Ein Merkblatt, das mir fehlt

Dafür, dass ich in einem friedlichen Rechtsstaat mit paradiesischem Anstrich arbeite, bin ich doch oft mit Gewalt konfrontiert. Bei meiner Erwerbsarbeit ist es am häufigsten autoaggressives Verhalten, bei meiner ehrenamtlichen Arbeit häufiger familiäre Gewalt. Aber ich habe in beiden Tätigkeitsfeldern schon beides erlebt.
Deshalb kenne ich zu der Gewalt-Thematik verschiedenste Merkblätter aus mindestens 20 Jahren. Zur Zwangsheirat zum Beispiel sind im Kanton Bern gerade wieder neue Leporellos erschienen (rechte Spalte), die ich bestellt habe, weil sie mir treffend scheinen. Zu Mobbing und Vergewaltigung gibt es ebenfalls gute Unterlagen für Jugendliche. Natürlich gibt es auch Merkblätter zu Gewalt. „Was tun bei Gewalt“ ist in den meisten Kantonen vorhanden und in zig Sprachen übersetzt. Aber diese Merkblätter setzen voraus, dass Menschen Gewalt als Delikt wahrnehmen. Mir ist noch nie eines begegnet, das ganz einfach darauf eingeht, dass Gewalt verboten ist. Ich wünschte mir vor allem für Schulen ein Merkblatt, das in einfacher Art (vielleicht auch mit Emblemen?) Folgendes aufzeigt:

  • Das Gesetz verbietet, dass jemand geschlagen und missbraucht wird. Wer jemanden schlägt oder missbraucht oder beides, kann hart bestraft werden. Wer geschlagen oder missbraucht wird, kann den Täter anzeigen, auf jedem Polizeiposten dieses Landes. Opfer haben ein Recht auf Hilfe, auch das steht im Gesetz.
  • Manche Täter wissen nicht genau, dass es dieses Gesetz gibt. Zwei Beispiele: Täter aus der Familie denken, das Gesetz gelte in der Familie nicht. Leute aus anderen Ländern meinen, das Gesetz gelte für sie nicht, weil sie in ihrem Heimatland ein anderes Gesetz kennen gelernt haben. Sie liegen beide falsch. Das Gesetz gilt für jeden und jede.
  • Die meisten Täter kennen das Gesetz. Und sie haben Angst davor. Täter wie zum Beispiel Schläger sind ja Feiglinge. Deshalb drohen sie dem Opfer mit Strafen, die für das Opfer noch schlimmer sind als die Schläge. Und darum schweigen die Opfer. Sie leiden still, werden verunsichert und krank, ihre Freunde werden immer hilfloser, ihre Beziehungen gehen kaputt, sie verlieren ihre Zukunft.
  • Das dient dem Täter und schadet ALLEN anderen Menschen. Deshalb sagt unser Gesetz: Gewalt richtet einen so grossen Schaden an, dass jeder, der etwas solches beobachtet, eine Meldung machen kann. Bei den Schulen ist es sogar so, dass sie es melden müssen, wenn sie bemerkten, dass jemand gefährdet ist.
  • Schulen, die eine Gefährdungsmeldung machen, handeln aus SORGE. Aber sie handeln auch, weil es ihre PFLICHT ist.
  • Ich glaube, dass vieles einfacher würde, wenn wir in den Schulen so etwas abgeben könnten.

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