Tischgespräch [15]

Nachdem sie eine Mappe sehr guter Tests des Kindes unterschrieben hat, fragt die Mutter:
Bist du auch stolz auf dich?
Kind:
In den Fächern bin ich sehr stolz. Ich habe gut gearbeitet. [Zieht die zuvor gereckte Faust mit einem „wow“ nach unten.]
Mutter:
Finde ich auch, sehr gut hast du das gemacht. Gerade weil du dich auch überwinden konntest, wenn du keine Lust hattest. Wie schätzt du dein nächstes Zeugnis ein?
Kind:
In den Fächern bin ich so gut wie bisher oder besser. Im Verhalten weiss ich es nicht recht, aber schlechter habe ich mich glaub ich nicht verhalten. Oder vielleicht doch: im Schwatzen.
Mutter:
Keine Ahnung, wo das einfliessen würde. Vielleicht bei Konzentration? Oder Gemeinwohl? Hmm. Ich hatte auch immer Abzug wegen Schwatzens. Warum schwatzt du denn?
Kind:
Weil ich einfach zu allem etwas kommentieren will! Weil mich die Verbindungen interessieren! Dann sagt die Lehrerin, schwatzen bedeute keinen Respekt haben. Aber es stimmt nicht! Ich habe Respekt, aber ich möchte einfach etwas sagen. Und wenn ich es ihr nicht sagen darf, sage ich es dem vor mir oder neben mir. Ich sage dir, wenn ich schneller tippen kann, will ich Blogger werden! Ich mache schon Fortschritte im Tippen, aber ich muss einfach schneller werden! So schnell wie du.
Mutter:
Gute Idee, wir helfen dir. Aber Bloggen ist ja nicht nur Kommentieren.
Kind:
Doch. Du kommentierst dein eigenes Leben oder Sachen, die anderen passiert sind. Und andere kommentieren deinen Kommentar und so gibt es immer mehr Verbindungen und ist nie mehr langweilig.

8 Gedanken zu „Tischgespräch [15]“

  1. Ich kenne ein Kind, das muss, wenn es während dem Frontalunterricht der Lehrerin schwatzt, 25 Mal schreiben: „Ich darf im Unterricht nicht schwatzen!“ Der Junge geht in die 6. Klasse und wurde, ausser von mir natülich, noch nie so gelobt, wie das Kind hier im Tischgespräch [15]. Sein Selbstvertrauen ist in diesem Vergleich auch einiges kleiner.
    Ob ich ihm einmal das Bilderbuch von Burningham, John zeige: „Hans Magnus Deubelbeiss – der Junge, der immer zu spät kam“ oder würde ich damit der Frau Lehrerin in den Rücken fallen?

  2. Bilderbücher sind immer richtig!
    Es stimmt natürlich, dass Kinder, deren Eltern sie (die Kinder) gut finden, privilegiert sind. Allerdings habe ich in dieser Sache ein Menge Illusionen abbauen müssen. Es braucht sehr wenige aus der Peer-Group, die „Streber!“ rufen und schon sieht alles anders aus.
    Ich weiss nicht, wie wir soweit kommen, dass in der Schule gut sein auch etwas Gutes ist. Loben scheint mir ein gangbarer Weg, denn auch Anti-Streber wollen gelobt werden, alle wollen und brauchen das.

  3. und so gibt es immer mehr Verbindungen und ist nie mehr langweilig
    Wenn das so einfach wäre :-). War das nicht Karl Valentin, der mal gesagt hat: „Bloggen ist schön. Macht aber viel Arbeit.“?

  4. Sehr gut gefällt mir vor allem, daß das Kind ja zunächst nicht gelobt wird, sondern gefragt wird, ob es selbst stolz auf sich ist (oder wahlweise zufrienden mit seiner Arbeit.) Solche Fragen halte ich für ganz wichtig, weil sie klarmachen, daß nicht nur die Anerkennung von außen ein brauchbares Motiv zum Lernen ist, sondern auch genauso wichtig das eigene Gefühl, zufrieden mit sich zu sein. Wie wichtig das ist, zeigen z.B. Untersuchungen darüber, daß Kinder, wenn sie für etwas gelobt werden, was ihnen selbst nicht gefällt, zurückweisend darauf reagieren.
    Und wie ist das mit den Bloggern: Können die etwa alle 10-Finger-Tastaturschreiben?

  5. Nö, LisaRosa, ich glaube nicht, dass alle Blogger 10-Finger-Tastaturschreiben. Und wenn, ist blind schreiben noch keine Garantie für weniger Fehler. Ich korrigiere schändlicherweise meine Texte oft erst im Nachhinein, wenn ich dann mal Zeit habe.
    Dennoch ist das blind Tippen für die Kids von heute eine der ersten Stufen im Umgang mit dem Computer – gleich nach den Lernspielen. Mit den heutigen Tastaturen ist das kein Problem, weil das nicht viel Kraft braucht. Ich persönlich finde das sinnvoll und setze mich dafür ein, dass wir eine kleine Tipp-Prüfung im Kanton Bern bald in der obligatorischen Schulzeit im Lehrplan verankern. Auch damit die Eltern diese Kurse nicht bezahlen müssen (Chancengleichheit pipapo).

  6. Dass Blind-Tastaturschreiben obligatorisch eingeführt werden soll, finde ich goldrichtig! Immerhin gab es an der Schule meiner Söhne wenigstens schon ein Honorar-Angebot am Nachmittag dafür: für 300 Euro! Davon muß ein Hartz IVer schon einen Monat leben …
    Eigentlich gehört das doch in der Internetzeit zur Alphabetisierung. Die Texte von Schülern im Computer/Internet bleiben wohl häufig nicht deswegen kurz, weil diese nicht mehr zu sagen hätten, sondern weil es so langsam vorwärts geht. Der entscheidende Durchbruch wird wohl sein, wenn die Spracherkennung weiter ist und man den Text bloß noch in den Computer sprechen muß!

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