Vorjahres-Trutsche

Auch eine Bezeichnung des originellen Matussek für Jelinek.
Es ist typisch, dass mir das gerade bei einer weiblichen Nobelpreisträgerin passiert, dass ich mich so oft wiederholen muss:
ICH MAG JELINEK.
Ihr Nobelpreis war verdient, wie der für die vor ihr. Es gibt Leute in der Rangliste, die sie literarisch überflügeln, es gibt solche, die bei ihr hinten anstehen müssen. Was es nicht gibt, ist ein Thermostat für literarische Qualität.
Jelinek trägt die Kritik – mit solch chauvinistischer ist zu meinen Leszeiten nur Alice Schwarzer bedacht worden – mit der Würde der Ignoranz. Sie meldet sich nicht einmal jetzt, wo sie das Privileg erhält, ein Jahr (!) nach der Bekanntgabe ihres Nobelpreises noch einmal prominent zerpflückt zu werden, ja, gar der Rücktrittsgrund für den armen Professor Ahnlund zu sein!
Ich stelle mir vor, sie sitzt im Publikum ihres Stücks, guckt zu wie die Typen über die Bühne stürzen und geblendet von der Gier nach Ehrung ihrer selbst in die Kulissen knallen.
(Vielleicht hat sie auch für die ganze Million Valium gekauft.)

An den Gestaden

des Messegeländes sind Sie hier nicht gestrandet. Die Website der Frankfurter Buchmesse heisst einfach www.buchmesse.de und bietet das Essenzielle zum Messebesuch samt Garderoben und Parkplätzen.
Weiter empfehle ich das neue MesseWeblog, dort ist auch wer flickrn will gut aufgehoben. Ebenso bei der pfiffigen MessExpertin Andrea, bei den startenden Müga-Messe-Besucherinnen und der zuverlässigen Neuerscheinungs-Prüferin Liisa. Wer interaktiv und nachhaltig agieren möchte, dem steht nichts mehr im Wege dank readme.cc und dem aufmerksamen Herrn Abendschein.
Ich werde nur in Ausnahmefällen berichten, die mir von allen anderen vernachlässigt scheinen, sollte es denn überhaupt solche geben. Danke für den Besuch, aber segeln Sie weiter. Die Messefrüchte sind anderswo süsser.
[Dies war ein Beitrag zum Thema: „Burnout“ im Buchhandel.]

Paju Book City

Eine Stadt am Han, nahe von Seoul für Printverlage errichtet. Das klingt gut, jede Lektorin findet auf kürzestem Weg eine Urheberrechtsjuristin und ginge es darum, sich mit Frau Rowling anzulegen. Jede Herstellerin findet einen Buchbinder und sei der Wunsch ein Bernsteinumschlag für den nächsten Dan Brown. Denn das soll Hollywood werden, Grosses von Grossen für die grosse weite Welt.
Jetzt, in der Aufbauphase, hat sich hauptsächlich die Architekten-Community für Paju Book City interessiert. Doch Bertelsmann wird sicher seine Etagen reserviert haben und Ruperts Toilettendeckel mit LA Dogers-Logo ist bestimmt schon montiert. Aber Bücher, das Buch als Ideengeber? Nein, soweit ist es noch nicht.
Das soll jetzt anders werden. Der Initiant und Verleger Yi Ki Un hat sich einen Traum erfüllt, bald eröffnet er das erste Buchhotel.
Was man dort kann? Genau! Lesen.
Und was es dort in den Zimmer nicht hat? Wieder richtig! TV und Radio.
Und wogegen tauscht man sein Handy an der Réception? Yeah! Gegen ein Buch.

Es ist uns egal, ob viele kommen. Hauptsache, es ist still. Der Mensch hat ein natürliches Bedürfnis nach Stille.

Sagt Yi Ki Un. Bestimmt ist es alles andere als politisch korrekt und ein Affront gegenüber asiatischer Weisheit: Aber das ist, als wenn das Hotel in Vals es als besonders originell anpriese, dass sie den Gästen der Therme keinen Fastfood servieren.
Korea ist Gastland an der Frankfurter Buchmesse. Die Ausstellung zur Paju Book City ist jedoch in Berlin und läuft noch bis 27. Oktober 2005. Beides kann ich empfehlen, weil Korea in der Druckkunst das längste Gedächtnis und die beweglichen Lettern schon vor dem Helden Gutenberg erfunden hat.
Ausstellung in Berlin 2005

dr Härry Potter isch da!

Chronistinnen-Pflicht: Der 6. Band geht seit Mitternacht über den Ladentisch. Und die Buchhändlerinnen und Buchhändler der grossen Läden werden nun, eine halbe Stunde nach Ladenschluss, zufrieden seufzend die Beine hochlegen.
Warum ist Harry Potter für mich ein bemerkenswertes Ereignis?

  • Harry Potter-Bücher sind im Schnitt der verfügbaren Jugendliteratur gute Bücher
  • Es ist absolut genial zuzusehen, wie sich Knirpse auf 600 Seiten stürzen
  • Harry Potter setzt uralte buchhändlerische Traditionen ausser Kraft: Die Bände sind nicht remittierbar (für Laien: man kann sie nicht zurückschicken, wenn man sie nicht verkaufen konnte) und es ist bei Strafe nicht erlaubt, einen neuen Band vor Erscheinungszeitpunkt zu lesen.
  • Harry Potter ist für mich als Fachlehrerin der beste Informant in Sachen Konkurrenzmärkte. Ich brauche bloss nach HP Bd. 6 gugeln, yahuen, msn-nen und „Wuuusch!“ sehe ich praktisch jeden Anbieter, der den Buchhandel als Nebenmarkt entdeckt hat.
  • Einen Eindruck aus Bern vermittelt heute „Der Bund“. Und Jasmin K., eine meiner Schülerinnen aus dem ersten Lehrjahr kommt zu Wort, weil sie Band 6 schon kennt. In Englisch. Da sieht man mal wieder, was für gescheite Azubis ich habe.

    mein lieber Freund Uderzo

    Asterix regt an! Zum Beispiel im Lehrerzimmer zu Leseförderungstipps. Auch hier stranden die meisten Suchenden mit dem Suchbegriff „Asterix“.
    Da muss ich wieder einmal etwas bieten:

    Ich bin, mein lieber Freund, sehr glücklich, dich zu sehen.

    Auf diesen bezaubernden Alexandriner habe ich auch schon hingewiesen, und sogar gescannt habe ich. Wegen des vierten Bildes oder besser wegen der 6. und 7. Sprechblase. Möge der Donnergott der Urheberrechte gnädig walten und mich vor dem Fallen des Himmels bewahren.
    Aber eben, für alle, die sich mehr als des Alten, des Neuen erfreuen:
    Er erscheint! Der neue Asterix!
    Der Band 33 mit dem (voraussichtlichen) Titel: „Gallien in Gefahr“.
    Kurz vor der Frankfurter Buchmesse, am 14. Oktober, soll er in die Buchhandlungen kommen, in weissnichtwievielen Sprachen gleichzeitig. Und Uderzo kommt zur Messe. Heisst es jedenfalls. Welche Gelegenheit die optimale ist, ihn aus nächster Nähe (in sich hinein giggeln) zu sehen, geht nicht aus dem Programm hervor.
    Hüpft doch bei Ehapa vorbei (Halle 3.0, Stand F 166) und dann rüber ins Comic Forum (Ebene 0) und zu guter letzt noch ins Azubistro (Halle 4.0, Stand G 1351), dort wissen sie Bescheid über Stars. Ich habe schon oft erfreut mit angesehen, wie die Azubis der Buchhändlerschule in Frankfurt grosse Leute zu einer Lesung oder Signierung im Azubistro überredet haben.
    [Messekatalog online]

    Post-its

    Nach der (unter anderem/unter anderen [?] von mir organisierten) Ausbildungskonferenz mit anschliessender Sitzung pfeife ich aus dem letzten Loch.
    Nur 3 Post-its für mich selber:

  • Der Einsatz hat sich gelohnt.
  • Für morgen, Schule: Friedenspreis und Messe nicht vergessen!
  • Ein Zwiebelfisch ist ein fälschlich aus anderer Schrift gesetzter Buchstabe.
  • UPDATE 21.9. um 12:20: Dem Zwiebelfisch haben die Ohren geläutet (das ist ein Helvetismus und er ist falsch, ja, ich weiss es). Darum kommt er soeben mit einem neuen Quiz daher.

    Was Buchhändlerinnen könn(t)en

    Eine Jammerbranche seien wir, schreibt die Presse immer wieder, verhaftet in der Vorsintflut, unfähig den Zeitgeist zu verstehen und dank des festen Ladenpreises denkmalgeschützt wie eine emmentaler Häuserfront. Das Hauptproblem bei diesen Aussagen ist das Körnchen Wahrheit drin.
    Aber zwei Fachlehrerinnen hatten genug und zogen aus, „Das Forum für den Buchhandel“ zu günden.
    Und jetzt sind wir fertig. Das Schöne daran: Wir sind unabhängig, wir sind niemandem verpflichtet ausser dem Branchennachwuchs. Und dem möchten wir zeigen, dass unsere Branche aus originellen, schrägen, belesenen, innovativen, emsigen, verantwortungsvollen, kommunikativen Leuten besteht, die sehr wohl das Potential haben, dem Geiz, dem Medienmarkt und Amazon die Stirn zu bieten.
    Denn wenn es zwischendurch doch Gejammer sein muss, dann bitte auf einer Plattform, auf der alle mitjammern können. Und hie und da sogar gemeinsam Strategien zur Überwindung der Trübsal finden.
    Und wie immer, wenn Lehrerinnen etwas mit viel Engagement gemacht haben, steht am Ende die Frage, ob aus dem Input Output werde? Aber ebenfalls aus dem Lehrerinnenalltag wissen wir: Der Versuch allein ist es schon wert.