Ein kaltes Eisen

Die Politik der Zukunft wird die alten Kategorien von „links“ und „rechts“ und das alte Parteien-Lagerdenken überwinden müssen. Ich bin für eine klassische Law und Order-Politik im Inneren (rechts). Ich bin, im Namen von Menschenrechten und der Befreiung der Armen für weltweite Militäreinsätze gegen Diktatoren und Schlächter (rechts? links?). Gleichzeitig bin ich für starke Umwelt-Investitionen (grün), mehr Ausländer im Inland (links) – ich will aber klügere, ausgewähltere, englischsprechende (neo-liberal). Ich bin für eine massive Reduzierung des Kündigungsschutzes (ultraliberal). Gleichzeitig bin ich bereit, weiterhin die bizarr hohen Spitzensteuern (links) zu zahlen, wenn diese in einem erstklassigen, leistungsorientierten, modernen Ganztags-Schulsystem verbaut werden (Gesamtschule, also links). Ich verlange für mein Steuer-Geld effektive, serviceorientierte Verwaltungen und gutgeschwungene Autobahnen. Wenn ich alles dies nicht kriege, werde ich mein Geld schwarz ins Ausland bringen (kriminell? Notwehr? CDU?).

Das meint Matthias Horx in einem seiner Kommentare in der Wiener PRESSE. (Zuerst entdeckt bei arts20, Quelle mit dem Urheber direkt geklärt, danke sehr.)
Solche Zitate sind heute beliebt. Die Folge des Anspruches sich nur mit Deckungsgleichem zusammenzutun, ist bekanntlich eines der Probleme unseres Soziallebens wie auch der direkten Demokratie, der dadurch das Personal ausgeht.
Jahre lang habe ich gedacht, die Kehrseite der Medaille würde uns dafür weiter bringen. Aber leider gibt es die nicht. Sich nicht festlegen zu wollen und offen zu sein für alles, bedeutet noch lange nicht kompromissbereit und konsensfähig zu sein. Im Gegenteil. Die grössten Betonköpfe begegnen mir genau unter jenen, die bei jeder Gelegenheit das Gärtchendenken der Parteien, den spiessigen Ansatz der Vereine, die Korruption der Interessegruppen und die Wirkungslosigkeit der Selbsthilfeorganisationen betonen. Vitales Bedürfnis Nicht-Festgelegter nach Sturheit trifft auf die ermattete Suche Rest-Engagierter nach Annerkennung für sich selbst und die, denen sie halt angehören.
Exgüsé, aber ich weiss weder, wie wir mit dieser Besetzung das Klima retten, noch die Integration vorantreiben geschweige denn das politische Interesse steigern. Bekenntnisse wie das von Horx unterhalten mich zwar, aber sagen mir nichts ausser: Ich bin so besonders.
Warum auch nicht?
Ach ja, noch was: Pilot-Versuch eines Verkehrsministers.

16 Gedanken zu „Ein kaltes Eisen“

  1. Bin diesmal wieder deiner Meinung 😉 Ja, meiner Erfahrung nach sind auch die grössten Ideologen diejenigen, die behaupten, dass es keine Ideologie mehr gibt… und dass rechts und link (oben und unten, und alles andere auch noch) Kategorien von gestern sind. Und wie du schreibst, sind das genau diejenigen Leute, die völlig unfähig sind zum Kompromiss. Wenn jemand einen klaren Standpunkt hat, kann er/sie auch teilweise davon abweichen, auf andere zugehen und ihnen zuhören, weil er/sie ja eben auch weiss, wo er/sie steht. Aber wer keinen Standpunkt (bzw. x verschiedene davon) hat, klammert sich umso verbissener an jedes „Standpunkt-Fragment“. Weil er/sie ja so vielseitig ist, hat er/sie eben immer recht…

  2. Ich bin links und halte Herrn Horx schon seit seinen „Tempo“ – Zeiten für rechtsliberal. Also länger als den Ex – Kanzler Schröder, der es aber auch ist. LG rollblau

  3. Vor mehr als zwanzig Jahren gab es das Wort „scheissliberal“. Was für mich bedeutet: pseudo-offen (ja, wir wollen mal anhören, was Sie dazu meinen), wenn es aber ums Eingemachte geht (fürs Soziale, Solidarische einstehen) und für wirksame Massnahmen z.B. im Umweltschutz, dann hört die Offenheit auf, dann ist man in den Augen der Scheissliberalen ein Ideologe.
    Na bitte, ich kriege bei solchen Typen wie Horx schon nach zwei Sätzen das Kotzen, sind doch alles Worthülsen, nichtssagender Mist!

  4. Nur wer einen Standpunkt hat, kann ihn gegebenenfalls auch verlassen.
    Ansonsten bin ich freischwebend, abgehoben.
    Was in dem Horxschen Zitat nun für mich allerdings ganz zutreffend ist: nicht an jeder Stelle bin ich korrekt „sozialdemokratisch“, manchmal ertappe ich mich bei sehr konservativen Einstellungen. An anderer Stelle dringt ein Hauch „Kapitalismuskritik“ grundsätzlich noch durch.
    Nun, was heißt das: dass vielleicht wirklich manche Realitäten so sind, dass wir nicht an jeder Stelle korrekt denken und handeln können.

  5. Oh, das sind die Worte der Engagierten und Festgelegten 🙂
    Am liebsten stehe ich ja für die „abgehoben luxuriöse Büroeinrichtung“ des SP-Moritz gerade. Auch die marxistischen Anwandlungen der Schweizer Juso sind sehr geeignet, mich dafür beschimpfen zu lassen. Es gehört zum Los der Dazugehörigkeit, gehörig für Zeugs auf den Deckel zu kriegen, zu dem man nicht befragt worden ist.
    Horx zu beurteilen bringt mich in die Bredouille, es war nicht immer alles unzutreffend, was er prognostiziert hat und er prognostizeirt schon eine ganze Weile. Auch kommt es nicht von ungefähr, dass solche Aussagen – ob von Horx oder sonst wem – auf offene Ohren stossen.
    Nur sehe ich leider keine gute Regierungs- und Lebensform, die nicht Verbindlichkeit, teilweise Solidarität mit einer Institution und manchmal auch einfach noble Zurückhaltung im Sinne der Sache verlangt.
    Wer irgendwo mitmacht, bewegt sich in einem Gefüge von Geben und Nehmen und muss mit Folgen rechnen, wenn er sich beschissen aufführt, wer sicherheitshalber nirgends dazugehören will, braucht das kaum zu üben. Ich bedaure, dass dieser Fakt bei Horx‘ Kommentaren untergeht, ich glaube mich zu erinnern, dass das nicht immer so war.

  6. Ja, ich gebe zu, bin eine Jungsozialistin und habe meinen Marx auch mal gelesen… Und tatsächlich hat die JUSO immer wieder Anwandlungen, über die ich mich ärgere – da hat mich dann auch wieder keine/r gefragt…
    So ist es, und keiner hat es wohl besser formuliert als Mani Matter…
    „Mir hei e Verein, i ghöre derzue
    Und d’Lüt säge: Lue dä ghört o derzue
    Und mängisch ghören i würklech derzue
    Und i sta derzue
    Und de gsehn i de settig, die ghöre derzue
    Und hei doch mit mir im Grund gno nüt z’tue
    Und anderi won i doch piess derzue
    Ghöre nid derzue“
    Etc.

  7. Es bleibt die Frage, inwieweit Herr Horx als Prognostiker und sein Umfeld nicht dabei waren, die Entwicklungen, die er vorhersah, in Gang zusetzen bzw. zu unterstützen… Horx stand ja nie im Nirgendwo oder in einer neutralen Ecke… LG rollblau

  8. Aber was ist dann mit den Romand-e-s…?!? Jacques Brel? Aber ich gebe dir recht: an den Wahlparteitagen müsste obligatorischerweise das Lied vom Nationalrat Hugo Sanders gesungen werden…

  9. Ja, ein wichtiger Hinweis Wühler! Wir sollten offen sein für die Absing-Wünsche jeder Sprach- und Splittergruppe. Wir könnten zwei Varianten zur Abstimmung geben:
    – Parteitage werden grundsätzlich konsequent gesungen, sämtliche Stilrichtungen sind frei wählbar. Vatiante der Variante: Voten als Rap oder Arie müssen schriftlich vorab verteilt werden. Es wird nacheinander gesungen.
    – Operation „Quodlibet“. Jede Gruppe singt, was ihr sozial verträglich, bildungspolitisch opportun, political correct und melodisch überzeugend scheint. Es wird gleichzeitig gesungen.

  10. Sowohl als auch… vor einigen Jahren hat übrigens die SP-Fraktion im hiesigen Stadtparlament in der Vorweihnachtszeit ihre Fraktionserklärung zur Budgetdebatte auch vorgesungen: „Alle Jahre wieder, kommt die SVP…“ Rest des Textes wurde leider nicht überliefert.

  11. Ich weiß gar nicht, was ihr habt: Horx hat sich doch in seinen Wünschen und Positionen sehr deutlich geäußert, also festgelegt. Bloß passen die einzelnen Standpunkte nicht in eine Partei hinein. Mir geht es genauso – auch wenn meine Standpunkte sich nicht überall mit seinen decken. Kann man denn nur festgelegte Pakete mit Label – sozialdemokratisch, liberal, neoliberal, konservativ „buchen“? Und wenn man in kein solches Paket hineinpaßt – warum heißt das, daß man sich nirgendwo engagiert? Auf der Arbeit, in der Nachbarschaft, in Communities, die für die Einführung der Einheitsschule kämpfen, und und und? Wer sagt denn, daß die Demokratie für immer und ewig nur in der jetzigen Form einer Parteiendemokratie vorkommt?

  12. Liebe Lisa Rosa: Mir ist Horx zu eklektisch geworden, aber das nicht der Auslöser für das Posting.
    Der Auslöser war, dass die Leute (und damit meine ich nur die Mehrheit, die mir im Leben so begegnet), die sich oft dazu äussern, dass sie sich weder mit Partei noch Veriein noch sonst irgend einer Organisation genügend identifizieren können, dann unerwartet die sind, denen es am ehsten an Kompromissbereitschaft mangelt.
    Ob die Parteiendemokratie gut und überlebensfähig ist, ist ein Thema, welches ich nicht aufgegriffen habe und auch Herr Horx in seinem Kommentar nicht, obwohl es natürlich naheliegend gewesen wäre.
    Dass Demokratie viel weiter gehen muss als Parteien ist mir – die ich mehrheitlich überparteilich engagiert bin – sehr bewusst. Ob sie auf Parteien verzichten könnte, wage ich jedoch zu bezweifeln.

  13. Liebe Lisa Rosa – Vielleicht ist es das ja auch. Vielleicht gibt es die Kehrseite der Medaille doch. Um Behauptungen zu widerlegen haben ja Blogs diese geniale Kommentarfunktion.

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