Ein Traum

Als Hardcore-Träumerin seit Kindsbeinen ist für mich das nächtliche Aufwachen und Aufschreiben alltäglich. Dennoch kommt es kaum vor, dass ein Traum in seiner ganzen Länge dokumentierbar ist und ich ihn so komplett erinnere. Das finde ich denkwürdig.
Ich sass in der Todeszelle. Ich trug diesen orangen Anzug, den man aus den Nachrichten und Filmen zum Thema kennt. Vor der schweren Metalltüre, aber erstaunlicherweise innerhalb meiner Zelle, stand ein kräftiger Wachmann mit nettem Gesicht. Ich bin nicht ganz sicher, aber es könnte Guillaume Cizeron, der Paartänzer im Eiskunstlauf, gewesen sein. Das Wandtelefon meiner Grosseltern schrillte, ich wusste sogar seine Nummer: 809 12 70. Ich hob ab und war unsicher, mit welchem Firmennamen ich mich melden sollte. Noch unentschlossen, hörte ich am anderen Ende schon die aufgestellte Stimme meiner kunstaffinen Französischlehrerin, die mir mitteilte, sie würde die Biennale di Venezia vorzeitig abbrechen, um mich rechtlich zu vertreten. Dank eines brandneuen Handys mit endloser Akkulaufzeit, welches Ellen de Generes für meine Verteidigung gesponsort habe, werde das kein Problem sein, wobei diese Telefonspende das einzige sei, was Ellen für mich tun könne, das lasse sie mir ausrichten und viel Glück. Weiter liess mich meine Französischlehrerin-Anwältin wissen, ich bekäme einmalig Freigang und zwar nur genau eine Stunde. Ich fragte „wohäre?“ (wohin) und sie meinte, das dürfe ich selber wählen, ich müsse mich jedoch sofort entscheiden, man warte bereits auf meine Antwort. In dem Augenblick begriff ich den Ernst der Lage und erkannte, dass es die einzige Karte war, auf die ich setzen konnte, gar meine letzte Chance im Leben und sagte: „In die Schule.“
Dann wachte ich auf.

Traum in der Nacht vom 26. November 2017

5 Gedanken zu „Ein Traum“

  1. Beeindruckend.
    Dass es in der Todeszelle beginnt und in der Schule enden soll? Da kommt Hauptschulblues nicht weiter.
    Er muss das bei Gelegenheit einer Freundin erzählen, die ist analytisch orientierte Psychologin.
    Hauptschulblues träumt so dass er sich selten daran erinnern kann, und wenn, dann sind die Träume nach dem Aufwachen bald weg und er bekommt nichts mehr zuzsammen.

  2. @Hauptschulblues: Ich musste lachen, als ich gelesen habe, dass du meinen Traum analysieren lässt, bitte gib dann Bescheid, was dabei rauskommt.
    Aber ich versichere, dass es für meine Begriffe ein Traum mit einem traumhaften Ende war, der Gedanke an eine Stunde in der Schule war befreiend und ich erwachte recht glücklich.

  3. So ein Traum ist schon nur beim Lesen kaum zum Aushalten!
    (Sehr clever, dass du die Schule für den Freigang gewählt hast. Die Lernenden, zusammen mit deinen KollegInnen und allen per FB zusammengerufenen Freunden, die Familie nicht zu vergessen, liessen es nicht zu, dass dir nur ein Haar gekrümmt wird.)

  4. „Die Lernenden, zusammen mit deinen KollegInnen und allen per FB zusammengerufenen Freunden, die Familie nicht zu vergessen, liessen es nicht zu, dass dir nur ein Haar gekrümmt wird.“
    Das meinte die analytische Freundin auch, in etwa.

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