Verkaufsseminar

Gestern war ich wieder einmal in einer Verkaufsschulung. Sie hatte Vorlesungscharakter, was vielleicht nicht unbedingt sinnvoll erscheint, mir jedoch sehr entgegen kam. Rollenspiele, Gruppenarbeiten, Videoaufnahmen etc. bringen Training. Aber manchmal ist auch Theorie etwas Schönes, gerade, wenn man sie auch selber unterrichtet.
Vor allem lässt eine Vorlesung mit Verarbeitungszeit und ein paar Lehrgesprächen zu, sich die Anwendung des Gelernten in der persönlichen Arbeitssituation vorzustellen. In Rollenspielen passt man sich der momentanen Lage (wie wirkt man hier im Kurs? Was erwarten die nette Kollegin, der pfiffige Referent?) und weniger dem eigenen Alltag an.
Offen blieb gestern wie immer, warum es nicht gelingt „Kann ich Ihnen helfen?“ aus sämtlichen Verkaufswortschätzen zu tilgen und weshalb wir Verkäuferinnen, wenn jemand etwas als Geschenk verpackt möchte, oft „Kein Problem!“ antworten, obwohl „Sehr gern!“ viel schöner, freundlicher und überhaupt weniger bescheuert wäre.
Den Ist- und den Soll-Zustand kannte ich schon vor dem Seminar. Neu gelernt habe ich die Methoden für die stufenweise Abgewöhnung schlechten und die stufenweise Angewöhnung guten Verkaufsverhaltens.
Notizen zur aktiven Ansprache

Auf Achse für Stimmrechtsalter 16

In einem Land, in dem ständig Abstimmungen stattfinden, ist die Arbeit auf der Gasse unabdingbar. Um eine Initiative oder ein Referendum zustande zu bringen, muss man einfach bereit sein, auf der Strasse zu diskutieren. Und um Abstimmungen zu gewinnen auch. Das Kind hat heute damit begonnen, für ein aktives Stimmrecht ab 16 Jahren.
Werben für Stimmrechtsalter 16
Ich war schon ein wenig stolz. Denn auf der Gasse wird man auch angegriffen, manchmal verhöhnt und oft für Dinge verantwortlich gemacht, von denen man gar nichts weiss, weil sie viel zu weit zurückliegen oder mit dem Thema nichts zu tun haben. Aber das Kind hat das alles mit Fassung getragen.
Also, am 29. November 2009: Ja zum aktiven Stimmrecht der Sechzehn- und Siebzehnjährigen im Kanton Bern. Denn sie wissen, was sie tun.
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Es gibt Anzeichen (der Aufklärung)

Ich habe mir zu letzten Jahreswende Une Année des lumières gewünscht. Es ist nicht einfach zu beurteilen, ob 2009 vernünftiger ins Land geht als 2008. Doch wer sucht, findet schon Menschen, die sich aufmachen, anstatt Populismus den kategorischen Imperativ zu verbreiten. Zwei Favoriten:

In die Falle einer Leitkulturdebatte darf man nicht treten. Wir sprechen hier nicht von Kultur, wir reden über Spielregeln, wir reden über Gesetze, über die Verfassung und über Grundrechte. Es geht um formales Recht. Dieses Recht gilt für alle, unabhängig von Herkunft und Religion. Eine offene Gesellschaft geht vom Individuum aus und schützt seine Grundrechte. (…) Wer Bürger werden will, muss sich ans Recht halten. Die Vermittlung dieser rechtlichen Standards ist allerdings Sache unserer Gesellschaft. Solche Standards kann aber nur derjenige einklagen, der sie sich selbst wirklich zu eigen macht.

Aus einem Interview mit Hanno Loewy, Leiter des jüdischen Museums Hohenems im Rheintal und Herausgeber des Buches Gerüchte über die Juden.

Die Welt muss verbessert werden, hartnäckig und mit Bescheidenheit, durch geduldige, selbstkritische Arbeit. Ich verabscheue die Haltung extremistischer Revolutionäre, die von einem Tag auf den anderen die perfekte Welt schaffen wollen und glauben, die Revolution ereigne sich wie ein Wunder. Und wenn dieses dann nicht eintritt, werden sie plötzlich zu grausamen Reaktionären, die nicht einmal mehr das Verbesserbare verbessern wollen.

Aus einem Interview mit Claudio Magris, diesjähriger Träger des Friedenspreises des deutschen Buchhandels. Der italienische Germanist ist meine anregenste Neuentdeckung 2009.
Auf Platz eins der aufklärerischen Sachbücher gehört für mich dieses Jahr: Ilija Trojanow und Juli Zeh, Angriff auf die Freiheit (auch epub). Das Buch hat im Internet eine grosse Lobby, ich werde es deshalb nicht besprechen. Nur dies: Herr Trojanow, Frau Zeh und der Hanser Verlag haben sich einen sehr guten Anhang geleistet, eine Grundlage für Aufklärung, die in vielen „Protest“-Büchern fehlt. Ein Buch, das sich neben vielen Fakten auch eines politischen Fehlers annimmt, der mir in Integrationsfragen oft Kummer bereitet, nämlich, dass sich die politisch geforderten Mittel vom behaupteten Zweck entfernen. (Bei der Minarettverbot-Initiative absolut, bei der Revision des Asyl- und Ausländergesetztes grösstenteils.)
Mein persönlich aufklärerischster Erfolg ist die Beteiligung an einem umstrittenen Integrationsprojekt. Wir haben im Quartier über ein Jahr daran gearbeitet, das Hallenbad zu einer bestimmten Zeit nur für Frauen zu öffnen. Ich habe in zwanzig Jahren Freiwilligenarbeit noch nie so harte Fronten erlebt und ich bin heute selber erstaunt, dass es gelungen ist, sie aufzuweichen. Irgendwann gingen wir nicht mehr für jeden Schritt vorwärts zwei zurück, sondern umgekehrt und gelangten ans Ziel. Die Lösung lag darin, Rassismus nicht zu akzeptieren, aber das Bedürfnis nach Besitzstandwahrung der Ansässigen. (Nun werden wir das Projekt eine kleine Weile durchführen können, danach wird es an der Finanzierung scheitern. Diese Bemerkung für die, die meine Klagen um Budgetkürzungen im Bildungs- und Integrationsbereich hier oft dahingehend kommentieren, die Linken wollten immer nur Geld und mit Geld allein sei es nicht gemacht.)
Zuletzt noch etwas Berufliches: Wir Buchmenschen werden nicht optimistischer und der Kampfeswille serbelt. Trotzdem stelle ich diesen Herbst fest, dass gerade die Unabhängigen vermehrt den Willen aufbringen, sich eine gewisse Ehre zu bewahren. Das geht nicht ohne Ehrlichkeit sich selbst gegenüber. Ich empfehle dazu einen Artikel aus der Süddeutschen: An der Kette. Für regional Interessierte sei auch der heutige Artikel zur Lage in Bern empfohlen.

Buchmesserückblick 2009

Ich bin zurück, aber meine Fotos sind verwackelt, die Notizen unleserlich und beides trifft auch ein bisschen auf meine Erinnerung zu.
Das Eiapopeia vom E-Content war sehr präsent, aber Neues gab es kaum, weswegen ich mich für mein Cross-Media-Burnout gar nicht besonders zu entschuldigen brauchte. Der Kindle steht – haargenau wie bei der letzten Messe – kurz vor dem Durchbruch in Europa, Google scannt schneller als das brancheneigene libreka das Angebot ausbauen kann, und ein Standardformat für E-Books ist noch nicht definiert; dass ePUB sich durchsetzen wird, scheint – wie schon im Vorjahr erkannt – wahrscheinlich.
Es hatte etwas weniger Aussteller und vermutlich auch weniger Publikum. Wäre der Rollkoffer nicht der Boom, hätte man mehr Platz gehabt als andere Jahre. Die Verlage scheinen grundsätzlich der Meinung, dass es die Verlagsarbeit auch im Internet braucht, während die Buchhändler in den Workshops eine eher knappe Existenzrechnung machten.
Harry Rowohlt kann immer noch lesen wie kein zweiter, ist aber etwas mager geworden. Auch der alte Kämpfer Klaus Wagenbach, posierte – zwar wie immer in rosa Hemd und roten Socken – etwas eingesunkener als auch schon am Treppengeländer.
China präsentierte „Tradition & Innovation“, wobei ich nur ersteres fand, dafür in perfekter Form: Kung Fu in voller Härte, Peking Oper in ganzen Vielfalt, traumhafte Kostüme, phänomenale Masken, Gesang und Sprache, Akrobatik und Pantomime, dazu Drachenkünstler, Scheerenschnitt-Schneider, Kalligraphen und sogar ein Kabäuschen mit einem Thangka-Maler. Die „Gegenveranstaltungen“ hatten Anlaufschwierigkeiten mit vielen Absagen, aber die Helferinnen und Helfer – teils Exil-Chinesen -des PEN-Clubs verteilten stoisch die Tasche mit den aufgedruckten Bildern inhaftierter chinesischer Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Alles in allem präsentierte sich China als Land mit grossen ästhetischen Ansprüchen und widerstandsfähigen Bewohnern.
Unsere Azubis waren motiviert und interessiert, machten ihre Aufgaben und hinterliessen – soweit mir das zugetragen wurde – einen ausgezeichneten Eindruck. Mir selber gefiel der kleine Vortrag des mare-Verlegers am besten, der als frisch promovierter Meeresbiologe aus dem Binnenland Schweiz auszog, um in Hamburg eine Zeitschrift zu gründen, die inzwischen um einen feinen und erfolgreichen Verlag ergänzt worden ist. Es gibt sie noch, die richtig gut gemachten Bücher, mit den passenden Bildern vom ausgesandten Fotografen, sorgfältig gesetzt, fehlerfrei und aus Papier, das gut riecht. Sie werden von einem Publikum gekauft, das überdurchschnittlich gebildet und gut verdienend ist, die Azubis haben extra nachgefragt.
Sag ich ja. Bücher werden wieder zum Luxus.

Liebe Schule!

Als ich auf der langen Reise (1978/1979 Schweiz-Indien-Schweiz per Dyane) war, fehlte ich natürlich in der Schule. Um zu vermeiden, dass ich ein Jahr wiederholen musste, kriegte ich während der Reise Aufgaben, welche meine Mutter mit meinen Lehrerinnen und Lehrern vereinbart hatte. Es war nicht viel, aber besonders wichtig schien es, „zusammengehängt schreiben“ und „Stäbchen häkeln“ zu lernen. Ein bisschen Rechnen, etwas Deutsch und ein wenig Gestalten gehörten auch dazu. Englisch lernte ich ja in Asien einigermassen und Französisch erliess man mir.
Rechnen war aus dem Leben gegriffen, denn mein Vater hatte kein Mathematikbuch dabei und erstellte die „Sätzlirechnungen“ aus dem Stegreif; ich erinnere mich an Fahrstrecken, Benzinverbrauch, Währungsumrechnung und Preisvergleiche auf den Bazaren. Auch Deutsch und Gestalten war nicht schwierig, ich hatte die Aufgabe, ein gefülltes Heft nach Hause zu bringen. Dafür brauchte ich nur in jedem Land (Italien, Jugoslawien, Griechenland, Türkei, Persien/Iran, Afghanistan, Pakistan und Indien) eine Zeichnung zu machen und eine Seite Text in Schnürchenschrift dazu zu schreiben. In Indien, das ja wirklich Stoff genug hergab, konnte ich noch zwei drei Gebiete vertiefen, hatte mein Soll damit erfüllt und auf der Rückreise sowieso keine Farben mehr (da verbraucht und verschenkt).
Meine Klassenkollegen schreiben mir ab und zu Briefe, welche vom Klassenlehrer postlagernd in irgend eine Stadt unserer Route geschickt wurden. Mich erwartete dann ein dickes Paket, denn wir waren in meiner Steinerschul-Klasse 40 Schülerinnen und Schüler. Den Briefen entnahm ich, dass sie dies als Hausaufgabe zu erledigen hatten, etwa die Hälfte der Klasse schrieb beinahe den identischen Text. Aber mir gefiel es ungemein, Post aus der Schweiz zu erhalten und ich schrieb gern zurück. Meine Mutter achtete dann darauf, dass ich Dinge schrieb, die einigermassen für die Steiner-Schule taugten. Radiergummis waren in der Schule verboten, und ich brauchte auch auf der Reise keinen.
Liebe Schule
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Buchläden sind Treffpunkte (in China)

Heute in der NZZ am Sonntag den ermutigenden Artikel „Café Einbahnstrasse und Buchladen Sanwei“, zur Renaissance der unabhängigen Buchhandlungen in Peking gelesen…
Vielleicht folgen Bern, Berlin, Paris, Rom, Wien, Vaduz – um nur die eigenen und benachbarten zu nennen – ja nach und werden dereinst auch wieder vermehrt als Treffpunkte frequentiert. Auch wenn die Abhängigkeit von Ketten natürlich eine andere ist als die Abhängigkeit von staatlichen Ketten, täte es dem Buch- und Verlagswesen und damit der neuen, anderen und vielleicht noch unentdeckten Literatur gut.

Zwar können diese Nischen-Läden mit den Absatzzahlen der grossen staatlichen Ketten oder dem wachsenden Internetbuchhandel nicht mithalten. Aber für die Kleinen ist der Verkauf von Büchern ohnehin nur ein Teil ihres Geschäfts. Einige Buchläden wie das «Café Einbahnstrasse» oder das «Denker-Café» rücken ihren Restaurantcharakter in den Vordergrund, um zu betonen, dass sie sich mehr als Treffpunkte denn als Buchvertriebe sehen. Andere existieren nur, weil sie bibliophile Gönner haben.

Besitzer der Sanwei Buchhandlung, Li Shiqiang und Liu Yuanshen Bild von Bernhard Bartsch

Das ist nicht weniger als die Renaissance einer alten Kultur: Schon vor hundert Jahren, als das Kaiserreich zerfiel und China seinen Weg in die Moderne suchte, waren Buchhandlungen ein wichtiger Umschlagplatz für Ideen über Reformen und Revolutionen. Da die Partei die Macht von Worten und Wissen kennt, versucht sie die Debatten heute nach Kräften zu steuern und zurechtzustutzen. Doch die Meinungsfreiheit findet trotzdem ihre Nischen. Das wichtigste Forum für offene Debatten und Kritik ist das Internet, aber die Online-Intellektuellen kommen zunehmend auch in der realen Welt zusammen, wobei Buchläden der bevorzugte Ort sind, weil sich in den oft angeschlossenen Cafés oder Teehäusern ohne grosses Aufsehen Veranstaltungen organisieren lassen.

Quelle für Text und Bild: NZZ am Sonntag von heute.

Immerhin: Sand in Googles Getriebe

Ich mache mir weder viel Hoffnung noch viel Illusionen, was die Chancen des Buchmarktes betrifft. Aber kampflos und kurzsichtig wie es viele Zeitungen machen, möchte ich die Buchinhalte und die Urheberrechte nicht verschleudert sehen. Deswegen freue ich mich über den europäischen Sand in Googles Getriebe. Aber vor den Details zum „Google Book Settlement“ erlaube ich mir ein paar subjektive Ausschweifungen.
Meine Motivation, mich immer noch gegen die Scannerei von Büchern zu wehren, ist wahrscheinlich mein unerschütterlicher Glaube an Bildung aller Schichten, die gleiche Motivation, die die Befürworter angeben.
Mein Grauen davor, dass ein Jugendroman in Originalsprache oder brauchbarer Übersetzung dereinst 150 Euro kosten könnte und dem Bildungsbürgertum vorbehalten wäre, nimmt trotz aller digitalen Möglichkeiten nicht ab. Nur wer Geld hat, könnte es sich noch leisten, seinen Sprösslingen Bücher als Rettungsringe in die elektronsichen Informationsfluten zu werfen und selber für 2000 Euro die letzte verbleibende Tageszeitung zu abonnieren. Natürlich kommt dazu noch meine Geschichte, die auch ein wenig mit der Buchhandelsgeschichte verknüpft ist und die mich neben der Begeisterung für Neues gelehrt hat, dass Bestehendes nicht selbstverständlich ist und es sich lohnt, sich die Überlegungen der Vorfahren zu Gemüte zu führen (s.a. Blogbeitrag zur Taschenbuchhistorie).
Die Felle des Urheberrechts sehe ich längst davon schwimmen, die Abmahnungen in Deutschland haben hier einen Bärendienst geleistet. Und so wie ich Kinder und Jugendliche erlebe, steht sogar die Urheberschaft zur Disposition. Ist doch egal, wer das Bild gemacht hat, ich brauch deines, du brauchst vielleicht mal meines – alles easy. Kommt mir vor wie im 16. und 17. Jahrhundert, als die Buchmacher und -händler fanden, es sei viel einfacher, Bücher „Bogen gegen Bogen“ (1 Bogen = 16 Seiten) zu tauschen, anstatt sie nach Inhalt zu bewerten und zu bezahlen. So-und-so-viele Bogen Erlasse der Inquisition gegen so-und-so-viele Bogen Descartes. Nicht schwer zu erraten, dass Überproduktion und Qualitätszerfall die Folge waren, was aber glücklicherweise zu neuen Einigungen führte. Eine davon war die Nürnberger Schlussnahme 1788, eine Vereinbarung über den Konditionshandel und Rabatte, die als Grundlage für den Handel mit Büchern in weiten Teilen bis heute gültig ist.
Nun zum „Google Settlement“, dem Vergleich zwischen Google und Verlagen mit dem Ziel, möglichst viele Bücher schnell und ungehindert digitalisieren zu können (s. Vorgeschichte in der Buchbesprechung Googles Herausforderung). Gestern wäre der Verhandlungstermin gewesen. Der Termin wurde auf Januar 2010 verschoben, weil europäische Rechtinhaber intervenierten (sie waren gar nicht oder nur unzureichend vertreten) und auch die Stellungnahme des US-Justizministeriums unerwartet kritisch ausgefallen war:

  • Es kritisierte, dass nach dem Modell, das dem Vergleich zugrunde liegt, auch Rechteinhaber an den Vergleich gebunden sind, die an seinem Zustandekommen nicht beteiligt waren (ausser sie widersprechen ausdrücklich). [Sage ich ja schon lange, Goolge degradierte das Urheberrecht 2005 zum Einspruchsrecht und wir dackeln alle mit, weil es so nett ist, wenn alles allen gehört und nur noch Google damit verdient.]
  • Es bemängelte, die Verhandlungsführer der amerikanischen Autoren und Verlage seien keine legitimen Vertreter nicht-amerikanischer Rechteinhaber.
  • Es kam weiter zum Schluss, dass die Betroffenen der nicht-englischsprachien Länder zu schlecht informiert waren.
  • Und es prognostiziert, dass durch die vorgesehenen neuen Regeln ein Google-Monopol beim Handel mit digitalisierten Buchinhalten, auf die keine Urheberrechtsansprüche mehr geltend gemacht werden, entsteht.
  • [Informationsquelle: Der gedruckte Buchreport.]
    Es ist doch schön, für einmal von höherer Stelle bestätigt zu werden. Aber die Freude wird nicht von Dauer sein. Ich schätze, man wird sich darauf einigen, zwar die ganzen Bücher zu scannen aber nur kleine Ausschnitte europäischer Werke zugänglich zu machen, solange der Urheber nicht zustimmt. Und das wird vom Konsumenten – der mit dem englischsprachigen, vemeintlich kostenlosen Angebot vergleicht – so lange und so laut negativ bewertet werden, bis sich auch die Europäer damit abfinden, dass nur noch gelesen wird, was bei Google gescannt ist. Besser den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach, werden sich die Urheber von Spanien bis Rumänien dann sagen und so wird Google den Preis für Information und das Lesen an sich auch für Europa diktieren. Vielleicht noch in Kooperation mit Amazon.
    Ich freue mich trotzdem über den Sand im Getriebe und ich werde meinen Nichten, Neffen, Enkelinnen und Enkeln auch gedruckte Bücher schenken, wenn sie über 100 Euro kosten. Und sollte ich es mir nicht leisten können, werde ich mit ihnen die ganzen verstaubten Schulbibliotheken abklappern und ihnen das Lesen mit Michel aus Lönneberga in alter Rechtschreibung oder mit den Leuten von Seldwyla in gotischer Schrift beibringen. Denn Internet hin oder her: Bauer wird auch dann noch der häufigste Beruf der Welt sein.

    Literaturnobelpreis 2009

    Ein bisschen schade ist es schon, wenn die Preisträgerinnen und Preisträger nicht während der Buchmesse bekannt gegeben werden. Es ist nämlich immer schön zuzuschauen, wie die von der Ehre betoffenen Verlage ihre Messstände aufpeppen. Oft ahnen sie das ja schon (im Buchwesen bleibt ja nie etwas geheim…) und sind klandestin vorbereitet.
    Eben, Herta Müller. Das ist stimmig und besonders erfreulich für den vom Umsatzrückgang gebeutelten deutschen Buchhandel. Ganz offensichtlich sieht das Nobelpreiskomitee den Nachholbedarf, Frauen zu ehren. Ich habe nur ein Buch von Herta Müller gelesen, das war noch in meiner Lehrzeit: „Reisende auf einem Bein“. Das habe ich dann aber auch oft empfohlen und verkauft, ich hatte damals viel Kundschaft, die den Kommunismus verklärte. Mehr als dass es gut und passend für die Wendezeit um 1989 war, kann ich aber nicht sagen.
    Aber ich hätte trotzdem gerne Oz bepreist gehabt. Und bei Roth sollte man vielleicht wirklich nicht warten, bis er tot ist.

    Ich habe dich beim Namen gerufen

    Ich habe schon ein paar Tage Kopfschmerzen und das ist jeweils das Zeichen für mehr Schlaf und PC-frei. Aber bevor ich die Maschine für mindestens drei Tage herunterfahre, noch eine Buchempfehlung, die ich schon lange machen wollte.
    Ich habe dich beim Namen gerufen Lesealbum 26. Seite
    Dieser Band ist bei der Kritik durchgefallen. Von der Anderen Bibliothek hatte man mehr erwartet als ein gefällig aufgemachtes Namensbuch. Man sah darin den Anfang vom Abstieg in die Trivialität nach Enzensberger. Aber wie so häufig waren sich Kritiker und Käufer nicht einig und der Titel ging im Dezember 2007 viele Male über den Ladentisch.
    Zu Recht. Das Buch vereint bekannte aber auch unbekannte Namensgedichte, jedes mit einer Bemerkung zur Herkunft des Gedichtes und – wo eruierbar – zur Motivation des Dichters. Etwas zur Etymologie der Vornamen ist wie in allen Namensbüchern auch dabei.
    Hier wurde viel Lesenswertes von deutschen Dichtern und erstaunlich vielen Dichterinnen seit dem 17. Jahrhundert gesammelt. Konrad Bayers „für judith“, Elisabeth Borchers „Für Maximilian am ersten Schultag“, Paul Celans „Marianne“, Matthias Claudius‘ „An Frau Rebekka“, Theodor Fontanes „An Georg Fontane“, Marie Luise Kaschnitzs „Meine Schwester Lonja“, Else Lasker-Schülers „An den Prinzen Benjamin“, Doris Runges „für Kasper – du also“ und Karl Stamms „Sonnett an Inez“ sind nur einige Beispiele von Gedichten, die nicht jeder kennt.
    Es handelt sich dabei – das liegt in der Natur der Sache – zu einem grossen Teil um gewidmete Lyrik. Aber genau diese ist ein wichtiges Zeugnis dafür, wie Menschen über die Jahrhunderte Gefühle teilen, wie sie Liebe, Freude, Sehnsucht, Not und Leid in Worte fassen, wenn es mindestens so sehr wie um sie selber, um einen anderen geht.