Bewertung, Bewertung

Fördern und bewerten ist nicht einfach, das ist klar. Aber mit manchen Kontroversen tue ich mich besonders schwer, sie versauen mit das Unterrichten zeitweise schon ein wenig. Zum Beispiel die 100-Punkte-Kontroverse. Denn es gibt die, die sagen, 100 Punkte für jede summative Lernkontrolle, zum Beispiel für Lehrabschlussprüfungen.
Das hört sich zwar praktisch an und mag in einem Fach mit Rechenaufgaben, dessen Prüfung 100 Minuten dauert, bestimmt locker umsetzbar sein. Aber was heisst das in den Branchenfächern (für die ich Hauptexpertin bin und mich entsprechend schlafraubend verantwortlich fühle)? Mit offenen Fragen mit dem Prüfen von Kompetenzen unter Verwendung der Arbeitsbücher? Mit dem Mix aus schriftlichen, mündlichen und praktischen Prüfungen? Mein Kulturkunde-Kollege trifft den Nagel auf den Kopf, indem er sagt: „Man greift dann zu komischen Tricks wie Multiplikatoren oder definiert zusätzliche, halbgare Kriterien, nur um die 100 Punkte irgendwie herzuwursteln.“
An den Berufsschulen unserer Region rechnen wir die Note von jedem beliebigen Raster mit der Formel „erreichte Punktezahl geteilt durch Maximalpunktezahl mal 5 plus 1“ aus, was bei den Zwischenprüfungen hervorragend klappt. Nur bei den Lehrabschlussprüfungen kommt es regelmässig zur 100-Punkte-Debatte. Ich selber vertrete mit Hilfe von Fachliteratur und Weiterbildung die Auffassung, dass eine Prüfung zuverlässig, gültig, chancengerecht und ökonomisch (sprich effizient in der Erstellung) sein muss. Allen diesen Bedingungen läuft die 100-Punkte-Regel mehr oder weniger zuwider.
Doch um die Pro-Argumente ein für allemal zu verstehen, habe ich über das Wochenende gerechnet und folgende Erkenntnis gewonnen:
1. Es gibt eine Rundungsdifferenz, wenn man die eine Punktezahl auf die andere umrechnet.
2. Das gilt auf jede Seite und für jede Punktzahl.
3. Wenn man 100 Punkte vergibt, ist die Verständlichkeit für Aussenstehende einfach (Prozente, Zehntelnotenschritte).
4. Man kann jede Punktezahl setzen und sie dann auf 100 Punkte ausrechnen.
Das bedeutet, ich könnte jede Prüfung mit einer vom Prüfungsmacher als sinnvoll erachteten Punktzahl auf 100 umrechen. Es gäbe dann halt zum Beispiel eine Punnktzahl von 3.72 für ein Kriterium für das andere 1.45, aber ich könnte der Regel gerecht werden und den Experten trotzdem die Freiheit lassen, die Gewichtung nach ihrem Raster zu machen. N.B. Also eine Mindestpunktzahl braucht es natürlich für eine differenzierte Bewertung.
Offen bleibt mir die Frage, weshalb man überhaupt die eine Punktzahl mit der anderen vergleicht und die Rundungsdifferenzchen ans Tageslicht zerrt? Das kann man ja immer und immer wieder machen und käme nie zu einer Bewertung. Denn ich kann auch die idealen 100 Punkte auf irgend eine andere Wunschpunktzahl umrechnen und eine Abweichung in der Rundung beklagen.

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