Stellvertreterinnenfreuden

Am Donnerstag und Freitag habe ich zusammengerechnet sechs Lektionen Stellvertretungen. Donnerstags in Deutsch (bin absolut unqualifiziert) und am Freitag in Literatur, Wissenschaft und Kultur (da geht’s qualifikationsmässig einigermassen).
Weil ich nur noch mit knapper Not weiss, was ein Verb und ein Adjektiv ist, mache ich in Deutsch – immerhin saisongerecht – etwas zum Thema Deutschlehrmittel. Ich will mit den Azubis folgenden Fragen nachgehen:

  • Was sind die Kriterien, die eine Deutschlehrmittel gut machen? Oder umgekehrt: Welche Deutschlehrmittel werden auf welcher Stufe empfohlen und eingesetzt und weshalb?
  • Worauf muss die Buchhändlerin besonders achten, wenn sie Deutschlehrmittel bestellt? Wo und bei wem passieren häufig Fehler?
  • Was sind die schwierigsten Kundenfragen in dem Bereich? Was die unerfüllbaren Kundenwünsche?
  • Weshalb gibt es keine Lesebücher mehr?
  • Zu dem Zweck werde ich mindestens drei Lesebücher aus dem letzten Jahrhundert vorstellen. Voraussichtlich:

    „Im Kinderland“ aus dem staatlichen Lehrmittelverlag von 1948. Ein faszinierend vielseitiges Lesebuch „für Kinder des zweiten Schuljahres“ mit Bildern von Robert Schär. Märchen, Kurzgeschichten, Gedichte und Rätsel von verschiedensten Autoren und Autorinnen (es herrscht übrigens ein mindestens so gutes Geschlechterverhältnis als in heutigen Schulbüchern: Irmgard von Faber-du Faur, Clara Forrer, Sophie Reinheimer, Lisa Wenger) decken viele Kinderthemen ab, die serifenlose Schrift und glasklare Typographie machen’s lesefreundlich, die Abwechslung ganz allgemein Freude.
    „Schöne weite Welt“ – Lesebuch für dsa dritte Schuljahr aus dem staatlichen Lehrmittelverlag Bern von 1966. Ein klassisches, schönes, vielleicht etwas langweiliges Lesebuch mit Illustrationen von Mark Adrian.Serifenschrift, viel Weissfläche, neben Alpengeschichten erste Annäherung an andere Länder (Indianer) – Klassisch von J.W. Goethe bis Peter Rosegger, aber auch hier ei paar Frauen udn Lisa Wenger aus „Im Kinderland“ gibt’s da immer noch.
    Zuletzt noch „Der Sonne Licht“, mein Steiner-Schul-Lesebuch, das in den Sechzigern entstand und offenbar noch heute lieferbar ist, sogar als „Prachtausgabe“. Was ich daran immer sehr mochte, waren die verschiedenen Schriftbilder: Grösser, kleiner, Versalien mit und ohne Verzierung, gotische Schrift, eine Seite viel Durchschuss und Weissfläche, die andere enger Bleisatz. Und trotzdem bildete das Ganze eine Einheit mit einem perfekten Satzspiegel. Ich mag das Buch noch heute.
    Und in Literatur, Wissenschaft und Kultur mache ich etwas über Swetlana Geier, den Ammann Verlag und die Dostojewskij-Übersetzungen, die wir beiden zusammen verdanken (erscheinen neu bei S. Fischer). Schön, einmal Zeit zu haben für solche Ausflüge in die Welt, in der grossartige Bücher entstehen.

    2 Gedanken zu „Stellvertreterinnenfreuden“

    1. Und Schwesterherz? Stellvertretung hinter dir? Bestimmt waren das ganz tolle Lektionen, wer will sich Ende Woche schon mit der Wortlehre auseinandersetzen?!

    2. Ja, es ist alles gut gegangen. Gerade umgekehrt als ich vermutet hatte. Deutsch war witzig, ich glaube alle haben etwas Neues erfahren, wir machten noch eine kleine Exkursion zu Stauffacher in die Lehrmittelabteilung.
      In Literatur, Kultur und Wissenschaft zweifle ich aber daran, dass die Klasse etwas dazugelernt hat. Es ging ums Übersetzen, irgendwie war ich zu wenig strukturiert und komptent und zudem war es furchtbar heiss im 5. Stock (fast 40 Grad).
      Und die letzte Stv. war fast nur Aufsicht, kein Problem (ausser Hitze).

    Schreibe einen Kommentar zu Tanja Antworten abbrechen

    Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.