Frau Kaltmamsell hat sich in PR-mässig gekonnter und daher besonders einfach verständlicher Weise um den Feminismus verdient gemacht, indem sie „10 Irrtümer“ dazu aufgeklärt hat. Merci beaucoup.
Teil 1:
1. Feministinnen mögen keine Männer
2. Feminismus schadet der Beziehung zwischen den Geschlechtern
3. Feministinnen sind hässlich
4. Feminismus ist überflüssig geworden
5. Feministinnen halten Männer und Frauen für ununterscheidbar
Teil 2:
6. Feministinnen verleugnen ihre Weiblichkeit
7. Feminismus ist gleich Alice Schwarzer
8. Feminismus bedeutet Verbote
9. Feminismus ist altmodisch
X. Feministinnen halten aus weiblicher Solidarität zusammen
Ich hätte noch eine kleine Ergänzung zu 3. und 6.:
Feministinnen haben etwas gegen weibliche Schönheit.
Nö. Feministinnen haben etwas gegen Schönheit als Währung.
Kategorie: Leben daneben
Ausserschulisches und Vermischtes
Weniger zu lachen
Er sei ungefragt auf die Welt gekommen und habe versucht, aus dem Ungefragten etwas Gefragtes zu machen, konstatierte Hugo Loetscher, als ich ihn zum letzen Mal gehört habe. Er las nie nur vor, er erzählte viel mehr und schweifte gerne ab, aber immer so, dass das Publikum bei der Sache blieb. Wie sehr er es liebte, zu lesen, merkte ich erstmals, als er an der Abschlussfeier einer meiner Lehrfrauen auftrat, das war wohl 1993. Es gab eine Menge, was nicht geklappt hat an dieser Feier (ja, schon damals), es war zu eng, stickig heiss und dafür umso lustiger mit Loetscher. Jetzt werden wir weniger zu lachen haben in der helvetischen Literatur, schrieb Jürg Altwegg passend im Nachruf der FAZ.
Loetschers Buch War meine Zeit meine Zeit, das er augenzwinkernd zur „späten Prosa“ erklärt hatte, wird noch diese Woche im Buchhandel erwartet.
Schnäppchenglück
passiert mir wirklich nie. Aber gerade jetzt, wo man vor lauter Hitze nicht mehr mit der Wäsche nachkommt und es doch überall nur Wintermäntel zu kaufen gibt, gerade jetzt wird mir der bequemste Rock meines Lebens zum halben Preis zugetragen. Dass er die falsche Farbe hat, ist gut zu verschmerzen.
Design: Maria Westerlind (lädt ewig)
Erworben bei: Kitchener
Zum Schnappschuss vom Schnäppchen „Schnäppchenglück“ weiterlesen
Wochenrückblick
Die Woche begann gut, die Neuen waren sehr nett und was ich bei der Planung vergessen oder unterlassen hatte (es ist immer etwas!) nicht weiter schlimm.
Es ging auch gut weiter, nur bereute ich, im Voraus Termine vereinbart zu haben. In der ersten Schulwoche ist es nämlich so, dass so viele neue Termine ganz von allein auf mich zukommen, dass ich es kaum noch bewältigen kann, wenn schon welche da sind. Ich träume dann davon und weiss morgens kaum noch, welcher Tag gerade ist, geschweige denn, wer mich was gefragt hat. Note to myself: Agenda in der ersten Schulwoche leer lassen. (Ausser Unterricht natürlich.)
Auch das Kind hat gut angefangen, es ist mit Klasse und Lehrern sehr zufrieden und endlos erleichtert, dass es den Mathematiklehrer versteht und der Geschichtslehrer wirklich und wahrhaftlich Geschichte und nicht (wie der vorherige Geschichtslehrer) vorwiegend Physik lehrt. „Kann man ohne Geschichtsunterricht leben?“, habe er rhetorisch gefragt und sich die Frage auch gleich mit „Ja.“ beantwortet. „Kann man ohne Geschichte leben?“ habe er danach gefragt und auch diese Frage gleich selbst beantwortet, aber mit „Nein. Jeder möchte seinen Geburtstag kennen, jeder will wissen, wer seine Eltern sind.“
A propos Geschichte. Ich musste diese Woche häufig an Shalom Auslander denken, den Autoren von „Eine Vorhaut klagt an“. (Habe ich schon gesagt, dass dieses Buch unbedingt gelesen werden sollte? Dass es Balsam für die verlorenen Seelen sämtlicher nicht religiöser Menschen sei? Falls nicht, tue ich es hiermit. Gebunden und als Hörbuch(Download) erhältlich und das Taschenbuch erscheint nächsten März.)
Eben, an Auslander habe ich mich erinnert, weil er sich von seiner frommen New Yorker Familie nach Woodstock abgesetzt hat. Zitat aus Eine Vorhaut klagt an, S. 294:
Woodstock ist ein blühendes Touristenstädtchen, das auf der ganzen Welt für etwas bekannt ist, das dort eigentlich gar nicht stattgefunden hat; das berühmte Musikfestival war in Bethel, einem nichtblühenden Städtchen, das für etwas, das dort stattgefunden hat, nirgendwo berühmt ist.
Die Bilder geben nicht den tatsächlichen Inhalt wieder.
[Hier zitiert der Autor, was er als Junge auf den Pornovideos gelesen hatte, sic.]
Obwohl mich das Thema Woodstock als Event nur bedingt interessiert – den Film habe ich einmal gesehen, die Musik gehört aber zu meinem Leben – habe ich heute im Feuilleton meiner Tageszeitung gelesen, dass es ein neues Museum gebe, welches der von Auslander erwähnten Tatsache Rechnung trage: Das BethelWoodsCenter. (Ich freue mich aber sehr auf den Film von Ang Lee „Taking Woodstock“. Wenn jemand, dann hat Lee das Zeug dazu, aus dem Mythos eine brauchbare Geschichte zu machen.)
Rear Window
19:44 Uhr.
„Rear Window“ weiterlesen
Instantanés des Rencontres d’Arles
Recommandables pour tout le monde: Les Rencontres d’Arles 2009.
Zu Primo Levis 90. Geburtstag
„So schlug auch die Stunde der Freiheit für uns ernst und lastend und erfüllte unsere Seelen mit Freude und zugleich einem schmerzlichen Schamgefühl, um dessentwillen wir gewünscht hätten, unser Bewusstsein und unser Gedächtnis von dem Greuel, den es beherbergte, reinzuwaschen: und mit Qual, weil wir spürten, dass es nicht möglich war, dass nie irgend etwas so Gutes und Reines kommen könnte, das unsere Vergangenheit auslöschen würde, und dass die Spuren der Versündigung für immer in uns bleiben würden, in der Erinnerung derer, die es miterlebt haben, an den Orten, wo es geschehen war, und in den Berichten, die wir darüber abgeben würden. Daher – und dies ist das ungeheuerliche Privileg unserer Generation und meines Volkes – hat niemals jemand besser als wir die unheilbare Natur der Versündigung begreifen können, die sich ausbreitet wie eine ansteckende Krankheit. Es ist unsinnig, zu glauben, sie könne durch menschliche Gerechtigkeit getilgt werden. Sie ist eine unerschöpfliche Quelle des Bösen: Sie zerbricht Körper und Seele der Betroffenen, löscht sich aus und erniedrigt sie; sie fällt als Schande auf die Unterdrücker zurück, schwelt als Hass in den Überlebenden fort und wuchert wieder auf tausend Arten, gegen den Willen aller, als Rachedurst, als moralisches Nachgeben, als Verleugnung, als Müdigkeit und als Verzicht.“
Aus: „Die Atempause“ von Primo Levi, geboren am 31. Juli 1919 in Turin, gestorben am 11. April 1987 ebenda.
Schöne Ferien gehabt?
Gewiss, gewiss. Viel gelesen, viel geschwommen, mehr Familie, weniger Kleider, langsamere Welt. Und meinen Unterricht habe ich soweit vorbereitet, dass er nicht in meinen schuladminstrativen Aufgaben untergehen kann.
Zur Lektüre:
Angefangen, aufgeschoben und dann doch nicht gelesen, obwohl ich am Ende noch dringend ein Buch gebraucht hätte. Ich konnte einfach keine amerikanische Literatur mit Schauplatz Campus mehr verarbeiten. Habe statt dessen in der Campingbibliothek einen Krimi von Ludlum geholt. Schauplatz? Campus.
Es gibt nur wenige Leute, denen ich das Buch empfehlen würde, aber ich fand es gut. Es ist ein Sittengemälde heutigen Familien- und Ehelebens in der Mittelschicht. Der rote Faden ist – originell und doch ernsthaft – eine Art Jockl-Motiv, ausgelöst durch eine aussereheliche Beziehung.
Nicht lesenswert, der Plot war problemlos zu erraten und wurde der Campingblibliothek gespendet.
Ein Requiem auf die Muttersprache; ein Essay über Kristofs brutalen, ganz bewusst erlebten Abschied vom Ungarischen zugunsten des Französischen. Als Sprachmensch hat sie von Anfang an auf die Exilsprache gesetzt. Diese Entscheidung versträkte den Schmerz der Immigration, brachte ihr aber auch den Erfolg und die Existenzgrundlage.
Ich kann einfach nur immer allen empfehlen, Levis Erinnerungen (wieder) zu lesen. Er gehört zu den Autoren, für deren Zeugnis Europa nie dankbar genug sein kann. Das hier ist die Geschichte seiner Rückkehr aus Auschwitz nach Turin. Neun Monate dauerte die Reise – oder eher der Transport – über Russland, Rumänien, Ungarn, Österreich und Deutschland. Levi hat Daten, Zeiten, Orte, Distanzen, Wetter, Menschen genau beobachtet und behalten, um alles aufschreiben zu können für die Nachwelt, für uns.
Für mich eine Neuentdeckung. Während des Krieges im faschistischen Italien vielseitig eingesetzt, wird De Luca im April 1945 wieder zum Commissario und soll wieder „normale“ Mordfälle lösen. Zu Kriegsende muss er dann doch vor den Partisanen flüchten. Er wird erkannt und von einem ländlichen Polizisten dahingehend erpresst, für ihn – den Unerfahreren – einen Mordfall zu lösen. Interessant ist nicht in erster Linie der Kriminalfall, sondern die Gratwanderung des Commissario.
Im Stil für meinen Geschmack etwas zu „amerikanisch“ (diese Bücher schreien ja immer „ich will verfilmt werden!“), aber empfehleswert. Eher ein Jugendbuch und gerade deshalb eine Ausnahme, weil es differenziert (und weder fromm noch einseitig) das Thema aufnimmt, welches Leben einem Amoklauf vorausgehen könnte. Gut, wenn solche Bücher Bestseller sind.
Als Sekundärliteratur (die Autorin ist die Tochter von Max Frisch und schreibt darüber) kaum zu entbehren. Als Roman zu dürftig, um gut zu sein.
Gern gelesen, auch wenn die Handlung an den Haaren herbeigezogen ist und ausser der Protagonistin nur wenige Charaktere gelungen sind. Trotzdem: Tolle Antithese in einer Zeit, wo Hygiene alles ist und unsereins sich kaum mehr in eine Sandale traut, ohne vorher eine Stunde in die Nägel investiert zu haben. Das ist Popliteratur!
Ich habe mich ehrlich gesagt durchbeissen müssen. Habe aber den Protagonisten, den alten Selb, ins Herz geschlossen und deswegen alle Bände mehr oder weniger gelesen.
Xiaolong lässt nicht nach. Ein wichtiges Element in diesem Band mit Inspektor Chen ist die brutale Kochkunst, deren Hauptzweck es ist, den Eingeladenen zu schockieren. Sehr lesenswert.
Ist ein bedrückendes Buch über einen Prozess gegen eine Frau in der Gesundheitsdikatur. Meistens dachte ich schon „Science Fiction“ bei dieser Lektüre. Aber wenn ich dann die Gesundheitsdiskussion wieder mitverfolge und Forderungen wie die von Herrn Hoppe lese, bin ich nicht mehr so sicher. Gegenwartsliteratur, die ich nur empfehlen kann.
Zuletzt noch: Dass Frank McCourt gestorben ist, finde ich richtig blöd. Er war so witzig auf der Buchmesse, er konnte toll vorlesen, er kam gut ohne das Campus-Thema aus und „Teacher Man“ ist wohl eines der wenigen Bücher über das Lehrerleben an Mittel- und Berufsschulen. R.I.P.
Zwischen den Schuljahren
Ich gehe jetzt und gedenke zu lesen:
Ich danke allen herzlich fürs Lesen. Hier und anderswo.
Sonntägliche Standortbestimmung
Das Schuljahr ist zu Ende und ich stehe kurz vor meiner Auszeit, in der ich ruhe, lese, schwimme, Kinder hüte und den Unterricht fürs neue Schuljahr entwerfe. In dieser Zeit arbeite ich hauptsächlich Listen ab:
etc.
Das Gewitter von vorhin hat die ungefähr dreissigste Rinnstelle im Hochhausdach offenbart: Der Regen hat meinen Scanner zerstört, die abrupte Trennung aller Elektronik vom Netz erfordert und meine Liste um zahlreiche Telefonate mit Verwaltung und Handwerkern verlängert.
Luxusprobleme. Kein Grund, sich zu betrinken.
Eigentlich wollte ich heute Abend überlegen und ausprobieren, was ich nächstes Schuljahr auf meinem Fenstersims (gibt es das Wort überhaupt in Hochsprache?) im Büro ausstellen könnte. Vorletztes Jahr hatte ich Kugeln aller Art, letztes Jahr hatte ich Comicfiguren. Vielleicht wären ja Souvenirs von Buchmessebesuchen etwas.