Herzliche Einladung

Verantwortung für das eigene Wirken ist ein hehres Ziel pädagogischer Bemühung. Gleichzeitig ist der Zufall in unserer verplanten Zeit ein seltener Gast geworden. Meldet er sich, fragen wir uns sofort, was wir falsch gemacht haben. Vielleicht sollten wir ihn öfter einladen?

Das neue Flügelpferd ist da, der Satz stammt aus dem Editorial. Neben Twitter und Instagram machen wir noch zwei gedruckte Ausgaben im Jahr, diese Herbstausgabe 2017 ist die 124. Der „Pegasus“ bleibt ein passendes Wahrzeichen für unsere Schule. Obwohl wir stetig kleiner werden, bleiben wir heiter und versuchen, einander zu beflügeln anstatt zu beschweren.
Im Moment hängen „Bekenntisse“ der neuen angehenden Buchhändlerinnen und Buchhändler bei uns im Schulhausflur. Die Lernenden wollen aber nicht, dass wir diese fotografieren oder online weiter verbreiten. Wenn sie jemand lesen möchte, ist er herzlich dazu und zu einem Kaffee oder Tee eingeladen, gern auch kurzfristig und spontan, einfach melden und sich den Weg beschreiben lassen!
Auch die Lehrerinnen und Lehrer haben sich bekannt zu dem, was sie mögen und was nicht. Und die Abteilungsleiterin.
Bekenntnisse 2017

Zwischen den Stühlen

Ich schreibe allerlei, aber nicht hier, was ich immer ein wenig bedaure. Drei halbfertige Beiträge harren meiner Bearbeitung. Der Buchmessebesuch dieses Jahr muss unbedingt festgehalten werden, er war mein 23. und lustigster. Auch meine Schulleiterausbildung hat inzwischen Highlights und Dämpfer erfahren, die eigentlich in mein Tagebuch gehörten. Und den Nachruf auf einen der besten ehemaligen Lehrer unserer Schule habe ich – auf Wunsch vieler – auch fast fertig.
Aber es soll nicht sein im Moment. Die mir zur Verfügung stehenden Worte sind an anderer Stelle gefragt und ich muss mich arg konzentrieren, damit sie sich nicht aus dem Staub machen. Denn das wäre schlecht, ich habe redeintensive Prüfungen und Tagungen und die Ehre, am Samstag ein Referat zu halten. Gerade dieses erscheint mir noch immer als sehr unwirklich, so als Bernerin in einem Kreis hochgebildeter Menschen aus Zürich. Vor allem auch der Ort. Ich war noch nie im Leben an der ETH. Doch ich versuche einfach, meinem Auftrag, den die Veranstalterin mit gegeben hat, treu zu bleiben.

Programm Tagung Lebendiges Buch 1

Ich werde nach bestem Wissen die Brücke schlagen zwischen dem Ausnahmebuchhändler Heinrich Fries, der in seinen 60 Berufsjahren nationale Bekanntheit erlangt hat und der heutigen unbekannten Buchhändlerin auf ihrem unbequemen, dafür freien Platz zwischen allen Stühlen.

Programm Tagung Lebendiges Buch 2

Sommerferien-Reflexion

Ich kann mich an kein kräftezehrenderes Semester erinnern als dieses vergangene. Aber die Erinnerung kann ja täuschen. Wir litten alle unter Ausfällen von Menschen bis Maschinen, ich ächzte unter dem Wachstum der Abteilung Kundendialog und auch privat war selten Sonntagsspaziergang. Doch die Sommerferien sind eine Zäsur und ich will diese nutzen, zu überlegen, ob alles, was ich organisierte, nötig und wirksam war und wie ich es ändern kann, weil es zu viel zu tun gibt.
Der „Pegasus“ bereitet mir viel Freude, aber als Einfrau-Redaktion auch enorm viel Arbeit. Mit den guten Rückmeldungen für die aktuelle Nummer kommt dann die Versöhnung – bis zum nächsten Mal!
Die Diplomfeier im Buchhandel gestalten wir aufwändig, wir verwenden zu viele Ressourcen darauf. Die Bühne wird schön geschmückt (ich mietete dieses Jahr weisse Rosenbäume, es war umwerfend) und es gibt eine halbstündige Lesung mit einem guten Autoren oder einer guten Autorin. Am Schluss können die Diplomierten ein Buch von einem mit Aktualitäten ihrer Lehrzeit bestückten Büchertisch auswählen. Der Fotograf verschafft uns wunderbare Erinnerungen. Die Organisation beginnt im November des Vorjahres, der Autor sollte im Dezember gebucht sein. Wenn ich die Lesung und den Büchertisch streichen würde und ohne Bühnenschmuck auskäme, hätte ich noch einen Viertel des Aufandes nur schon deshalb, weil ich mir den Grossteil des Fundraisings sparen könnte. Aber das schaffe ich im Moment noch nicht. Wie es ist, ist es einfach zu schön.
Auch bei der Diplomfeier in der Abteilung Kundendialog logieren wir wunderschön, im Technopark in Zürich. Der Anlass wird hauptsächlich von der Zuständigen im Berufsverband organisiert, der ich sehr dankbar bin. Ich fundraise nur die ganz einfachen Fälle und helfe vor Ort mit. Ich schaue zum Beispiel, dass die hibbeligen Diplomandinnen am richtigen Ort sitzen und der Fotograf neben allen in die Luft gereckten Handys Platz bekommt für seine grandiose Arbeit. Ich halte meine Rede als Letztes und vorher verlorene Zeit einsparend. Zudem stifte ich einen Preis für die besten Berufskenntnisse. Das ist eben nicht die Praxis, sondern die Theorie dahinter. Dafür gibt es sonst nie eine Ehrung und das finde ich so falsch, dass ich den Preis am liebsten für alle 150 Berufe in diesem Landes spenden würde. Auch hier: Selbst wenn es viel zu tun gibt, ist es genau richtig so.
So geht es im Leben häufig: Man möchte wirklich und endlich etwas ändern, aber bitte ohne Veränderung.

Messerli-Preis für Whitney Obahor

My April

Ich sitze am Küchentisch, versuche mir vorzustellen, was der blitzschnell vorbeirasende April mir gebracht hat und merke: Es war vor allem Wachstum.
Kinder sind zur Welt gekommen. Entsprechend habe ich den Chinderbuechlade besucht, denn etwas anderes als Bücher kriegen Bébés von mir nur in Ausnahmefällen. Dabei habe ich gemerkt, dass Bilderbücher, die ich gerade noch als besonders originell gefeiert habe (wie zum Beispiel „Nick“ von Benji Davies oder die Torten-Titel von Thé Tjong-Khing) unter verständigen Buchhändlerinnen längst Klassiker geworden sind. Aber Bilderbücher öffnen sich immer wieder neu, meine Entdeckung ist Pija Linderbaums Greta.
Und „meine“ Abteilung Kundendialog wird im neuen Schuljahr noch grösser. Ich wähnte mich auf der sicheren Seite, als ich (neu) drei Parallelklassen für 2017/18 beantragte, erhielt und plante. Nun reicht das nicht, es stossen Neue aus der Ostschweiz zu uns, wir brauchen eine vierte Klasse. Alle Mitlesenden mit Schulleitungskenntnis wissen, was das bedeutet. Den anderen sei gesagt, dass es eine geeignete Aufgabe für „Germanys next topschulleitung“ wäre. Man hat nämlich erstmal nichts: Keine Stundenplanzeitfenster mehr, keine Räume, keine PCs und noch keine einzige Lehrperson. Dafür umso mehr Anfragen von Leuten, die wissen möchten, in welche Klasse sie eingeteilt werden und von wann bis wann welches Fach haben und vielleicht auch noch grad bei wem (was verständlich ist, denn die machen ja jetzt die Arbeitspläne für die Integration der neuen Azubis)? Praktischerweise fällt diese aufbauorganisatorische Herausforderung mit der kritischsten Phase der Ablauforganisation einer Berufsschule zusammen: Der Prüfungszeit. Als Leiterin der Abschlussprüfungen Kundendialog bin ich auch in die Erstellung, Durchführung und – wegen Ausfällen – in die Korrekturen involviert. Andre, die mir sonst helfen könnten, sind mit den Prüfungen ihrer eigenen Abteilungen ausgelastet, die Sekretariate sogar überlastet. Und fast vergessen: Budgetphase ist auch jetzt. Falls jemand fragt, was Schulleitungen den lieben langen Tag so machen, wäre die Antwort simpel: Management.
Und noch eine grosse Überraschung: Das Ehemaligentreffen der Buchmenschen unserer Schule hat enormen Anklang gefunden. Über 180 Leute sind zusammengekommen, um sich miteinander über alte und neue Zeiten zu unterhalten. Und dies, obwohl wir nur via Social Media und mit einem Inserat in der Branchenpresse für den Anlass (für den es gar kein Programm gab) werben konnten. Eine Bildauswahl des aussergewöhnlichen Abends habe ich inzwischen zusammengestellt und richtig Freude daran. Ich finde die Fotos, die von verschiedenen Laien gemacht wurden, fangen die Stimmung an diesem 1. April sehr schön ein. Auch wenn der Buchhandel schrumpft und viele der Gäste heute andere Betätigungsfelder haben, war die Verbindung über Bücher und das Lesen und Menschenfreundlichkeit an sich einfach in allen Gesprächen spürbar. Die junge Frau, die mir in der Lehre nachgefolgt und also meine „Unter-Stifin“ war, wird demnächst Grossmutter, Wachstum auch da.
Zudem bot mein April mir gleich zwei besondere Gelegenheiten, selber zu wachsen. Der Sohn war krank (im Spital) und ich hatte meine erste Woche als normale Studentin (BWL, RW und Controlling) an der Fachhochschule. Beides verschiedene, aber doch sehr neue Herausforderungen für mich, die viel Geduld und Kraft erforderten. Die Studienwoche muss ich noch nachbearbeiten, aber der Sohn ist zum Glück schon fast wieder genesen.

Pegasus 121: Generationenfragen

Lange dachte ich, mich verbinde anderes mit dem Beruf als die jungen Buchhändlerinnen. Ich habe mich geirrt. Weder, dass sie über Perlen aus Fantasy-Reihen bloggen und ich über solche bei Matthes & Seitz, noch, dass ihnen Marlene Streeruwitz nichts sagt, während ich von Cassandra Clare noch nie gehört habe, ist entscheidend. Ob ich mit einem Buchhändler vom Abschlussjahrgang 1968 am Tisch oder einer Lernenden auf der Schulhaustreppe sitze: Über alle Generationen* hinweg eint uns das Bedürfnis nach Lektüre fürs Leben.
Und haben wir ein gutes Buch fertig gelesen, ist alle Müdigkeit verflogen. Wir treten hinaus in die kühle Nacht, breiten die Arme aus, heben das Gesicht zum Himmel und warten gespannt, bis das nächste Elmfeuer der Literatur die Dunkelheit durchbricht.

„Pegasus 121: Generationenfragen“ weiterlesen

Eine feierliche Woche

Vom 28. Juni bis am 1. Juli haben wir unsere Lehrabgängerinnen und Lehrabgänger gefeiert.
Die erste Schlussfeier war die der Buchhändlerinnen und Buchhändler. Ich organisiere diesen Anlass mithilfe von ein, zwei Kolleginnen und Kollegen. Das Fundraising mitgerechnet beschäftigt er mich über sieben Monate des Jahres regelmässig und im achten intensiv. Heuer hat Meral Kureyshi gelesen, der trotz der Ernsthaftigkeit ihres berührenden Textes witzigen Interaktionen mit dem Publikum gelungen sind. Jedes Mal denke ich, wie schön und gut es ist, dass wir diese Feier in – für unsere kleine Branche – opulenter Form ausrichten. (Das denke ich natürlich erst danach.)
Die Schlussfeierlichkeiten waren für mich in zweierlei Hinsicht besonders: Die Buchhandelsfeier mache ich nun schon eine ganze Dekade, das heisst zehn Reden, zehn Lesungen, zwanzig verabschiedete Klassen. Zudem habe ich dieses Jahr an allen Anlässen unserer Schule teilgenommen. Meine Kollegen bei den Kaufleuten haben neue Abläufe ausprobiert, die mich interessierten. (Bei solchen Feierlichkeiten muss man immer auch das Publikum im Blick haben, welches wegen einer Person kommt und nicht endlos Geduld für alle anderen hat.) Bei den Drogistinnen wollte ich gern dabei sein, weil mein langjähriger Kollege Abteilungsleiter in die Pension verabschiedet worden ist, unter anderem vom Jodelklub Spiez, in dem eine frisch diplomierte Drogistin Solistin war.
Den Schlusspunkt setzten meine Fachleute Kundendialog. Deren Feier wird mehrheitlich vom Trägerverband organisiert und findet deshalb in Zürich statt, dieses Mal waren wir im imposanten Technopark. In bester Stimmung wurde rundherum gedankt. Und ich fiel aus allen Wolken, als die jungen Leute auch mir dankten – ich unterrichte sie gar nicht und sie haben mit mir fast nur zu tun, wenn es Ärger gibt oder etwas Unangenehmes geschehen ist. Eine Absolventin hat „Time of my life“ gesungen und was passt besser als ein „Final Dance“? Es war einfach hin- und mitreissend. Das Publikum beherrschte den Refrain zum Teil erstaunlich gut und selbst die vom Ramandan etwas geschwächten Verwandten wippten fröhlich.
Für mich war’s ein anstrengendes und streckenweise konfliktreiches, manchmal gar trauriges Schuljahr. Aber es ist alles gut geworden und in Erinnerung bleibt ein friedlicher, lustiger Abschluss. Gaudeamus igitur!

Stimmung Schlussfeier Buchhandel 2016

Privat, politisch, beruflich

Privat: Ich schreibe im Moment hier nur noch ganz selten, weil ich wieder Tagebuch führe. So richtig echt auf Papier, fehlt nur noch ein Schloss dran. Danke allen, die nachgefragt haben, ich würde liebend gerne beides machen. Aber dann müsste ich das Bücherlesen aufgeben, die Familie und die Freunde oder gar den Beruf. Und das ist halt keine Option.
Politisch: Die Abstimmungsresultate (in 10 Sprachen bei Swissinfo) sind in meinem Sinne. Und ohnehin haben die Abstimmungen in der Schweiz inzwischen derart viel Medienpräsenz im Ausland, dass es selten etwas zu sagen gibt, was nicht schon gesagt wäre.
Beruflich: Ich freue mich darauf, morgen wieder eine Runde mündliche Prüfungen in „Betriebliche Prozesse im Buchhandel“ abzunehmen und wünsche allen Prüflingen und Prüfenden eine erbauliche Woche. Und wer hier mitliest und sich der Buchhandelsausbildung verbunden fühlt, vielleicht gar selber Buchhändler ist oder Buchhändlerin war, ist herzlich an unsere Schlussfeier eingeladen!

Hinter den Kulissen: Prüfungsvorbereitung

Jedem anerkannten Beruf in der Schweiz liegen eine Bildungsverordnung und ein Bildungsplan zu Grunde, auch dem Buchhandelsberuf. Dem Bildungsplan folgend machen die Berufsfachschulen ihre internen Lehrpläne. Am Ende ist die Prüfung nach Plan und Verordnung – alles ist schlüssig und gut erklärbar, auch neuen Azubis und deren Eltern oder enervierten Kandidaten und deren Berufsbildnern.
Aber bis Prüfungen stattfinden können, sind etliche Schritte nötig, an unserer Schule sind wir gut ein halbes Jahr administrativ und inhaltlich damit beschäftigt. Im Bereich „Handelsobjekte“ (Leitziel 4 des Bildungsplanes) wird beispielsweise mündlich geprüft, was die Kandidatinnen und Kandidaten über die Herstellung von Büchern wissen. Die Fachverantwortliche Buchhandel stellt dafür rechtzeitig, nämlich jetzt, das Material zusammen. Das hat sie schon:

  • Bilderbücher
  • Einen grossen Fotobildband
  • Diverse Landkarten in verschiedener Druck- und Papierqualität und in diversen Massstäben
  • Einige neue, gebundene Bücher
  • Und das ist, wonach wir Fachlehrpersonen bei uns zu Hause noch suchen:

  • Flyer und Postkarten oder Buchzeichen mit nur einer oder zwei Farben
  • Klappenbroschur
  • Mindestens zwei fadengeheftete Bücher, möglichst eins davon als Broschur
  • Gefaltete Printprodukte, darunter eines gerillt
  • Ein gestanztes Buch oder eines mit gestanztem Umschlag
  • Ein Buch mit Leinen oder Ledereinband, ein Halbband
  • Und in der eigenen Bibliothek gibt es halt auch Bücher, die zwar viele Kriterien vereinen, die man aber partout nicht aus der Hand geben will:
    Auszug1 Auszug2

    Der 119. Pegasus

    Ein Mensch muss viele Fragen stellen, bevor ihm die Erfahrung Antworten zuträgt. Was ist denn beispielsweise lesenswert in diesem Leben? Für mich bleibt ein jedes Buch der Versuch, es herauszufinden.
    Immerhin glaube ich langsam zu verstehen, was die gute Schule ausmacht: ihr Mut, ihr Werkzeug, ihre Dienstbereitschaft. Eine gute Schule muss etwas wagen. Lehrerinnen und Lehrer der guten Schule beherrschen ihr Handwerk, fordern und pflegen die passende Infrastruktur und bleiben auch Vorbilder, wenn diese fehlt. Die Bereitschaft sämtlicher Mitarbeitenden, dem Umfeld zu dienen, ist in der guten Schule ausser­gewöhnlich hoch.
    Etwas habe ich jedoch im Laufe der Jahre gelernt: Eine gute Schule ist nicht unbedingt die, die wir im Moment als solche beurteilen. Sondern viel mehr die, die wir als solche erinnern.
    Schön, dass Sie mitlesen. Bleiben Sie uns gewogen.
    Tanja Messerli

    Die beste Eröffnung

    Literature may be weak because it has no real power in the world, but in a way it is the grandest narrative of all, in that it puts ourselves into question with fiction. We challenge ourselves and refuse to take the world as a given. We challenge all correctives of opinion, all appeasements, all fears. Literature is the unafraid form.


    Salman Rushdie
    today @Book_Fair via Bookseller