Tahlequah ist die Hauptstadt der Cherokee Nation und ein schöner Ort, der im Sommer wohl ein wenig Binnentourismus hat und ziemlich beschaulich erscheint. Religiös geprägt von Baptisten, politisch wohl eher konservativ. Aus den Statements in Küchenfenstern und Autos schloss ich, dass sich viele junge Cherokees aus Überzeugung zur Armee melden.
Am 6. April 2010, als wir dort waren, starb Wilma Mankiller („First female principal chief of the Cherokee Nation“), eine wichtige aber auch umstrittene Identifikationsfigur für die Cherokees. Als Tourist merkte man nichts, aber später las ich im TIME Magazine, dass sie noch einen Tag zuvor Besuch empfangen und geschrieben habe. Auch ihren letzen Wunsch hinterliess sie schriftlich in Cherokee und Englisch: Man solle sie verbrennen und ihre Asche in „Mankillers Flats“ – dem typisch flachen, feuchten Oklahomaland – verteilen. Beerdigen solle man anderes: „I would like them to bury any unkindness or anger or hurtful things I may have done.“
Mankiller steht als Frau, Professorin, Freiheitskämpferin und kompromisslose Lokalpatriotin für vieles, was mir an dieser Gegend aufgefallen ist. Die Cherokees haben viel Selbstbewusstsein, sie nehmen die Konflikte, wie sie kommen. Im Gegensatz zu anderen Stämmen diskutieren sie offener über Rechte und Zugehörigkeiten auch innerhalb des Stammes. (Übrigens etwas, was romantische Bleichgesichter gerne ignorieren: Wer keine nationalen oder „vom Kolonialismus aufgezwungenen“ Grenzen hat, ist nicht der bessere Mensch. Ab- und Ausgrenzung findet immer statt und ist immer brutal.)
Mankiller investierte viel in das wichtigste Cherokee-Erbe: Die Schulen. Danke der frühen Erfindung der Schrift durch Sequoya und sicher auch dank der Anpassung und Christianisierung, haben die Cherokees heute eine sehr lebendige Muttersprache. Seit dem 19. Jahrhundert trieben sie die Alphabetisierung so ehrgeizig voran, dass sie die Siedler spielend überholten und entsprachend Macht gewannen. Auch Frauenförderung schien ihnen logisch: Trotz Not und Vertreibung eröffneten sie zuallererst eine Mädchenschule. Die Schulen in der Cherokee Nation sind bis heute modern, haben Werkstätten und riesige, gut besuchte Sport- und Spielplätze.
Das etwas abseits gelegene „Cherokee Heritage Center“ hat eine ausgezeichnete Ausstellung über die Cherokee Geschichte. Sie beleuchtet verschiedene Aspekte und geht auch auf Situationen ein, in denen Cherokees hin- und hergerissen und nicht nur Helden oder Opfer waren, wie zum Beispiel während der Sklaverei und der Sezessionskriege.
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Kategorie: Leben daneben
Ausserschulisches und Vermischtes
Oklahoma, der missverstandene Staat
Oklahoma ist kein besonders beliebtes Ziel. Das merkte ich, als ich einen Reiseführer suchte und nichts fand ausser dem „Forbes Travel Guide: Great Plains 2010“, ISBN 9-780841-61417-8. Da sind Iowa, Kansas, Missouri, Nebraska, North und South Dakota auch noch drin.
Auch wenn ich anderen von meinen Plänen erzählte, zuckten sie mit den Schultern oder verwarfen gar die Hände, in den USA ebenso wie in der Schweiz. Nun kann ich zum Glück an fast jedem Ort etwas Schönes finden und habe ausserdem eine biographisch bedingte Schwäche für vorurteilsbeladene Gegenden. Oklahoma ist diesbezüglich perfekt. Ein Cowboy-Staat aus dem Musical, das Land der Pioniere, ein Stück Bible Belt, der Staat, in den die meisten Indianerstämme getrieben wurden, weder echter Südstaat noch bekannter Ölstaat – absolut konservativ in der Aussenwahrnehmung und doch regiert von männlichen und weiblichen Häuptlingen und einem demokratischen Gouverneur.
Einen Reiseführer schreiben will ich nicht, aber sollten die Mitlesenden Lust auf Umwege haben, kann ich vier Reiseziele im Heartland empfehlen:
Ich mach‘ mindestens zu Tahlequah gelegentlich einen Beitrag. Und fragen kann jeder im Kommentar.
News aus der Startwoche
Der Anfang war gut und die Woche blieb es. Die Lernenden der Abschlussklasse haben in meinem Fach ihren letzten Test geschrieben. Auch der letzte „Pegasus“ dieses Schuljahres ist fertig und geht am Montag in Druck. Mit dem Einrichten der Prüfungsbuchhandlung sind die Klassen und ich ebenfalls schon weit gekommen, und das Fundraising für die Abschlussfeier läuft besser als ich das in Krisenzeiten erwartet hätte.
Dazu erreichten mich noch zwei erfreuliche Nachrichten aus meinen beiden Berufen. Zuerst das Persönliche: Ich bin an der Schule fest angestellt worden. (Bis jetzt war ich zehn Jahre lang befristet angestellt, also immer nur für ein Schuljahr.) Dann das Buchhändlerische: Es wird im Buchhandel neu eine Meisterlehre geben, etwas, was zu jedem Beruf gehört. Seit 1923 in Bern die schweizweit erste buchhändlerische Gesellenprüfung – die heutige Lehrabschlussprüfung – stattfand, bemühen sich Buchhändlerinnen und Buchhändler darum. Gescheitert sind wir fast hundert Jahre lang weder am Staat noch an der Wirtschaft, sondern aneinander. Nun haben wir es geschafft, und das ist in unserer heterogenen Branche mit vielen höchst eigenewilligen Teilnehmern ein dipolomtischer Erfolg.
From Memphis to San Francisco
It was a wonderful journey from Graceland
to Wasteland. Happy Birthday, Kid.
Hier sind Ferien
Ich freue mich auf die USA. Von der Reise 2007 habe ich Auszüge im Reisenotizbuch gebloggt und von 2009 ein Journal für die Verwandtschaft geschrieben, allerdings nur von der ersten Ferienwoche. Wer’s lesen will, kann das Bild vom unvergesslichen Nationalpark White Sands anklicken:
Auch 2010 werde ich wieder ein Notizbuch füllen und vielleicht später etwas daraus machen. Ich wünsche allen einen schönen April und viel Zeit an der frischen Luft.
Stichworte zum Wochenende
Weiterbildung:
Zum Abschluss des Wochenendes hat YB gewonnen und – für mich überraschend – auch Rot-Grün die Mehrheit im Regierungsrat des Kantons Bern gehalten. (Dafür wird das Parlament wieder rechter und vor allem bildungsferner, aber daran mag ich erst morgen denken.)
Mathnacht
Wir helfen wenig bei den Hausaufgaben, aber es gibt Abende, da sitzen wir lange dran. Und weil wir halt zu fast allem Bücher haben, kommen wir leicht vom Hundersten ins Tausendste und dafür wiederum ist eigentlich keine Zeit. Heute wird fast nur auf Ziele und vor allem Resultate hin gelernt und das ist sogar verständlich, bei dem Zeitmangel, unter dem alle leiden. Das Kind hat 39 Lektionen pro Woche Unterricht und es ist leicht auszurechnen, dass so fast jede Hausaufgabe abends, nachts oder sonntags getan werden muss. Für einen knapp Fünfzehnjährigen sind zwar auch noch Freundschaften aufzubauen, es wäre etwas Sport gesund. Und ein wenig Games und E-Musik zu spielen wäre ebenfalls ganz ermunternd. Aber das liegt nur drin, wenn es in der Schule um Lieblingsthemen geht – also um Lernstoff, den einer beinahe von selber, freiwillig und mit grosser Begeiterung aufsaugt und wieder abspult. Meine Meinung zum heutigen Teenager-Leben ändert sich ständig: Manchmal habe ich den Eindruck, die seien zu wenig gefordert und täten aus lauter Langeweile dumme Dinge. Ein anders Mal denke ich, dass sie schon ein richtig doofes Managerleben haben, mit Powerpoints jeden Tag, klingelnden Handys und Partner- Gruppen- und Teamevents, Lernplattformen und Netzwerken, Passwörtern und wiederkehrenden Vorgaben nach Kalenderwoche. Vielleicht werden ja Kindheit und Jugend so schnell wie sie angeschafft wurden wieder abgeschafft.
(Un)verzichtbar
Mehr als ein müdes Lächeln bringe ich nicht zuwege, wenn mich Leute übertrieben kulturpessimistisch schimpfen, wenn ich sage, dass das Buch für Jugendliche der westlichen Länder absolut verzichtbar ist und diese Generation die „Bibliothek“ bestenfalls als einen ruhigen, warmen, kostenlosen Arbeitsplatz mit online in der Luft begreifen wird.
Seit 2008 gehen die (mir bekannten) Studien zum Onlineverhalten auch auf diese Frage ein. Die Bitkom pulizierte gemäss „buchreport express“ von heute, dass nur gut die Hälfte (54%) der 14- bis 29-Jährigen sich ein Leben ohne Bücher vorstellen können. Das wäre erstaunlich. Der Umgang mit Information und dem geschriebenen Wort sowie die Honorierung von beidem hat sich in den letzten zehn Jahren durch das Netz so grundlegend verändert, dass dieses Resultat unglaubwürdig ist und Buchmenschen nicht wirklich froh macht.
Amüsiert hat mich hingegen, dass die Bitkom nun auch belegt, dass sich Privat- und Arbeitsleben durch das Internet wieder mehr vermischen. Eine umwerfende Neuigkeit. Hinter jeder Zeile Inhalt – egal welcher Qualität – steckt Arbeit. Würde diese allein in den dafür vorgesehenen Jobs oder in der Freitzeit geleistet, wäre die Welt längst Pleite. Oder das Internet.
Aus Stellvertretungen werden Bücher
Die letzten Tage hatte ich die meisten Stellvertretungen ever. Dass die Schweinegrippe unbemerkt gekommen und wieder abgehauen sei, wie die Presse vermeldet, kann ich also nicht bestätigen. Und dass nur die Pharma damit verdient hätte, auch nicht. So kaufte ich also Bücher. Weil sie glücklich machen, auch wenn sie traurig sind.
Kinderkrippengedanken
Die Begründung des Autoren Charles Lewinsky, weshalb er der SP beigetreten ist, hat mich drauf gebracht. Heute – am Weltfrauentag – ist es mir wieder eingefallen: Bei mir waren es die Frauenfragen. Nichts Besonderes mehr, die Knochenarbeit unserer Vorgängerinnen: Stimmrecht, Wahlrecht, Vergewaltigung als Offizialdelikt, Mutterschaftsversicherung, strafloser Schwangerschaftsabbruch, gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Tagesschulen, Krippenplätze.
Ich selber war mit Gastarbeiterkindern und Kindern, denen mindestens ein Elternteil fehlte, in der Krippe. Es gab fixe Essens- Schlafens- und Toilettenzeiten und die Betreuerinnen hatten ihr Handwerk in Anstalten autoritärer Natur glernt. Für alle, die nicht gezwungen waren hinzugehen, war die Kinderkrippe ein zu meidender Ort.
Als ich 1994 – schwanger – eine Krippenplatz suchte, tat ich es deshalb contre coeur. Nur die Vorstellung, meinen Job in der Buchhandlung aufzugeben, war schlimmer. Meine Telefonate und Bewerbungen bleiben erfolglos, die Krippe war genau wie in meiner Kindheit besetzt für Notfälle zu denen eine Mutter, die einfach ihre Arbeit weiter machen wollte, weissgott nicht gehörte. Eine Krippenleiterin riet mir, täglich die Liste durchzutelefonieren und zu weinen – damit liesse sich manchmal jemand erweichen und nähme für eine Phase ein Kind zuviel. Es befremdete mich, dass ich heulen und mein Kind erst noch das Überschüssige sein sollte. So half uns die Verwandtschaft und rettete uns die Jugend, die wenig Schlaf brauchte.
1998 gab es im bürgerlichen Bern erstmals eine politische Wende und Krippenplätze kamen oben auf die Agenda. Heute haben wir immer noch zu wenig Kitas, doch mehr als je zuvor. Meine Nichte und mein Neffe dürfen selbst entscheiden, wann sie zur Toilette müssen und kriegen einen Apfelschnitz, wenn sie hungrig sind. Sie duzen ihre Betreuerinnen in der Kita und freuen sich, sie zu sehen.
Thanks sistas.