Filialisierung

Nachfolgend mein heutiger Beitrag aus dem MügaBlog. Gehört aber auch hierhin, weil schliesslich zu meiner fachlichen Weiterbildung:

Die comedia hat gestern eine Tagung zum Thema „Die Filialisten kommen – na und?“ durchgeführt, an der sich die Müga samt ihrer Meinung zum Thema präsentieren konnte. Eingangs gab es ein äusserst hibbelig machendes Referat von Volker Hasenclever. Er nahm oft Bezug auf die Publikation von Cristian Rusch, was mich motiviert hat, das (super-wissenschaftliche) Buch auch wieder aus dem Gestell zu ziehen.
Was ist überhaupt eine Filiale? Es ist ein Verbund von Unternehmen mit zentraler Leitung und unterschiedlichen Verkaufsstellen. Neben dieser einfachen und mir nützlichen Definition, hat Volker Hasenclever leider auch meine Sorgen mit Zahlen belegt: Die Filialisierung ist mit 58% Prozent in der deutschen Schweiz weitaus fortgeschrittener als in Deutschland (mit 29%).
Von der welschen Schweiz gar nicht zu reden. Pierre Genier hat in seinem spezifischen Referat erklärt, dass dort zwei Gruppen den Markt beherrschen: LAGARDERE (z.B. mit Hachette und Virgin Megastore), die 34% ihres weltweiten Umsatzes im Aviatikbereich machen. Und Pinault-Printemps-Redoute (PPR), für die die riesige FNAC nur ein kleiner Posten unter „Loisirs“ ist (und diese Loisirs sind wiederum nur ein kleiner Posten neben Mode, Möbelhäusern und Autos).
Bleiben wir trotz dieses enormen Kapitals, das uns da entgegenschlägt, engagierte, mutige, gescheite Überzeugungstäterinnen und–täter. Ende des Berichts mit dem Zitat der Müga-Geschäftsleitung, das an der Veranstaltung grossen Applaus geerntet hat: Je grösser der Konzentrationsprozess, desto grösser die Nische.

Voll eindrücklich

Artikel im Schweizer Buchhadel vom 21.10.2004 „Voll eindrücklich“ zur Lehrlingsreise an die Frankfurterbuchmesse der Lernenden aus dem Kanton ZH:

Das Urteil der Auszubildenden zu den Verlagen war einstimmig: „Am nettesten sind die kleineren Verlage, die achten auf die Stifte. Bei den Grösseren sind wir nicht so willkommen, die Verleger interessieren sich mehr für anderes.“

Dem kann ich, nach der Evaluation des Messebesuches mit vierzig „meiner“ Lernenden, leider nur zustimmen. Ich habe mir notiert, nächstes Jahr vor dem Messebesuch zu besprechen, ob sich die Lernenden nicht anschreiben wollen? Ich glaube, das würde helfen auch von den super-busy Hostessen an der Front der Grossverlage entgegenkommender behandelt zu werden.
Aber ein schönes Zeugnis für die Mächtigen der Branche ist es nicht, wenn die Meinung der Lernenden schweizweit so einhellig ist, ohne dass sie einander kennen. Glauben Ullstein/Heyne/List und Bertelsmann/Randomhouse selber so wenig an ihre Zukunft, dass sie sich für den Nachwuchs nicht zu interessieren brauchen? Da lob‘ ich mir Orlanda, Rico Bilger, Stämpfli, Wagenbach und Limmat, die sich extra vorbereitet und unsere Gruppen trotz Mess-Stress so freundlich empfangen haben.

Berufsnavigation

Thomas Diener von der berufsnavigation hat am 13. Oktober verschiedenen Zeitungen ein ausgezeichnetes Interview gegeben. Ich zitiere:

Der Fluch, der über vielen jungen Menschen lastet, sagt: „Es ist schwieriger geworden, also pass dich an!“ Ich weiss aus zahlreichen Beratungsgescprächen, dass viele junge Erwachsene unter der Vorstellung leiden, die Arbeitswelt sei ein fertig gebautes Uhrwerk und sie müssten als Rädchen exakt in dieses Uhrwerk passen. Das ist ein folgenschwerer Irrtum. Originalität ist mindestens so wichtig wie Anpassung.

Ich muss nun eine Wendung brauchen, die mir ziemlich verhasst ist: Ich unterrichte seit über zehn Jahren (das war sie, die verhasste Wendung) und habe in dieser Zeit mit Jugendlichen etliche Pausen- und Schulreisegespräche, sowie Gespräche an ihrem Arbeitsort geführt. Und müsste ich meine Antworten und Ratschläge auf einen Satz reduzieren, würde er heissen: „Du hast mehr Einfluss, als du denkst.“

  • Deine Buchhandlung hat nur hässliche Postkarten, die du nicht verkaufen magst? Bestell dir einen Katalog mit schönen. Suche Argumente, überzeuge nicht den Chef, sondern die Kollegen, mit ihrer Hilfe wirst du eine kleine Menge ans Lager nehmen dürfen. Setze dich ein, empfiehl sie, verschicke sie auch privat.
  • Keine Altpapiersammlung im Schulhaus? Schreibt dem Prorektor. Ich werde nachhaken, wenn keine Antwort kommt.
  • Nur Stumpfsinn erledigen in der Lehre? Zeig deinen Vorgesetzten den Modelllehrgang. Keinen Modellehrgang zur Hand? Ich werde ein PDF machen und ihn auf der Website der Schule zur Verfügung stellen. Hole ihn dort.
  • Du bist 18 geworden? Gehe abstimmen. Du möchtest, aber weisst nicht wie und was? Überzeuge die Klasse, wenn sie einverstanden ist, mache ich ein Schwerpunktthema im Unterricht daraus. Dafür sucht ihr im Ausbildungsbetrieb die Sachbücher zu den Themen raus.
  • Pet-Flaschen immer in den Papierkorb? Es hängt von uns allen ab, ob wir ab Januar darauf Pfand bezahlen!
  • Tu etwas, nur so kannst du Erfolg haben. Nicht immer und nicht sofort. Probiere aus, lerne daraus.
    Unter anderem durch das Engagement einzelner Schülerinnen sind wir zu Pet-Sammlern in jedem Stock unserer drei Schulhäuser gekommen. Und zur Offenlegung der internen Lehrpläne im Internet. Und zu Anleitungen, wie man das Arbeitsbuch führen könnte (obwohl das Lehrfirmen-Business wäre). Und ein bisschen auch zum prüfungsfreien Übertritt in die BM. Auch wenn natürlich ich den Antrag via Dienstweg lostreten und an die Sitzungen musste, haben die Schülerinnen sich eingesetzt und abgeklärt, wie es im Kanton ZH läuft. Ehemalige haben inzwischen sogar evaluiert, gerade in der aktuellen Nummer des Pegasus unter dem Titel „ein Brief“.
    [Natürlich bin ich mit den Jugendlichen nicht per Du, aber ging hier gerade einfacher.]

    Lehren kompakt

    Das Buch von Ruth Meyer, das Jürg gestern empfohlen hat, ist bestellt.
    Der hep Verlag arbeitet nur rudimentär mit dem Buchhandel zusammen, nur wenige seine Publikationen sind in unseren Katalogen zu finden, er beliefert unsere Zwischenlager nicht und die Rabattierung für Wiederverkäufer ist schlecht. Das ist nicht ungewöhnlich, die meisten Schulbuchverlage haben sich für den direkten Kontakt mit ihrem Zielpublikum entschieden. Wenn es funktioniert, kann es nicht schlecht sein (ja, ja, Adam Smith). Es bedeutet, dass es den Buchhandel hier nicht braucht. Das wird ein gutes Beispiel zum Thema: „Welcher Teil der Bücher verkauft sich über den Buchhandel verkauft?“. Das werde ich aufgreifen, denn das Thema wird mit der Konkurrenz durch Amazon immer aktueller.

    Feuilleton

    Heute will ich mit dem 2. Lehrjahr ansatzweise Rezensionen schreiben. Ziel ist, dass die Lernenden Buchtipps und Rezensionen unterscheiden und beurteilen können.
    Buchtipps sind Empfehlungen, das kennen in der Regel alle angehenden Buchhändlerinnen und Buchhändler.
    Rezensionen sind Kritiken. Das ist schwieriger zu machen, denn das ist journalistische Arbeit und ein Bestandteil des Feuilletons.
    Und jetzt das. Jetzt sagt die Frankfurter Rundschau das Feuilleton tot. Völlig ungeachtet meines „Präps“.