Auf die ledige Frau!

Heute wäre ein guter Tag für Recherchen gewesen. Es regnete, ich hustete, es war Internationaler Frauentag. Zum Beispiel hätte ich gerne meine Lieblingsthese belegt: Ohne ledige, kinderlose Frauen gäbe es in Mitteleuropa keine Gleichberechtigung. Wir stünden nach wie vor in der Küche und Kirche und schwiegen dabei („Mulier taceat in ecclesia et in confoederatio“). Leider hielt mein Alltag andere Aufgaben für mich bereit.
Trotzdem will ich zur Feier des Tages eine Handvoll prägender lediger Frauen vorstellen, ohne die mein heutiges Leben mit Sicherheit schlechter aussähe.
Luise F. Pusch (*1944): Sie zeigte im ausgehenden 20. Jahrhundert, dass Frauen in Veröffentlichungen sprachlich gar nicht oder in völlig unangemessener Weise vorkommen und sie brachte das bis heute oft verhöhnte „Binnen-I“ unter die Leute. Was viele weniger wahrgenommen haben: Sie wollte kein geschöntes Bild der Frauen in der öffentlichen Sprache, sondernauch die BetrügerInnen und MörderInnen benennen, denn: „Frauen sind zu allem fähig.“
Laure Dupraz (1896-1967): Die Welschschweizerin war Trägerin einer Erbkrankheit, die bereits ihre Brüder dahingerafft hatte. Ein Glück für die Entwicklung der Pädagogik in der Schweiz, denn sie beschloss ein eheloses Leben. Laure Dupraz lernte schnell Deutsch, studierte Mathematik und Philosophie und widmete sich schon bald intensiv der Aufgabe, Lehrerinnen und Lehrer auszubilden. 1944 wurde sie zur ausserordentlichen Professorin für Pädagogik in Fribourg ernannt, der relevanteste Posten, den eine Frau auf dem Gebiet bis dahin in der Schweiz je erreicht hatte. Für die Förderung der Mädchen und gegen die Stigmatisierung Schwacher hat sie unendlich viel getan: Mit ihrer frommen Art hat sie viele Tabus an der Uni gebrochen, dank ihrer Sprachgewandtheit viel geschreiben, übersetzt und analysiert. Das alles hat jedoch nicht dazu geführt, dass sie heute bekannt wäre.
Emma Graf (1865-1926): Die zahlreichen Verdienste der Bernerin sind vielleicht bekannter als bei anderen, dies wohl dank ihrem Engagement für das Frauenstimmrecht. Ich persönlich denke oft an Emma Graf, wenn ich mit dem Heulen und Wehklagen der „Verteilzeitlichung“ und „Verweiblichung“ des Lehrerberufes konfroniert bin. Sie hat sich als (ledige!) Redaktorin der Schweizerischen Lehrerinnen-Zeitung vehement dafür eingesetzt, dass verheiratete Frauen diesen Beruf ausüben dürfen, während ihre Kollegen lange der Meinung waren, die beiden Aufgaben liessen sich nicht verbinden. In dem Zusammenhang war der Kampf um die Lohngleichheit nicht weit, den Emma Graf ebenfalls mit spitzer Feder geführt hat.
Rosa Neuenschwander (1883-1962): Die Buchhändlerin, Gründerin der Verkäuferinnenschule, Berufsberaterin und Schafferin guter Lehrstellen für leistungsschwächere Mädchen, begleitet mich fast täglich. Sie steht für Gelassenheit in einer Berufswelt, die der meinen erstaunlich ähnlich ist. Dadurch, dass sie ihre Priorität ein Leben lang bei der Förderung der Frauen im Beruf setzte, erreichte sie politisch ähnlich viel für die Frauen wie die politischen Vorkämpferinnen. Meine Mutter hat das Leben von Rosa Neuenschwander recherchiert und es im Pegasus 87 (S. 3 ff) und 88 (S. 4 ff) beschrieben.
Ruth Driefuss (*1944): Das Gefühl, dass sich mit Ruth Dreifuss die Perspektive der Frauen und der Blick auf die Frauen in der Schweiz verändert hat, hält bei mir an. Die erste Sozialdemokratin und die erste ledige Frau im Bundesrat (wenn ich mich nicht irre, auch die letzte ledige), hat Frauenthemen gesetzt und mit einer coolen Beharrlichkeit daran festgehalten, die seither ihresgleichen sucht. Ohne sie keine Mutterschaftsversicherung, ohne sie keine Fristenlösung, ohne sie ein internationales Parkett mit wesentlich weniger Schweizer Frauen (weil vor ihr Frauen im Aussendepartement höchstens Sekretärin waren). Sie veränderte das Selbstbild der Frauen und das Frauenbild des Landes.

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