[Von unterwegs.]
Traditionell fange ich da an, wo ich gelesen habe. Ich weiss noch nicht genau, wann ich zum nächsten Mal online sein werde und lasse die Kommentare ausgeschaltet. Gleichzeitig bedaure ich das sehr, weil ich ja den Austausch über Bücher so schätze.
Corbin, Alain | Meereslust | Wagenbach (Zweitlesung)
Natürlich wusste ich schon, dass das die beste Kulturgeschichte von Meeren und Menschen ist. Aber ich hatte vieles vergessen. Mein Lieblingskapitel diesmal war „Die Erfindung des Strandes“. Eine kleine Geschichte über die Erschliessung von neuem Raum und die neue Verwendung von Zeit. Weil ich selber am Strand war, konnte ich mir und den anderen bei der Entstehung der eigenen Strandkultur zuschauen. Allerdings braucht man für interessante Beobachtungen von Strandleben nicht zwingend eine Buchvorlage.
Fawer, Adam | Null | rororo
Nicht gelesen. Trash.
Geiger, Arno | Es geht uns gut | dtv
Nur fünfzig Seiten gelesen. Weil schon Pamuk mir einiges abverlangt hat (komme im nächsten Eintrag darauf), hatte ich keine Lesekraft mehr für Geigers Beschreibungen, obwohl ich nicht so weit gehen möchte zu sagen, sie seien es nicht wert. Oft schreibt er aber, was ich mir schon vorgestellt hatte: jemand Geschwächtes sitzt gebückt, jemand der anfährt, wackelt auf dem Rad. Da diese Familiengeschichte aber von zuverlässigen Quellen sehr gelobt wurde, kann ich mir gut vorstellen, dass ich die Lektüre später noch einmal angehe.
Kordon, Klaus | Julians Bruder | Gulliver (vom Kind)
Das war zweiter Weltkrieg. Und ich mochte nur ein Jugendbuch vom zweiten Weltkrieg lesen (folgt im nächsten Eintrag).
Mankell, Henning | Die fünfte Frau | dtv (vom Kind)
Hätte ich das Buch vorher gelesen, hätte ich dem Kind abgeraten. Zum Glück lesen Menschen aber nicht nur unter Aufsicht und bisweilen was sie wollen.
Es handelt sich hier um einen Fliessband-Mankell, um einen „so-etwas-Brutales-habe-ich-nie-zuvor-gesehen“-Wallander. Nun, Mankell soll ruhig Geld verdienen für sein mozambikanisches Theater und Zeit für die Bücher über Afrika, die sich schlechter verkaufen. Also: Der Titel bezieht sich einerseits auf eine Frau, die als fünfte Frau ermordet wird, weil sie – im Gegensatz zu den anderen vier – zur falschen Zeit am falschen Ort war. Andererseits muss Wallander vier Frauen ausfindig machen, bis er als fünfte auf die Schlüsselfigur trifft. Der Plot geht in Ordnung, aber dieser Hang zur Superlative… der ermattet.
Markaris, Petros | Balkan Blues | diogenes tb
Ein schmales Bändchen von wunderbaren Novellen. Sie spielen in Griechenland, betreffen aber den ganzen Balkan und Afrika. Es geht vor allem um dem Import von Arbeitskraft. Die einzelnen Geschichten geben kaum Anlass zur Hoffnung. Sie werden mancher Leserin und manchem Leser zu moralisch sein, aber für mich waren sie genau richtig. Ich finde literarischen Realismus für die Beschreibung der produktiven Arbeit im 21. Jahrhundert sehr passend.
Némirovsky, Irène | Suite française | btb
Hier bin ich noch dran. Ein ausgezeichnetes Buch von einer Autorin mit beeindruckendem Lebenslauf. Eine Schriftstellerin, die nicht mehr fliehen mag. Während sie auf die Deportation wartet, dokumentiert sie alles, was sie in den Jahren zuvor beobachtet hat. Das Buch ist das Ergebnis dieser Dokumente, die von ihren Töchtern gerettet werden konnten. Ich bin in der Literatur noch keinem so differenzierten Bild Frankreichs unter deutscher Besatzung begegnet.
Kategorie: Leben daneben
Ausserschulisches und Vermischtes
Off
Das Arbeitsjahr ist um. Die Lehrerin macht Ferien, dafür kommt die Leserin zum Zug. Ich merke gerade, wie sehr sich meine Leseliste im Vergleich zu anderen Jahren verändert hat.
Heuer habe ich noch einige Verordnungen und Reglemente als Lektüre dabei. Das Unterrichtsfach „Neuerscheinungen“ gebe ich einer neuen Kollegin ab und nehme deswegen keine Leseexemplare mit. Dann habe ich dem Kind versprochen, endlich die Bücher zu lesen, die es mir schon lange ans Herz gelegt hat.
Ich danke den Leserinnen und Lesern von nja. Es ist so schön zu sehen, dass Leute, die am Anfang ein reines Weiterbildungsblog mitgelesen haben, noch immer dabei sind. Und natürlich freuen mich die Neuen!
Merci beaucoup! Bon juillet à tous!
Leseliste Sommerferien 2007: „Off“ weiterlesen
Aus dem Reisenotizbuch [6]
8. April 2007 9:20
Auf dem Highway 101 feiert eine Frau allein Ostern. Mit der rechten Hand hält sie das Steuer und in der Linken hat sie einen Osterhasen. Während wir überholen schaue ich zu, wie sie ihm den Kopf abbeisst. Wunderbarer Ausblick auf San Luis Beach.
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8. April 2007 9:45
Abstecher nach Pismo Beach. Im Pismo Coast Village sind es eine Million Camper die Ostern machen: Sie dekorieren die Wohnwagen, stellen den Grill bereit und da jede Familie mehrere davon besitzt, ist es ein Jammer, dass ich seine Mehrzahl nicht kenne. Daneben werden italienische und mexikanische Flaggen gehisst, das Sternenbanner ist ohnehin omnipräsent.
Auch ein „Rock’n Roll Dinner“ könnten wir in einem umgebauten Zugwagen der Pionierzeit einnehmen oder uns den rüstigen Rentner im „Duna Vista Senior Park“ anschliessen, die ebenfalls offen sind für alle. Aber wir fahren weiter, den unendlichen Erdbeerfeldern von Mr. Hayashi entlang. „Hayashi“ heisse Wäldchen, sagt der Mann.
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8. April 2007 10:25
Die California 1 South ist gesäumt von riesigen Ranchs, schimmernd braune Pferde grasen in Blumenwiesen, alles sieht aus wie die Titelseite eines Mädchenromans. „$ 1000 fine for littering“ steht am Strassenrand. Geschwindigkeit 65 Meilen, Sound: Drive On.
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8. April 2007 10:35
Wir durchqueren die Vanderburg Air Force Base. Eine Stadt mit schnurgeraden Rasenrändern, Strässchen, Gärten und Kindergärten, Dienst- und Befehlswegen. Sieht alles ganz genau so aus wie in Wohin die Krähen fliegen.
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8. April 2007 11:30
Vor Santa Barbara wird es wieder freakiger, bunte Campingplätze rechts, links Ranchs mit wohlklingenden spanischen Namen, vor uns das Corvette-Treffen, hinter uns der Oldtimer-Ausflug. Die Easy Riders lauschen am Strassenrand der Osterpredigt ihres Ober-Easy-Riders. Der Eukalyptus wird immer dichter. Der Mann erklärt, er sei einst aus Australien importiert worden und inzwischen eine Plage.
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8. April 2007 11:40
Santa Barbara, mit „ca. 89’000“ Einwohnern gemäss Ortstafel. Sound: I’m So Lonsome, I Could Cry. Johnny Cash und Nick Cave singen Hank Williams. Bewölkt und Nieselregen.
Santa Barbara hat wenig von den bekannten Warenhaus- oder Restaurant-Ketten, wir passieren weder Starbucks noch Borders noch McDonald’s. Das seien alles Intellectos hier, meint der Mann, die hätten sich halt immer gegen MacDonald’s gewehrt, aber dann doch nicht genug in der unbhängigen Beiz konsumiert, weswegen sie nun halt zugepflastert seien mit mexikanischen Taco-Schüppen und Liquor-Shops für erfolglose Schriftsteller, die sich hier günstig zu Tode sauften.
Das liebliche „Summerland“ hat eine prespitorianische (?) Kirche deren österliches Motto auf einer grossen Tafel im Rasen davor steht: „He goes before you“.
Die Menschen hier fahren Prius und lächeln selig, wenn man ihnen den Vortritt abschneidet.
Direkte Demokratie am Beispiel des Laufentals
[Eine kleine Einführung für Ausländer und andere Interessierte.]
Die Schweiz ein einig‘ Volk von Brüdern. Mitnichten. Wäre unser Land dazu nicht viel zu klein, wir gingen einander oft gern aus dem Weg. Andererseits sind schöne Sonntage auch dazu da, das Gegenteil zu tun und einen unbekannten Ort der Schweiz aus der Nähe zu betrachten. Vor allem für Nieten in Heimat-Geografie, so wie mich.
Heute also das Laufental. Dieses Tal begegnet nur denen, die sich absichtlich dorthin begeben. Im letzten und vorletzten Jahrhundert waren der landwirtschaftliche Reichtum Grund genug, das Tal in irgend einer Form zu erobern; aber heute? Wenig Anlass dort zu leben, wenig Möglichkeiten dort zu arbeiten. Obwohl lange nicht das abgelegenste Tal der Schweiz, hat es die Strukturprobleme vieler solcher Regionen.
Das Laufental liegt in Baselland, einem Halbkanton. (Die Basler konnten sich anno dazumal nicht auf Katholizismus oder Reformation einigen und halbierten sich deswegen in Baselstadt und -land. Die Schweizer Kantonsgrenzen waren soweit ich weiss meistens glaubenstechnisch motiviert.)
Vor 1994 gehörte das Laufental zum Kanton Bern. Man hatte es eher irrtümlich zusammen mit dem angrenzenden französischen Jura beim Wiener Kongress Bern zugeschlagen. Die katholischen Gemeinden hatten es im liberal-reformierten Bern nicht einfach, weswegen sich die Jurassier und die Laufentaler sehr gut verstanden. Nur wollten die (meisten) Jurassier einen eigenen Kanton, während dem Laufental eine gewisse Selbständigkeit von Bern genügte. Nun, der Jura bekam 1979 seinen Kanton, was die Separatisten nicht am Unspunnenstein-Klau und weiteren Missetaten hinderte, aber das ist eine andere Geschichte. Sie hängt nur geografisch mit der des Laufentals zusammen.
Mit dem neu entstandenen Kanton Jura dazwischen, grenzte das Laufental nun nicht mehr an Bern und wurde zur Exklave. Da sich das Tal schon seit dem 19. Jahrhundert wirtschaftlich und kulturell mehr in Richtung Basel entwickelte, wurde erstmals in der Schweizer Geschichte beschlossen, die Laufentaler ihre Kantonszugehörigkeitsbedürfnisse abklären zu lassen. Die Eventualabstimmungen ergaben immer Baselland, die definitive Abstimmung 1983 ergab wieder Bern. Diese Abstimmung wurde jedoch vom Bundesgericht für ungültig erklärt, weil Bern den Entscheid widerrechtlich und mit Hilfe öffentlicher Gelder beeinflusst hatte. 1989 schliesslich nahm Baselland das Laufental (ebenfalls an der Urne) bei sich auf. 1991 sprachen sich auch Volk und Stände in einer eidgenössischen Abstimmung mehrheitlich für den Kantonswechsel aus. So hatte die normative Kraft des Faktischen nach 15 Jahren doch noch gesiegt und das Laufental dem passenden angrenzenden Kanton zugeführt.
Direkte Demokratie läuft wie ein Uhrwerk mit Verzögerung, aber sie läuft. In der Vitrine mit den amtlichen Mitteilungen der Stadt Laufen konnte heute sogar die Bernerin alle Beschlüsse lesen, die die Einwohnerversammlung am 17. Juni gefällt hat.
Mehr Links:
Monsun in Bern
Seit Wochen Gewitterstürme, Nieselregen, Himmelschwarz und Hagelkörner, dazwischen einen halben Tag Sonne und dann binnen fünf Minuten wieder Orkan. Bevor ich morgens die Wohnung verlasse, drappiere ich Frotteetücher unter den heiklen Stellen des Flachdaches, schliesse Balkonlamellen und Fenster und kratze Spinnenleichen und Oleanderblätter aus den Abläufen. Weil ich mir dann nicht mehr sicher bin, ob ich auch wirklich alles gut hinterlassen habe (Stadtneurotikerin halt), verbringe ich meine Mittagspause damit, zwischen Regenfäden auf verspätete Busse zu warten, damit ich noch einmal zu Hause überprüfen kann, ob auch alles in Ordnung ist. Die Bügelfalten sind ohnehin schon rausgewaschen, die Schuhe sind sowieso ruiniert, der Regenmantel hängt zentnerschwer und den Schirm hat der Wind zerstrört.
Die Busstation kann ich manchmal gar nicht mehr anpeilen, weil die Erde von Brünnen drumrum alle Kanäle versopft und sich das Wasser mindestens knöchelhoch staut. Bis ich über erhöhte Umwege die übernächsten Haltestelle erreiche, platzen bereits die Blasen an den Füssen. Und was am Hauptbahnhof – der anderen Grossbaustelle Berns – wartet, sind nicht Pfützen, sondern Teiche.
[Doppelregenbogen. Vergrössern geht.]
Letzten Donnerstag haben der Chef und ich die Putzequippen des Schulhauses angebettelt, wenigstens die Jeans der Schülerinnen in ihrem Tumbler trockenen zu dürfen. Die Lernenden reisen ja von weit her an (Basel, Brig, Luzern..) und haben baubedingt einen längeren Fussmarsch zwischen Bahnhof und Schule zurückzulegen. Sie waren teilweise derart aufgeweicht, dass ein Trocknen der Kleider an ihrem Leib schon fast als fahrlässig bezeichnet werden musste.
Und nach dem Unwetter erzählte man sich von einer Deutschlehrerin, die die sekundenschnelle Verdunkelung vor der Klasse mit den Worten kommentiert hatte: „Immerhin verbringen Sie die letzten 10 Minuten Ihres Lebens mit etwas Sinnvollem.“
Es ist Zeit, sich auf Monsun einzurichten. Von der Schule zur Verfügung gestellte Kleidung und Garderoben wären eine saubere Lösung. Klimawandel: Ein weiteres Argument für Schuluniformen.
Wochenende
Dem Kind sein Arsenal-Leibchen flicken
Schwarze Wäsche machen
9 Abschiedsgeschenke für Lehrpersonen verpacken
Karten dazu schreiben
Vorlagen für Semesterplan 2007/08 für Lehrpersonen gestalten
Vorlagen mit Wochen und Daten befüllen (dem Kind delegieren?)
37 22 Tests aus dem 1. Lehrjahr korrigieren
Drei Nachholtests für die machen, die gefehlt haben
Notendurchschnitte aus den Exceltabellen nehmen
Einen Wahlkampf-Brief gegenlesen und kürzen
Einen Brieftext für Lehrfirmen entwerfen
Vorbereitung für Weiterbildung Mitarbeitergespräche
Kapitel 9 aus dem Moodle Praxishandbuch vorbereiten
Multiple-Choice-Beispieltest dazu an Kursleiterin
Bilder aus der Quartierdisco uploaden
Quartierinfoblatt uploaden
(Vorbereitungen für) Grossvaters Geburtstag
Update SA 21:35 Uhr: Ha! Schon 8 1/2 erledigt. (Aber Korrekturen rausgeschoben, arbeitstechnischer Faux-Pas.)
Update SA 23:39 Uhr: Doch noch korrigiert. Ging besser als erwartet, die Antworten waren teilweise richtig gut.
Update SO 22:21 Uhr: Grossvaters Geburtstag war schön (Bild im Kommentar), meine kleine Nichte hat Trauben essen gelernt. Die Päckli und Karten sind gemacht und am Abend war ich sogar noch auf einen Sprung im Schul-Theater, die Freiwilligen haben Szenen unter dem Titel „Monty Pinter“ aufgeführt; ganz wunderbar.
Aus dem Reisenotizbuch [5]
7. April 2007 10:00
SF – Santa Cruz, Frühstück bei Emily’s („open early, seven days a week.“). Freundlich, arm an Kaffee, reich an Kräutertee, die Tische sind belegt mit selbstgemachten Mosaiken. Vor der Ecke mit dem Klavier, den Djembes, dem Saxophon, der Panflöte und dem Schlagzeug steht ein Schild mit der Bitte zu fragen, bevor man sich ein Instrument nehme.
Vis-à-vis hat ein einziger in einer ganzen Reihe von Häuschen seinen Rasen umgegraben und Gemüse gepflanzt: „Food not Lawns“ hat er angemalt und ist so @yahoo.com erreichbar.
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7. April 2007 14:00
Wir fahren Richtung San Luis Obispo. Die Pazifikküste hier ist eine Goldküste, aber man sieht davon nur die Briefkästen an der Strasse. Ich stelle mir vor, dass sich dahinter Disney-Film-Komponisten der Siebzigerjahre verbergen, die in der 3. Runde kleine Kinder haben und in Nostalgie schwelgen. Die Cafés unterwegs heissen „Flower View“ und „Spirit Garden“, zwischen den bemalten Mailboxen hängen Transparente mit Statements wie „Support our Troops. Get out of Iraque. Now!“ und in den wohlgeformten Bäumen, die die Zufahrten zu den Villen säumen, sind weisse Papiertauben festgebunden. Auch die „Henry Miller Memorial Library“, auf die ein hölzerner Pfeil hinweist, ist im dichten Wald versteckt.
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7. April 2007 15:40
Von Weitem sehen wir Hearst Castle und beschliessen, nicht hinzugehen. Dafür erzählt der Mann von Citizen Kane, während arme kleine Farmen und hoffnungsvoll benannte Ortschaften wie „Harmony“ mit nur 18 Einwohnern an uns vorbeifliegen.
Lesen classic
Dass „Die Moldau“, „La primavera“ oder die „Nachtmusik“ der Erholung dienen, ist heute Allgemeinwissen. Eine Selbstverständlichkeit beim Zahnarzt und in der telefonischen Warteschlange. Dass ich Stress mit Klassikern der Literatur bekämpfe, stösst jedoch eher auf Unverständnis. Wenn ich mit einem vergilbten dtv im Park des Schulhauses sitze, denken die Schüler, ich müsse das lesen und gucken mitleidig. Wenn ich in der Mensa oder beim Warten auf den PC-Raum ein zerfleddertes Suhrkamptaschenbuch, ein speckiges diogenes oder ein mausgraues DDR-Reclam lese, meinen die Kolleginnen automatisch, es handle sich um Zwangslektüre. Dabei erhole ich mich nirgends besser als in den Klassikern des 20. Jahrhunderts. Wenn Frau Moll Kästners Fabian bedrängt („Sie heissen Moll?“ „Irene Moll sogar, damit die Leute mit Gymnasialbildung etwas zu lachen haben“), wenn Dürrenmatts Bärlach registriert, dass die Welt aus Nachlässigkeit zum Teufel geht („Diese Gefahr sei noch grösser als der ganze Stalin und alle übrigen Josephe zusammengenommen“), wenn die Achmatowa sich dank intensiver Beobachtung und detaillierten Beschreibung der russischen Garderobe gekonnt an der Zensur vorbeidichtet, wenn Bernhard vom Ohrensessel aus Gräber schaufelt und das ganze Kulturerbe von Wien bis München drin versenkt, wenn das Grammophon läuft und Reisszwecken gebraucht werden – dann kann ich entspannen. Ich glaube, das ist, weil die Wörter bei den Klassikern des 20. Jahrhunderts in den Sätzen Platz hatten. Und weil der Buchtitel von Piatti, Fleckhaus und Staudt oder sonst jemandem gestaltet wurde, der bedachte, dass es nicht sein einziger Auftrag ist, eine Kundengruppe anzuschreien. Sondern den Leser immer wieder auf das Werk anzusprechen, selbst wenn er es schon längst gekauft hat.
Für Integrationsjunkies
… und gegen den Frust, weder andere noch sich selber zur vollsten Zufriedenheit einzugliedern. Danke, Marian, für den Hinweis. Dein Lieblingssatz ist wirklich stark und Lehrer-Balsam:
Hey, es liegt an euch. Und wenn ihr ohne Ranzen und Schreibblock in die Schule kommt, dann erzählt mir nicht, dass euer Lehrer ein Nazi ist.
Aufs Ganze.
Ich hab im iPod vom Kind nachgeschlagen und „Cüs Junge“ gehört, von Muhabbet zusammen mit Fler gerappt. Es rimt dort Traumfrau auf „wow“ und so. Wirklich unsexistisch, muttertauglich und trotzdem gern gehört. Wunder geschehn.
Drei relvante Dinge,
von denen ich (seit vielen Jahren) nicht verstehe, weshalb sie andere nicht verstehen:
Wovon man nicht begreift, dass ein anderer es nicht begreift, darüber kann man nicht sachlich diskutieren. Das erschwert das Leben aufs Neue.