Immerhin

Als der
Krieg ausbrach
war niemand da
ihn wieder
einzufangen
erst recht niemand
der ihn bestrafen
konnte, für
seine Untat,
seinen Ausbruch
Da niemand da war
den Krieg einzufangen,
wollten – oder mussten
einige vor ihm fliehen
Dann waren doch
welche da
die straften
i m m e r h i n
und hängten
die Fliehenden.

Siegfried Essmann (meines Wissens naiver Gedichtemacher der Arbeiterbewegung, ansonsten unbekannt.)

Morgen klaue ich der Betriebswirtschaft eine Stunde Unterrichtszeit. Weil ich gemerkt habe, dass die Diskussion um die Aufarbeitung von Völkermordvergangenheit – einerseits durch den Türkeibesuch unseres Justizministers, andererseits durch den Literaturnobelpreis für Orhan Pamuk – für viele interessant aber unklar ist, will ich auf einen Wendepunkt der Geschichte eingehen.
Die Nürnberger Prozesse sind in Form von wichtigen Neuerscheinungen auf dem Buchmarkt präsent. Doch der schnelle Blick durch die Medienbrille wird den Lernenden Motivation und Selbststudium abverlangen. Der Erfolg der Stunde ist also äusserst ungewiss, dass einzelne sich nicht darauf werden einlassen können, hingegen sicher. Aber als Lehrerin für Buchhandel kann ich versuchen, was eine Geschichtslehrerin sich kaum erlauben könnte. Und diesen Spielraum nutze ich gern, weil jüngere Generationen – shift. beschreibt es immer wieder treffend – oft unerwartete Beiträge liefern.
Auch wenn ich in der Berufsfachschule wenig Zeit habe und auch wenn mir manche Aussage das Blut in den Adern gefrieren lässt, gilt in meinem Unterricht das Prinzip der Bücher: kein Thema ist kein Thema.

5 Gedanken zu „Immerhin“

  1. Was für eine Freude den Dichter hierzuhaben!
    Ich mag dieses Gedicht und auch noch andere (Klassenfreunde) von Ihnen sehr. Gerade das flüssig Naive vermag Not ohne Kitsch zu zeigen, was der Arbeiterbewegung selten genug gelungen ist.
    Heute ist Jugendlichen im Dienstleistungsland Schweiz schwierig zu vermitteln, was Arbeiterschaft hiess und heisst.

  2. … also – mal aus ganz persönlicher erfahrung: das mit dem naiv kann ich nun wirklich nicht bestätigen! mit der arbeiterbewegung (oups, ist das zweideutig) bin ich mir auch nicht so sicher – aber das gedicht ist klasse!!!

  3. Hallo Tanja,
    nun habe ich lange nicht auf der Seite (nach-)gelesen, aber gewichte noch, ob „das flüssig Naive“ positiv die gewählte Stilart des Schreibens bewerten soll, oder aber … – und hier schweige ich erst einmal.
    Grüße
    Siegfried Essmann (mit einem Lächeln im Gesicht)
    P.S. Matthias O – gefällt mir „ohne Zweifel“ (der Text, das Andere kann ich nicht bewerten)

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