Schultägliche Notizen

Ich habe mein Dossier Nummern und Normen im Buchhandel wie alle Jahre überarbeitet. Übrigens wurde bis jetzt noch keine ISBN13 mit dem neuen Präfix 979 vergeben und das Dossier findet man auch im Downloadbereich unserer Schule unter „Lehrmittel“. Bitte einfach jederzeit und allseits fraglos verwenden. Wer seinen eigenen Namen darunter setzt, scheffelt auf mein Karmakonto. Danke sehr!
Notieren wollte ich eigentlich etwas anderes. Neben den vielen Zielen, die andere für mich (das heisst für meine Stelle) definiert haben, hatte ich mir auch ein paar eigene gesetzt. Zum Beispiel drei für meinen eigenen Unterricht. Die heutige Überprüfung ergab vorläufige Resultate:

  • Alle meine Tests vollständig neu schreiben. Also nicht bei einem alten Test, sondern beim leeren Blatt anfangen.
  • Das habe ich bis jetzt zu erstaunlichen ¾ geschafft, das erhöhe ich im zweiten Semester noch. Vorlagen zu benützen schafft zwar Zeit, aber gibt nach so vielen Jahren einfach eine Routine, die nicht mehr gesund ist.

  • Ein ganzes Semester Berufs- und Verkaufskunde von Grund auf neu planen.
  • Das habe ich erledigt, allerdings war die Motivation keine grosse Sache, ich war gezwungen. „Die vertikale Buchpreisbindung“ ist nun wirklich kein Thema mehr und wenn ich das noch gebracht hätte, hätten sich die Lernenden bestimmt gewehrt. Und wenn nicht sie, so die Lehrfirmen.

  • Herauszufinden, welches die beste Korrekturmethode für schriftliche Tests ist.
  • Das hat sich als objektiv unbeurteilbar erwiesen. Da müsste es für verlässliche Resultate mindestens eine Doppelblindstudie einer deutsch-schweizerisch-österreichischen Kooperation von pädagogischen Instituten geben. Ich habe mich aber subjektiv für eine Variante entscheiden können: Ich korrigiere pro Frage und nicht pro Schülerin. Ich beginne auf der letzten Seite, damit ich möglichst lange den Namen nicht sehe. So habe ich das Gefühl, genau zu korrigieren und nicht zu interpretieren.

    Ein Liedchen

    Hie und da kommt es vor,
    daß einer um Hilfe schreit.
    Schon springt ein andrer ins Wasser,
    vollkommen kostenlos.
    Mitten im dicksten Kapitalismus
    kommt die schimmernde Feuerwehr
    um die Ecke und löscht, oder im Hut
    des Bettlers silbert es plötzlich.
    Vormittags wimmelt es auf den Straßen
    von Personen, die ohne gezücktes Messer
    hin- und herlaufen, seelenruhig,
    auf der Suche nach Milch und Radieschen.
    Wie im tiefsten Frieden.
    Ein herrlicher Anblick.

    Kind überspringt die Münstergasse, Mann im Erker überschaut sie.
    Für Ursprung und Suchbild „Ein Liedchen“ weiterlesen

    Aus dem Reisenotizbuch [9]

    11. April 2007 16:00
    Wir sind durch den Zion gewandert und danach bin ich viel gefahren. (Schön für mich, aber gab e. Lücke hier im Reisenotizbuch.) Drei Stunden durch das Gebiet um den Sevier River. Nur Landstrasse, vorbei an heruntergekommenen Ranches mit abwechslungsweise Felsfarbenfächern und verschneiten Bergen im Blick. Bei dem Big Rock Candy Mountain mussten wir natürlich unbedingt das Schlaraffenlandlied hören, überhaupt kein Problem mit dem automatischen CD-Wechsler in diesem Auto. Man speist einfach seine ganze Sammlung in den Tower und wählt dann aus – wie ich das sonst nur von Läden kenne.
    Zion National Park 2007
    11. April 2007 18:00
    Ein paar Meilen vor Green River, Utah ist wundervoll. Canyons soweit das Auge reicht und Vieh auf den Weiden dazwischen. Kühe und Rinder wie in Lucky Luke. Ich wundere mich nicht mehr, dass meine Schülerinnen die Lehre abbrechen, um hierhin zu heiraten. Wir hören und übersetzen dem Kind Cashs America, gerade „The West“. Im nächsten Stück „Big Foot“ werden dann die Indianer erschossen. Es wird klingen wie ein Kinderlied mit Abzählreim. Weiss noch nicht, wie ich das alles erklären soll.
    Green River ist Nest und Metropole zugleich. Wie alle Städte, um die nichts ist.
    11. April 2007 20:00
    Fazit bei Rib-eye und Broccoli mit Kartoffeln „indian style“: Die Interstate 70 East zwischen Richfield und Green River ist der schönste Highway der Welt.

    Man hat ja schliesslich auch seinen Stolz

    Es finde das irgendwie unpassend, wenn einer in dem Alter Skateboard fahre und erst noch mit Converse, meinte das Kind, als heute auf dem Bahnhofplatz ein grau melierter Rollbrettfahrer entsprechend beschuht an uns vorbei steuerte.
    Nicht zum ersten Mal wuchs sich das Thema zu einem Disput aus, der keine Einigung zuliess. Vielleicht haben wir deswegen am Abend anstatt Gamen den Film „Back to the Future“ zwangsverordnet. Ein Ausflug in die Achtziger – „als deine Eltern jung waren“ sowie in die Fünfziger, „als deine Grosseltern jung waren“.
    Der Mode schenkten wir besondere Beachtung. Michael J. Fox alias Marty McFly – „Uff, der ist inzwischen sicher schon vierzig!“ – trägt zu Beginn Rüeblijeans und eine weit geschnittene Jeansjacke ohne erkennbare Produktbezeichnung, darüber ein rotes Daunengilet „wie es heute nur noch Sechsjährige anhaben.“ Aber schon weisse Nikes mit rotem Logo. In den Film-Fünfzigern stellt er um auf Nylonhemd und Faltenhose und trägt dazu … Converse! Diesen Brand halten Kind und Peers zwar für hip, das Dilemma besteht nur darin, dass es Mutters Marke ist, weswegen man die und ihresgleichen lieber zur Abkehr davon anhält.
    Doch zurück zu Marty: Egal in welchen Turnschuhen und in welcher Zeit, Marty fährt Rollbrett wie der Teufel. Und so ist dank Spielbergs Dokumentation bewiesen, dass meine Generation Skateboard und Converse erfunden hat und diese Accessoires beibehalten wird, solange es ihr passt.
    Aber wir teilen gern.

    Vom Meienberg selig

    eine Nachricht zum Valentinstag, der ihm sicher gleichgültig wäre, wenn auch nicht die Reaktion des gemeinen Volkes darauf, das die letzten 24 Stunden wie verrückt nach Liebesgedichten fahndet und sogar hier. Dieser Meienberg, den ich unerfahrene Praktikantin als wütenden Zeitungsgenossen nur einmal an einer Redaktionssitzung erlebt habe, beschloss vor knapp 15 Jahren, sich mithilfe eines Coop-Plastiksackes des Lebens zu entledigen, doch nicht bevor er noch eine Geschichte der Liebe und des Liebäugelns erscheinen liess und ich daraus ein Schaufenster machte. Aber das ist wie gesagt lange her:
    LIEBE SCHLECHTHIN (II)
    Die Liebe ist langmütig und freundlich
    Die Liebe eifert nicht
    Die Liebe treibt nicht Mutwillen
    Sie blehet sich nicht
    Sie stellet nicht ungeberdig
    Sie süchet nicht das ihre
    sie lesset sich nicht erbittern
    sie tracht sich nicht nach Schaden
    sie frewet sich nicht der Ungerechtigkeit
    sie frewet sich aber der Wahrheit
    Sie vertreget alles
    Sie gleubet alles
    Sie hoffet alles
    sie duldet alles
    Die Liebe wird nicht müde
    ... übersetzte Luther aus dem Griechischen,
    bevor er seinen Freunden, den Fürsten, den Ratschlag
    gab, die Widertäufer auszurotten, und Kohlhaasen riet,
    sich der weltlichen Gerechtigkeit zu beugen, nachdem
    der Junker von Tronka ihm Unrecht getan hatte,
    und seiner Ehefrau Katharina sagte In Der Woche Zwier
    Schadet Weder Ihm Noch Ihr,
    und sie dann regelmässig
    bestieg, und den Juden Pest und Cholera an den Hals
    wünschte. Dann übersetzte er weiter:

    Wenn ich mit Menschen und mit Engelszungen redet
    und hette der Liebe nicht
    So were ich ein donen Ertz oder eine klingende Schelle
    Und wenn ich weissagen kündte
    und wüste alle Geheimnis
    und alle Erkenntnis
    und hette allen Glauben
    also
    das ich Berge versetzte
    und hette der Liebe nicht
    So were ich nichts

    Tischgespräch [32]

    [An jedem Ferienende stellt die Mutter dem Kind die Gretchenfrage.]
    Mutter:
    Und, was wirst du am Montag erzählen oder im Aufsatz schreiben?
    Kind:
    Alles sei so klein geworden.
    Mein Kleiderbudget ist zu klein,
    meine Freizeit ist zu klein,
    meine Skihose ist zu klein,
    mein Taschengeld ist zu klein,
    mein Bildschirm ist zu klein..
    Mutter:
    Einspruch!
    Kind:
    .. mein Bildschirm war zu klein.
    Meine „Ronaldinhos“ sind zu klein,
    mein Büchergestell ist zu klein,
    mein Duvet ist zu klein,
    mein Pyjama ist zu klein,
    meine Mutter ist zu klein…
    Mutter:
    Stimmt.

    Dass früher alles besser war,

    ist ja eigentlich allen klar und ebenso, dass das Unsinn ist.
    Über diese beliebte Aussage im Lehrerzimmer wollte ich schon lange etwas in die Schulzeitung schreiben. Aber kein Text ist mir gelungen.
    Dann kam letzten Oktober Frau Schmitt zum Kommentieren hier vorbei. Sie war die erste, die eine meiner bevorzugten Lyrikerinnen – Eva Strittmatter – kannte und sie besitzt erst noch die gleiche längst vergriffene Ausgabe „Beweis des Glücks“. Es entspannte sich darob eine kleine Mailkorrespondenz, in welcher sie mich auch auf Erwin Strittmatter, der Lyrikerin verstorbener Gatte, aufmerksam machte. Ich kannt ihn aus dem Regal, aber gelesen hatte ich von ihm noch nichts.
    Inzwischen habe ich. Und bin in einem Tagebucheintrag aus den Sechzigern auf das gestossen, was ich im „früher-waren-die-Schüler-besser“-Zusammenhang schon länger suchte. Ich bat den Verlag um ein einmaliges Publikationsrecht, welches er uns freundlicherweise völlig hürdenlos erteilte.
    Und so hat Frau Schmitt, die wegen unseres ähnlichen Lyrikgschmacks mein vollstes Vertrauen geniesst, mir einen Autoren empfohlen, welcher mir posthum zu Klarheit verhalf. Der sehr lesenswerte Abruck ist „Hilflos“.

    10 Gebote für Wochenenden

    -1 Du sollst dir nicht zu viel vornehmen
    -2 Du sollst in einem guten Buch lesen
    -3 Du sollst zwei Stunden länger schlafen
    -4 Du sollst der Familie zuhören
    -5 Du sollst einmal richtig aufwändig essen
    -6 Du sollst ein Glas dir unbekannten Weins trinken
    -7 Du sollst einen Spaziergang machen
    -8 Du sollst die vergangene Woche Revue passieren lassen
    -9 Du sollst in der nächsten Woche leere Zeit einplanen
    -10 Du sollst dir nicht zu viel vornehmen
    Amen.