitzuschreiben. Diese Gruppen werden je ein Thema erarbeiten und der übrigen Klasse vermitteln. Damit ich die Entwürfe der Schülerinnen einigermassen kompetent korrigieren und nachher gutes Material daraus generieren kann, musste ich mir den ganzen Nachmittag alles – von Organigramm über Datenbanken bis zur Materialflussrechnung – seriös notieren. Das sind die Momente, in denen ich um jede Stunde Berufserfahrung froh bin und wirklich nicht mehr jung sein möchte.

ja, ja, die Buchpreisbindung

Schon heute Morgen um 7:23 Uhr hat sich eine kleine Buchhandlung bei mir schriftlich und offiziell erkundigt, ob sie überhaupt noch einen neuen Lehrling nehmen soll? Und meine Mailbox quoll den ganzen Tag über vor Google-Alerts. Der Bundesgerichtsentscheid hat offensichtlich sämtliche meiner Buchhandelsstichworte bedient.
Mündliche Anfragen, Bitten und Beileidsbekundungen von allen Seiten, vom Chef bis zum IT-Support, von der Gewerkschaft bis zur Politikerin.
Das ist ja schon nett. Aber ich bin nicht gefährdet, danke. Und nein, ich möchte nicht darüber bloggen. Denn bei meinen Blog-Themen verfolge ich das Prinzip „Berichtigung und Originalität“. Wenn etwas grundfalsch kommuniziert wird – beispielsweise über den Buchmarkt – dann korrigiere ich das. Sonst schreibe ich nur zum Thema, was sonst niemand schreibt oder über Aspekte des Buchhandels, die allgemein zu kurz kommen.
Seit längerer Zeit habe ich der Berichterstattung nichts hinzuzufügen und – aufs Ganze gesehen – auch nichts daran auszusetzen. Die Branchenverbände waren dank Argumentationsnotstand in den letzten Jahren gezwungen, mehr Daten zum Buchhandel zu erheben und auszuwerten, und die Presse hat nun wirklich genügend Gelegenheit gehabt, Liberalisierungs-Kommentare zu üben. Diese beiden Faktoren ergänzten sich glänzend und verhindern, was noch bis vor einem Jahr üblich war: dass jeder mikroskopische Kurzschluss zur Buchpreisbindung in fetten Lettern erschien, weil „Bücher zu teuer!“ dem Publikum ja stets gefällt und der Sohn des Preisüberwachers so gern bei Amazon bestellt, im Fall.
Deswegen ist von meiner Seite nichts als Redundanz zu erwarten: Liberalisierung ist immer eine Frage der Alternative. Nachhaltigkeit hängt immer an Prognosen und die sind mangels lesbarer Kristallkugeln regelmässig falsch.
Viel wichtiger als meine Meinung sind die guten Buchhandlungen, die hier und jetzt ihr Überlebenskonzept anpassen müssen. Ich persönlich kenne so viele ausgezeichnete Buchhändlerinnen, die nicht nur auf dem neusten Stand sondern auch so realistisch, clever, einsatz-, leistungs- und lernfähig sind, dass sie die Wende ohne fixe Buchpreise sicher schaffen könnten. Die Frage ist nur, ob sie noch möchten.
Denn Bücher schreiben, Bücher machen und Bücher verkaufen ist nicht in erster Linie Sache des Geldes, sondern des Willens. Meine nachhaltige Prognose ist, dass das so bleibt.
[History.]

Mutig ist

es, eine Buchhandlung zu eröffnen. Oder eine zu übernehmen.
Aber es passiert trotzdem: Nach 33 Jahren treten die Gründerinnen vom Chinderbuechlade zurück, um die Neuen heranzulassen.
Tschüss! Und Dank!
Diese Gründerinnen beweisen Mut. Denn sie hätten vielleicht von jemand anderem mehr Geld bekommen. Manchmal gibt es Gattinnen, die Buchläden mögen und Gatten, die sie ihnen deswegen kaufen. Oder es gibt Buchhandelsketten, die einsteigen wollen. Eine Buchhandlung ganz normalen Branchenfrauen zu überlassen, bedeutet, nicht viel Geld dafür zu erhalten und – wegen des lebenslang geringen Lohns – bescheiden in Pension zu leben.
Hallo! Und Dank schon jetzt!
Die Nachfolgerinnen beweisen Mut. Denn sie haben in eine Branche investiert, in der es nicht viel zu holen gibt. Und sie haben auf eine Geschäftsform gesetzt, an die heute in der Buchbranche nicht mehr viele glauben, weil die Kundentreue ziemlich aus der Mode gekommen ist: in die Selbständigkeit, in einen einzigen Namen mit einem einzigen Laden. Sie haben mit diesem Entscheid ihren Lebensstandard samt Ferien und Freizeit drastisch reduziert und sie lächeln immer noch.
Kinderbuch-Buchhändlerinnen müssen für den gleichen Umsatz fast dreimal so viel beraten wie andere. Nicht nur weil gute Kinderbücher beratungsintensiv sind, sondern auch, weil sie günstig sind. Aus diesen und noch viel anderen Gründen: Ein guter Entscheid, herzliche Gratulation! Ihr werdet gewinnen. Neue Bücher, neue Freunde, neue Freuden.
Und wir gewinnen mit. Weil es immer noch irgendwo – ganz unten in der Berner Altstadt – einen Chinderbuechlade gibt, der selber entscheidet. Der mehr als die anderen hat, viel mehr. Der alles kennt und jeden Tag macht, was er will und was andere längst aufgegeben haben: Kinder zum Lesen und Bücher zu Kindern bringen. Die Welt retten.

Alles Gute!
Viel Erfolg!
Viele Jauchzer!
Wenig Schluchzer!

Der Chinderbuech-Rab