Mutter:
Du hörst mir gar nicht zu!
Kind:
Tu ich doch.
Mutter:
Und, was habe ich gerade gesagt…?
[etc. man kennt das schon.]
Mutter:
Du hörst Vater viel besser zu.
Kind:
Das ist ja klar!
Mutter:
Das ist gar nicht klar, das geht doch nicht! … Ähm, warum soll das überhaupt klar sein?
Kind:
Das solltest du doch wissen! Das steht in jedem Buch!
Mutter:
Also gestern habe ich gerade eines fertig gelesen, da stand es definitiv nicht drin.
Kind:
Ich meine in jedem Buch über Jungs und Pubertät!
Mutter:
…?…
Kind: [langsam, jedes Wort betonend.]
DEIN-VATER-WIRD-JETZT-IMMER-WICHTIGER-FÜR-DICH.
Kategorie: Leben daneben
Ausserschulisches und Vermischtes
Ein kleines Wunder
hat dieser Tage mein oberster Chef vollbracht. Bei meiner dezemberlichen Lohnabrechnung lag ein Brief von ihm. Mit Dank für meine Arbeit. Mit richtigem Inhalt. Mit Reflexion und Ausblick.
Ich habe den Mann gewählt, weil das die Abmachung in der Linken war, nicht weil er mich vollständig überzeugt hätte. Und ich habe mich im Rahmen meiner Möglichkeiten sehr dafür eingesetzt, dass die vorherige Fehlbesetzung endlich abgelöst wird. Weil ich überzeugt war, dass politische Veränderung wirksam ist, aber ohne grosse Illusionen darüber, dass das für mich schnell spürbar wird.
Nun übertrifft der Chef meine Erwartungen. Bei Weitem. Vielleicht wird ja doch noch alles gut.
Empfehlungen online
Intro:
Mein ganzes Buchhändlerinnenleben lang habe ich Buchempfehlungen geschrieben. Meistens für Websites oder Organe von Schulen und Vereinen. Es kommt vermehrt vor, dass sich Leute bei mir melden, die persönliche Beratung per E-Mail möchten, vielleicht verdinge ich mich mal als virtuelle Buchhändlerin und mache meinen Schülerinnen ernsthaft Konkurrenz.
Ich erinnere mich lebhaft, dass ich einmal – noch ehe ich überhaupt mit Bloggen begonnen hatte – einem Historiker im bostoner Exil Jens Rehn und Feridun Zaimoglu empfahl (Tipps am Ende dieses Eintrages). Ich kannte diesen Leser zu dem Zeitpunkt im realen Leben nicht. Und deswegen war er etwas schockiert über die Tatsache, dass es möglich ist, den Geschmack eines Kunden trotzdem genau zu treffen. Vielleicht hat er auch nur geschmeichelt, ich werde es nicht erfahren, denn es ist eine Weile her und vor allem lebt er nicht mehr.
Deshalb erlaube ich mir das:
> Nachdem ich mich nun beide Bücher fertig gelesen habe, will ich mir nun endlich deine buchhändlerische Einschätzung meiner Person darlegen lassen, die dich zu dieser treffenden Wahl geführt hat.
> Eigentlich sollte ich die Berufsgeheimnisse bewahren, vor allem einem Akademiker gegenüber, wo bleibt denn sonst mein Selbstvertrauen? Also halt: Erfolgreicher Buch-Handel heisst Verkauf. Der optimale Fall ist jetzt eingetroffen, du hast beide Bücher gekauft. Um zu diesem Ziel zu kommen, gibt es etliche Möglichkeiten, aber die Voraussetzung ist, dass man rasch ein Kundenprofil erstellt. Das Autoren- und Verlagsprofil hat man schon (jedenfalls die Buchhandels-Generation zu der ich noch gehöre) und dann gilt es nur noch „richtig“ abzustimmen.
Und dein Kundenprofil wäre jetzt das, wonach du fragst. Online-Bekanntschaft bringt ja auch Vorteile, ich weiss, dass du stilsicher bist und darum Ansprüche an die Sprache stellst, ich weiss, was dir gefallen hat (eine der esten Fragen, die man Kunden stellt) und ich kenne deinen Beruf (kann man Kunden nicht so direkt fragen). Du bist Historiker, du kannst einem Buch wie „Nichts in Sicht“ etwas abgewinnen, auch wenn es dir vielleicht nicht gefällt. Jens Rehn schrieb deutsch und literarisch gute Qualität. Auch ist er selber eine historisch interessante Figur, von der es sich lohnt, sie zu kennen. Du wirst die Lektüre also kaum als Zeitverschwendung abtun, selbst wenn dich die Geschichte nicht überzeugt. Ein Tipp mit geringem Risiko also.
Der andere Tipp ist heikler, aber weil du das Grossstädtische magst, Zaimoglu auch original deutsch schreibt und Kiepenheuer & Witsch nicht allzu schlecht lektoriert, könnte es dir trotzdem gefallen. Risiko: Du findest ihn ein Grossmaul und meinst, dass er sich wiederholt, denn du machst mir einen akribischen Eindruck, nicht prinzipiell wohlwollend einem neuen Stil gegenüber. Ich kann mein Risiko mindern, indem ich deines erhöhe. Also, indem ich gleich von Anfang an sage, ich finde das Buch bringt Neues, das dich auch interessieren könnte, aber es ist möglich, dass dir die Verpackung nicht gefallen wird. Bist du „mutig“ und liest es trotzdem? Warst du.
Schindluderei
[Regionales.]
Es ist unklug in der Adventszeit anstatt Recherche Schindluderei mit Bern-Bethlehem zu betreiben. Es gibt Schriftsteller, die müssen in Zukunft auf mein gutes Wort verzichten. Aus Rache.
Was allen Menschen zustehen würde
Eine klebrige Hand, die aus einem teigverkrusteten Pyjamaärmel hervorlugt, weckt mich auf um mir zu sagen, dass jetzt frische Zutaten vom Markt und speziell feines Lebkuchengewürz einer Freundin verbackt werden.
Ich stehe auf. Die Waschmaschine dreht treu ihre Tommel, mein Notebook startet für eine letzte Überarbeitung der Lernziele. Der Timer hat der Kaffeemaschine rechtzeitig ein Zeichen gegeben, mein Handy ist frisch aufgeladen.
Ich schreibe einen morgendlichen Geburtstagsgruss für meine Schwester und amüsiere mich in Gedanken über meine kleine Nichte, die gestern das Meckern gelernt hat. Sie sass auf den Schultern des Onkels und lachte, wie das sonst nur junge Geisslein können. Eine clevere Methode, ihre Muttersprache Berndeutsch und ihre Vatersprache Albanisch zu vereinen.
Als ich die erste Etappe meiner Reformarbeit gemacht und die Wäsche aufgehängt habe, ziehe ich mich ins Bett zurück, um Pamuks Nobelpreisrede zu lesen mir noch einmal zwei Romane anzusehen, die ich besprechen möchte; einen aus Marokko und einen aus Indonesien.
Mitten in der Betrachtung fremder Leben und Leiden rüttelt mich erneut die Zuckerhand und fragt, ob ich nun bitte bei der Dekoration helfe?
Ich lege Rede und Bücher zur Seite. Auf meinem Kissen klebt Teig.
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Was ich von meiner Grossmutter gelernt habe
Sieh zu, dass du stets eine gusseiserne Bratpfanne hast. Vermeide Beschimpfungen, ausser sie seien angebracht. Lass nie die Sonne untergehn über deinem Zorn. Hartes Brot ist nicht hart, kein Brot ist hart. Geben ist seliger denn Nehmen.
Vor einem Jahr war sie noch da und amüsierte sich köstlich über das, was ich mir alles gemerkt hatte. Ihr selber waren die Leitsätze schon nicht mehr wichtig.
Sie hatte vorgesorgt; denn dass die Enkelinnen sich verteidigen können, war ihr ein besonderes Anliegen.
Eine gusseiserne Bratpfanne lagerte über Jahre sauber verpackt im Schrank. Sie war mit einem Zettel für die Nachkommen versehen:
Soll nehmen, wer braucht. Zum Braten. Oder Dreinschlagen.
Tischgespräch [19]
Kind:
Maaaam? Gell, ich bestehe aussschliesslich aus euren Genen?
Mutter:
Das glaub‘ ich nicht. Es gibt doch sicher irgendwie neue Gene für neue Kinder.
Kind:
Gut, aber das wären ja indirekt auch eure, weil Gene ja nicht einfach so aus dem Nichts kommen können.
Mutter:
Können sie nicht?
Mutter: [ruft nach dem Vater.]
Ist es wirklich wahr, dass das Kind direkt oder indirekt nur unsere Gene hat?
Vater:
Soviel mir bekannt ist, schon. Also wir tragen Anlagen mit uns herum, von denen wir nichts wissen, weil sie sich erst in der nächsten oder übernächste Generation bemerkbar machen.
Mutter:
Dann könnte ich also ein Einstein-Gen in mir tragen ohne es zu merken, weil es auf inaktiv gestellt ist? Ich meine, das geht ja schon fast Richtung Hubbard!
Kind:
Ich will kein Einstein-Gen! Aber bis jetzt ist mir an euren Genen sowieso nichts Besonderes aufgefallen.
(Ab)Stimmungssonntag
[Regionales.]
Ich als Linke – ja, ich benutze das Schema nach wie vor – gewinne selten, aber es kommt vor. Meistens sind die Abstimmungssonntage durchzogen. Mal ist das Glas halb voll mit Glück, mal randvoll mit Pech. Das eine Ja kann aus einem völlig anderen Grund enstehen als das andere Ja und es gibt stets derlei und anderlei Neins.
Eidgenössisch habe ich heute gewonnen. Verloren habe ich beim Flughafenausbau und telepathisch – weil ich gar nicht dort stimmberechtigt bin – in einer Gemeinde, die sich eine sehr gute Frau hat entgehen lassen (ein Ergebnis, das mich angesichts der urbanen Siedlungen dort doch etwas erstaunt).
In der Stadt lief es in meinem Sinne (danke, neue Generation!) und die Ablehnung des Trams in meinem Stadtteil ist so haushoch auch wieder nicht ausgefallen.
Nun ist der Zeitpunkt gekommen, an dem wir eine Tramlinie, die durch die ganze Stadt führen wird, auch von der ganzen Stadt beurteilen lassen und kühl bleiben müssen. Sollen die doch wieder das Referendum ergreifen! Bitte sehr! Das wird nämlich anstregend. Das wird nix mit vor dem Dosenbach stehen und Unterschriftenbogen voll. Da muss man sich durchdienen an den Stammtischen von Guttannen und Oberbalm. Mit den 4342 Stimmen contra Tram aus dem Westen ist nämlich noch kein Blumentopf gewonnen.
Basta.
Wenn sich der Basler Intergrationsbeauftragte Thomas Kessler heute zu Integrationsfragen äussert, weht ihm nicht länger ein harter Wind, sondern höchstens noch ein laues Lüftlein entgegen. Weder das eine noch das andere hat ihn je abgehalten, eindeutig zu argumentieren. Basel hat für die Deutschschweiz eine Vorreiterrolle in Integrationsarbeit. Die Gründe dafür sehe ich zum einen darin, dass Basel im Dreiländereck bereits mit der Problematik konfrontiert war, als andere Städte sich noch dem Italiener-sind-ja-so-nett-Schlummer hingaben und zum andern darin, dass Basel wohlhabend ist.
Der Anfang des heutigen Bund-Interviews mit Thomas Kessler hat mir nicht behagt. Ich finde es nicht gut, in öffentlichen Gesprächen Herkunftsländer von negativ Auffallenden zu nennen. Abgesehen davon fällt keine Gruppe in allen Statistiken gleich negativ auf. Und es gibt auch ein negatives Nicht-Auffallen von Volksgruppen, das unserer Gesellschaft und unseren Werten schadet (eine Tatsache, die übrigens oft verkannt wird).
Nun, ich will nicht ins integrative Detail gehen, sondern das zitieren, was auch für mich einer der wichtigsten Schritte ist. Für alle, die in der globalisierten Gesellschaft das Zusammenleben neu lernen.
Was muss der Staat konkret tun?
Eine moderne und proaktive Integrationspolitik betreiben. Das heisst: fördern und fordern ab dem ersten Tag. Sprachkurse, Integrationskurse, Nachhilfeunterricht an den Schulen, das alles gehört zum Bereich Fördern. Hier wird in der Schweiz viel getan. Wer Hilfe braucht, bekommt diese. Gerade von jungen Männern muss aber auch gefordert werden. Sie müssen die Sprache lernen und sich an die hier gültigen Gesetze halten. Basta.
In Frankreich fordert Innenminister Nicolas Sarkozy einen Vertrag zwischen Republik und jedem Immigranten. Wer sich nicht an diesen Vertrag hält, also kriminell wird, muss gehen.
Das ist ein möglicher Weg, den wir in Basel schon lange beschreiten. Letztes Jahr haben wir 30 Leute ausgewiesen. Dazu braucht es nicht schärfere Gesetze. Wir haben in Basel mit Ausländern, die Regeln verletzen, solche Verträge gemacht. Diese Leute können sich nichts mehr leisten. Sonst müssen sie gehen.
Wir haben in unserem Quartierverein bereits seit langer Zeit Verträge. Unabhängig davon, woher der ursprünglich kommt, der die Leistungen des Quartiers beansprucht. Wer zum Beispiel unsere Quartierküche billig oder kostenlos mieten kann, muss einmal oder mehrmals für ein Quartierfest kochen, ob das Pilzfreunde oder Heimweh-Libanesen sind, ist nicht relevant (denn wer kochen will, kann das in der Regel auch – das Risiko Ungeniessbares zu bekommen ist gering und der Schärfegrad verhandelbar). Wenn Jugendliche einen Bandraum einrichten wollen, machen wir nicht nur einen Vertrag, der die Verantwortlichkeiten regelt, sondern auch einen, der den Rückfluss dieser Leistung zurück ins Quartier regelt. Beispielsweise Schnupperstunden E-Gitarre anbieten, am Quartierfest auftreten – machbare Sachen halt. Und wenn es nicht geht? Dann sind wir konsequent. Küche von andern besetzt, Bandraum umfunktioniert. Basta.
Konsequent zu sein ist Übungssache, deshalb ist es so wichtig, dass wir endlich damit anfangen. Verträge kennen nämlich die meisten Leute. Bergbauern hackten ihre Schulden ins Kerbholz, die Sumerer drückten die Vereinbarungen in Keilschrift in die Tontafel. Und weil Verträge in der Quartier- und Integrationsarbeit individuell abgeschlossen werden, können sie auch eingehalten werden, von beiden Seiten. Ich hatte vor einigen Jahren mit einer Familie, deren Sohn ich in Freiwilligenarbeit unterrichtete, einen Pünktlichkeits-Vertrag. Mit drei Jokern natürlich, denn ein Verhaltensvertrag ohne die Möglichkeit sich zu verbessern, ist das Papier nicht wert. Der Vertrag wurde von meiner Seite erfüllt, das Kind bekam von mir eine kleine Uhr. Leider hat die Familie das Kind von der Pünklichkeit abgehalten und ich musste ihm absagen. Weil es ein Musterbeispiel der Chancenungleichheit war, schmerzt es mich heute noch. Aber an Abmachungen müssen wir uns halten, das fordert das gewaltfreie Leben. Basta.
Von allen Luxusproblemen das gemeinste
Nach ein paar Stunden Putzarbeit (sehr befriedigend, da sehr schmutzig) bleibt noch eine Stunde bis zu meinem ersten Ausgang mit Freundin seit mindestens hundert Jahren. Essen und Konzert.
Es ist regnerisch und windig und ich bin lange unterwegs, deshalb muss es eine Jeans sein. Aber ich kann doch nicht eine aus dem Versandhauskatalog anziehen – ich meine, das ist Zürich! Da laufen Leute rum, die sehen aus dem Augenwinkel, ob man eine Seven oder eine Pepe trägt.
Ich bediene mich beim Mann, der mich modemässig um Meilen schlägt. Um seine Freigebigkeit nicht unnötig zu strapazieren, nehme ich die älteste Pepe. Sitzt, passt, nur etwas lang, ist aber unten eh schon abgelatscht. Kontaktlinsen rein, ein Taschenbuch, ein Portemonnaie, ein Handy – fertig und – Wunder über Wunder – supergut im Zeitplan.
Da mach ich doch schnell einen kleinen Gute-Laune-Handstand und – krack! – Jeans im Schritt gerissen.
Als Nichtraucherin in Teddy’s zu dem? Undenkbar! Dem Mann noch ein zweites Paar ausreissen? Unmöglich!
Reparatur. Aber schnell.