Warum ich Feministin geworden bin

Das war, als ich Aufklärungsbücher las. (Nur sicherheitshalber: Ich hatte kein Manko an sexueller Aufklärung. Es sei hier vermerkt, dass meine Eltern diesbezüglich alles richtig gemacht haben.)
Doch ich hatte schon als Kind die Gewohnheit, zu dem, was mich gerade beschäftigte, Bücher zu lesen. Ich wurde deswegen von Gleichaltrigen (es waren deren 39 in meiner Steinerschulklasse) auch gern zu allem Möglichen gefragt. Beim von Lehrern verschlüsselten Thema „Aufklärung“ war es nicht anders. Also las ich eben.
Ich fand Aufklärungsbücher in den Volksbüchereien, in den Buchhandlungen, im Bekanntenkreis und später auch in Antiquariaten. Dieses Sachgebiet war in den Achzigern einerseits geprägt von der spezifischen Mädchenerziehung, andererseits bunkerten gerade die Schulbibliotheken Konservativismus. Die mädchengerechte Aufklärung via Bücher war der Elite vorbehalten, die Neuerscheinungen in einschlägeigen Buchhandlungen kaufen konnte.
Das Thema blieb über zehn Jahre ein Interessensgebiet von mir. Ich fragte mich vor allem, wie es zu diesem widersprüchlichen und teils falschen Frauenbild kommen konnte, mit dem ich in Aufklärungsbüchern konfrontiert wurde. Deswegen begann ich auch Titel von Anfang Jahrhundert zu suchen und zu lesen.
Aber wie es so geht im Leben, mit dem Kind kam Platznot und ich spendete einen Teil meiner Sammlung der Gosteli-Stiftung, in deren Katalog die Bücher nun aufgenommen und abrufbar sind. Meine Mutter und Arichivarin war so nett, sie mir herauszufiltern, damit ich mir das notieren kann:

  • Aphorismen für Mädchen zur Erweckung des Nachdenkens und zur Veredelung des Herzens / 1817
  • Hygiene in der Liebe / ca. 1887
  • Die Schweizer Frau. Ein Familienbuch* / 1911 (?)
  • Die Frau als Hausärztin: Ein ärztliches Nachschlagebuch der Gesundheitspflege und Heilkunde in der Familie mit besonderer Berücksichtigung der Frauen- und Kinderkrankeiten, Geburtshilfe und Kinderpflege* / 1913
  • Wir jungen Männer. Das sexuelle Problem des gebildeten jungen Mannes vor der Ehe / 1917
  • Das Weib und seine Bestimmung. Ein Beitrag zur Psychologie der Frau und zur Neuorientierung ihrer Pflichten* / 1919
  • Mädchenglück. Ein Buch für unsere Glück suchenden Töchter* / 1920
  • Wo fehlt’s? 500 praktische Ratschläge für Haus und Familie* / 1926
  • Zeugung und Zeugungsregelung gemeinverständlich dargestellt / 1927
  • La femme et l’amour: étude médicale et morale / 1940
  • Die Schweizerfrau als Mutter und Erzieherin / 1942 (?)
  • Der Lebenskreis der Frau. Ein Ratgeber in allen Fragen des Frauenlebens / 1953
  • Sexualwesen Mensch. Texte zur Erforschung der Sexualität / 1988
  • Zwischen Staatshaushalt und Haushaltskasse* / 1989
  • Jugendsexualität im Spannungsfeld induvidueller, interaktionaler und gesellschaftlicher Bedingungen / 1990
  • Die eheliche Pflicht. Ein ärztlicher Führer zu heilsamem Verständnis und notwendigem Wissen im ehelichen Leben / 1879, Reprint 1990
  • Sex im Volksmund. Der obszöne Wortschatz der Deutschen / 1991/li>
  • Hysterie und Weiblichkeit. Wissenschaftsmythen über die Frau* / 1992
  • Der weibliche Körper als Schlachtfeld* / 1993
  • Wenig Kinder – viel Konsum? Stimmen zu Bevölkerungsfragen von Frauen aus dem Süden und Norden* / 1994
  • Diese Titel* sind von Frauen geschrieben oder herausgegeben worden.

    Die heutige feministische Diskussion freut und beelendet mich zugleich, wie das ja aus vielen anderen Blogs von Frauen auch herauszulesen ist. Wir sind weit, aber weit ist’s noch.
    Die Feminismus-Tags sind zwar zahlreich, aber es ist ergiebiger, einzelne Bloggerinnen längere Zeit zu lesen um ein Bild vom Stellenwert des Feminismus heute zu bekommen. Was ich online gut und ermutigend finde, sind die Zusammenfassungen von Treffen und Kongressen, wie das z.B. Antje Schrupp regelmässig macht. Erstreiten müssen wir allemal alles offline.

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