Fledermaus & Pegasus

Morgen beginnt die letzte Schulwoche für unsere Abschlussklassen. Für mich bedeutet das, dass ich nach elf Jahren die letzten Unterrichtsstunden in „Betriebs- und Verkaufskunde“ erteile. Danach gebe ich nur noch Stunden in einem im Zuge der Reform neu entstandenen Fach. Schon vergangene Woche konnte ich Abschied üben, denn meine Donnerstags-Klasse sah ich bereits zum letzen Mal (weil ja nächsten Donnerstag ein Feiertag ist). Von diesen Azubis habe ich ein rührend passendes Kinderbilderbuch bekommen: Der Fledermausbuchhändlerin Cölestine gelingt es jeden Tag, ihre Kundschaft mit dem passenden Buch aus dem Alltag in andere Welten zu führen. Sie parliert, hilft, ordnet, bestellt und staubt zwischendurch ihre Pegasus-Statue ab, und abends veranstaltet sie auch noch Lyriklesungen mit Musikbegleitung. In der Nacht dann wird der Pegasus lebendig, und sie fliegen zusammen zum Fenster hinaus dem Mond entgegen.
Widmung der BH3B 2011

Remembering

Right after the earthquake, I went there (…). And then I realized that everywhere were these school bags of the children scattered around. (…) Because the bags were so vivid and colorful, they made a reallly strong impression on me. They are so closely related to the physical condition of the kids. So I wanted to design a work of art related to that. (…) Now I am using the bags to form a sentence, which was stated by a dead student’s mother who wrote to me. (…) The sentence we will put up on the front of the building is:
Remembering, 2009 in München
„She lived happily in this world for seven years,“ a sentence from a victim’s mother. She is very kind, she does not have much to say about all this and she just wants her daughter to be remembered. And of course we see all kinds of tragedies in this world, but I think the worst tragey is the disrespect for life.
Das sagte Ai Weiwei 2009 im Gespräch mit Mathieu Wellner in Bejing 2009 über die bevorstehende Ausstellung in München. Er erinnerte mit einer Installation aus bunten Schulrucksäcken an die unzähligen (und bis heute ungezählten) Schulkinder, die durch das Erdbeben in Sichuan im Mai 2008 ihr Leben verloren, weil die meisten Schulgebäude einfach in sich zusammenfielen.
Heute wurde die Ausstellung „Interlacing“ in Winterthur eröffnet. Kein Künstlergespräch morgen.

Buchnews

Es kommt ab und zu vor, dass mich jemand auf die Tatsache anspricht, dass ich hier nicht (mehr) über Buchhandelsentwicklung oder Buchpolitik schreibe. Nun ist es einfach so, dass ich dazu meistens keine Lust habe, weil die Entwicklung ziemlich absehbar ist: Amazon verkauft mehr E-Books, Borders ist Pleite, Barnes and Noble wird in Kürze offiziell ein Übernahmeangebot annehmen, bei Thalia wird der Umsatz weiter von den Läden in den Onlineshop wandern und die Buchpreisbindung wird auch einmal den Weg alles Irdischen gehen. Überraschend ist nur, dass es trotzdem immer wieder Menschen gibt, die in der Buchbranche aufgehen, gar gegen jeden gut gemeinten Rat Buchberufe erlernen, und sogar neue Verlage und Buchhandlungen gründen. Und diese Entwicklung scheint mir viel erwähnenswerterter.

fading week

Gestaunt
… über die Begabung meiner Lernenden, in der Branchenpresse etwas Erhellendes zum E-Book ihres Arbeitgebers zu sagen, ohne
in einen Fettnapf zu treten.
… über die Bankkauffrau neben mir im Konzert, die ihr „liebes Mueti“ per SMS in Echtzeit auf dem Laufenden hielt.
Gesucht
… meinen FTP Server mit all‘ meinen .jpgs und .pdfs drauf.
… einen „buchreport“ zum Thema Nonbooks und meinen Notizen drin.
Gerührt
… von der lieben Nachricht eines Jugendlichen bei dessen Reintegration ich (gefühlt erfolglos) helfe.
… vom Kompliment des Kindes „andere Eltern reden oder spenden für eine bessere Welt – du machst etwas!“
Geschockt
… über die Art, wie Buchhandelungsschliessungen kommuniziert und verdienten Buchhändlerinnen Kündigungen ausgesprochen werden.
Gefreut
… über die Anküdigung von Buchhandlungseröffnungen.
… über das Aufgreifen des grünen Wahlerfolgs bei der Kaltmamsell.
Gelacht
… über den Rat zweier verschiedener Schülerinnen aus verschiedenen Klassen, umgehend Living Dolls zu lesen: „Das Buch für Sie, Frau M!“
Geweint
… bei der Lektüre Glückliche Ehe.
fading dayligh

Randnotiz

Wieder ein Urteil für das Urheberrecht, welches meines Erachtens eine wichtige demokratische Errungenschaft und zentral für die Existenz von Literatur ist.

Google-Settlement vorerst geplatzt
Richter Denny Chin hat das Google Book Settlement mit der Begründung zurückgewiesen, es sei weder fair noch angemessen noch vernünftig. Wie Publishers Weekly berichtet, schlägt er eine substanzielle Änderung vor: Von opt-out soll auf opt-in gewechselt werden. Das würde bedeuten, dass Google nicht mehr wahllos drauflos scannen kann und sich Autoren dagegen wehren müssen, sondern, dass von Anfang an eine Berechtigung seitens der Urheber vorliegen muss. Richter Chin hat für den 25. April eine Status-Konferenz einberufen. Nicht zuletzt der internationale Protest habe zu dieser Entscheidung geführt, wie Chin im Urteil ausführt.

(Thanks to swissbooks newsletter)

Zum Semesterende: Sortimentstiefe

Im dritten Lehrjahr halten die Azubis bei uns Fachreferate über Buchhandlungen, die sich auf ein Thema spezialisiert haben. Wir unterscheiden

  • die Fachbuchhandlung/wissenschaftliche Buchhandlung
  • die Spezialbuchhandlung
  • die Tendenzbuchhandlung
  • vom sog. allgemeinen Sortiment. Alle drei Arten Buchhandlungen brauchen gut geschultes Personal, das auch aussergewöhnliche Recherchiermöglichkeiten kennt und es versteht, ein tiefes Sortiment und seine Fachkundschaft gut zu betreuen. Sortimentstiefe bedeutet, viel Verschiedenes zum gleichen Thema am Lager zu haben und anspruchsvolle Kundenwünsche zu erfüllen. Fachbuchhandlungen und wissenschaftlichen Buchhandlungen verkaufen Bücher und Medien in den Bereichen, die an Universitäten oder Fachhochschule gelehrt werden. Spezialbuchhandlungen haben besonders viel zu einem eher populären Bereich wie z.B. Reisen, Comics, Esoterik oder Kinderbücher. Tendenzbuchhandlungen haben auch einen Schwerpunkt, aber wenn man diesen wegdenkt, bleibt immer noch ein kleines, meist allgemeines Sortiment übrig. Das Ziel der Fachreferate ist, dass die angehenden Buchhändlerinnen Sortimentstiefe am Beispiel erklären lernen und sich selber ein wenig in ein Fach- oder Sachgebiet einarbeiten. In ihrer Wahl sind sie frei. Sie müssen nur darauf achten, einen Laden auszuwählen, mit dessen Präsentation sie die Aufgabenstellung erfüllen können.
    Im letzten halben Jahr habe ich Referate gehört über:
    „Zum Semesterende: Sortimentstiefe“ weiterlesen