Direkte Demokratie am Beispiel des Laufentals

[Eine kleine Einführung für Ausländer und andere Interessierte.]
Die Schweiz ein einig‘ Volk von Brüdern. Mitnichten. Wäre unser Land dazu nicht viel zu klein, wir gingen einander oft gern aus dem Weg. Andererseits sind schöne Sonntage auch dazu da, das Gegenteil zu tun und einen unbekannten Ort der Schweiz aus der Nähe zu betrachten. Vor allem für Nieten in Heimat-Geografie, so wie mich.
Heute also das Laufental. Dieses Tal begegnet nur denen, die sich absichtlich dorthin begeben. Im letzten und vorletzten Jahrhundert waren der landwirtschaftliche Reichtum Grund genug, das Tal in irgend einer Form zu erobern; aber heute? Wenig Anlass dort zu leben, wenig Möglichkeiten dort zu arbeiten. Obwohl lange nicht das abgelegenste Tal der Schweiz, hat es die Strukturprobleme vieler solcher Regionen.
Das Laufental liegt in Baselland, einem Halbkanton. (Die Basler konnten sich anno dazumal nicht auf Katholizismus oder Reformation einigen und halbierten sich deswegen in Baselstadt und -land. Die Schweizer Kantonsgrenzen waren soweit ich weiss meistens glaubenstechnisch motiviert.)
Vor 1994 gehörte das Laufental zum Kanton Bern. Man hatte es eher irrtümlich zusammen mit dem angrenzenden französischen Jura beim Wiener Kongress Bern zugeschlagen. Die katholischen Gemeinden hatten es im liberal-reformierten Bern nicht einfach, weswegen sich die Jurassier und die Laufentaler sehr gut verstanden. Nur wollten die (meisten) Jurassier einen eigenen Kanton, während dem Laufental eine gewisse Selbständigkeit von Bern genügte. Nun, der Jura bekam 1979 seinen Kanton, was die Separatisten nicht am Unspunnenstein-Klau und weiteren Missetaten hinderte, aber das ist eine andere Geschichte. Sie hängt nur geografisch mit der des Laufentals zusammen.
Mit dem neu entstandenen Kanton Jura dazwischen, grenzte das Laufental nun nicht mehr an Bern und wurde zur Exklave. Da sich das Tal schon seit dem 19. Jahrhundert wirtschaftlich und kulturell mehr in Richtung Basel entwickelte, wurde erstmals in der Schweizer Geschichte beschlossen, die Laufentaler ihre Kantonszugehörigkeitsbedürfnisse abklären zu lassen. Die Eventualabstimmungen ergaben immer Baselland, die definitive Abstimmung 1983 ergab wieder Bern. Diese Abstimmung wurde jedoch vom Bundesgericht für ungültig erklärt, weil Bern den Entscheid widerrechtlich und mit Hilfe öffentlicher Gelder beeinflusst hatte. 1989 schliesslich nahm Baselland das Laufental (ebenfalls an der Urne) bei sich auf. 1991 sprachen sich auch Volk und Stände in einer eidgenössischen Abstimmung mehrheitlich für den Kantonswechsel aus. So hatte die normative Kraft des Faktischen nach 15 Jahren doch noch gesiegt und das Laufental dem passenden angrenzenden Kanton zugeführt.
Direkte Demokratie läuft wie ein Uhrwerk mit Verzögerung, aber sie läuft. In der Vitrine mit den amtlichen Mitteilungen der Stadt Laufen konnte heute sogar die Bernerin alle Beschlüsse lesen, die die Einwohnerversammlung am 17. Juni gefällt hat.

Bürgerrecht mit Applaus erteilt.

Mehr Links:

  • Geografie: Laufental im Kanton Baselland (unten links, an der Birs).
  • Quelle: Historisches Lexikon der Schweiz, Stichwort „Laufental“.
  • Die Stadt Laufen.
  • 2 Gedanken zu „Direkte Demokratie am Beispiel des Laufentals“

    1. Warum müssen wir eigentlich in die Ferne schweifen? Für mich, oh Schande, war das Laufental immer ein weisser Fleck auf meiner Kopfkarte. Aber -Inshallah – soll es nicht bleiben.

    2. Ich kenne das Laufental sehr gut, liegt ja auch nicht weit entfernt von meinem Wohnort Oberwil (BL) entfernt. Ich fand es witzig es hierzu entdecken.
      Noch eine kleine Anmerkung:
      im Film HD Läppli kommt dieser nach Laufen, da er einen Romand nach dem weg frägt, und meint er wolle laufen, dann schickt dieser ihn nach Laufen, nun das kleine Detail, die Autonummern beginnen in dem Film in Laufen noch mit BE.
      kleines Detail am Rande. 🙂

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