von Selbständigkeit

Ich hatte Ende Juni zwei Lektionen, in denen ich 18 Schülerinnen und 2 Schüler im Fach Berufs- und Verkaufskunde beschäftigen musste. Es waren Lehrabschlussprüfungen und der Vertretungen keine zu erwarten.
Die attraktive Unterrichtszeit, die betreffende, von 11:20 unf 13:00 Uhr, lebt schon stark von der Kontrolle, denn Schlafen und Schwänzen liegen in der Luft. Im Lehrberuf ist ja guter Rat nur indirekt teuer, aber er kostet immer wieder Zeit. Deshalb habe ich drei Wochen vor dem Tag X, dessen Mittag die Lernenden alleine bestreiten mussten, angefangen (ich sehe sie nur einmal die Woche).
Ich habe das Thema völlig frei bestimmen lassen, ob Wandern an der Aare oder Lernen im Schulzimmer, ich versprach, zu irgend einem Thema etwas vorzuberieten. Die Lernenden haben sich für literarische Genres entschieden, von denen wir auswählten, was an der Verkaufsfront am meisten nützt. Ich habe die Gruppeneinteilung nach Interesse vorgenommen und Themen und Namen auf Flipchartblätter geschrieben. In der nächsten Woche habe ich jeder Gruppe Unterlagen zu ihrem Thema verteilt und sie nach dem Motto „können wir damit alleine etwas anfangen?“ prüfen lassen. Danach habe ich einen Zeitplan für die Lektionen ohne Lehrerin erstellt, ausgetielt und der Sache ihren Lauf gelassen.
Als ich letzte Woche die Klasse wieder sah, war ich sehr gespannt auf das Feedback. Ich liess mir von Schülerinnen und Schülern, die nicht in der jeweiligen Gruppe mitgerabeitet hatten, erzählen, was sie noch wussten. Als Erinnerungshilfe hatte ich von den Gruppen Flipchartblätter mit Stichworten erhalten, die ich erneut aufhängte.
Das lief nahezu perfekt. Bei einer Gruppe fehlte das Blatt (das hatte ich nicht verlangt, mein Fehler) und deshalb erinnerte sich niemand von den anderen so genau. Aber dafür die Gruppe selber umso besser. Ich habe viel gelernt, vor allem feine Unterscheidungen wie die zwischen Fantasy und Science Fiction und einiges über neuere historische Romane, beides Felder, in denen ich wahrlich Lücken habe.
Absenzen hatte es mit 5% zuviel in diesen selbständigen Lektionen. Aber die Leute, die da waren, haben wirklich gearbeitet. Fand ich toll, ich habe nicht mit Komplimenten gegeizt.
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A propos Komplimente: Diese Woche findet die Befragung der Lernenden statt. Alle Schülerinnen und Schüler beurteilen ihren Unterricht und mit ihm die Lehrpersonen. Ich komme vielleicht dereinst darauf zurück, aber es wurde schon so viel über Unterrichtsberuteilungen geredet und geschrieben, dass ich mir noch etwas überlegen muss, in welcher Form.
Jedenfalls habe ich einen Schüler, der nicht im entferntesten meiner ist, heute im Bus gefragt, wie er diese Beurteilung so angehen würde? Er meinte: „Die Kreuze waren meistens auf der positiven Seite. Bei den Bemerkungen habe ich bei allen etwas Gutes hingeschrieben, aber auch bei allen etwas, was sie verbessern können. Ich habe viel gelobt!“ Klingt ganz anders als im Lehrerzimmer befürchtet, klingt fair und richtig.
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Und wie prickelnd erst klingt Herr Raus heutige Wortschöpfung? Er hat ein pädagogisches Eros erfunden, ich jedenfalls habe in dieser unseren politisch korrekten Zeit noch nie vorher davon gehört. Mir fallen eine Menge Sätze ein, in denen ich diesen prägnanten Begriff gerne unterbringen werde.

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