Schöne Ferien gehabt?

Gewiss, gewiss. Viel gelesen, viel geschwommen, mehr Familie, weniger Kleider, langsamere Welt. Und meinen Unterricht habe ich soweit vorbereitet, dass er nicht in meinen schuladminstrativen Aufgaben untergehen kann.
Zur Lektüre:

  • Begley, Louis: Ehrensachen / Suhrkamp
  • Angefangen, aufgeschoben und dann doch nicht gelesen, obwohl ich am Ende noch dringend ein Buch gebraucht hätte. Ich konnte einfach keine amerikanische Literatur mit Schauplatz Campus mehr verarbeiten. Habe statt dessen in der Campingbibliothek einen Krimi von Ludlum geholt. Schauplatz? Campus.

  • Huonder, Silvio: Dicht am Wasser / Nagel & Kimche
  • Es gibt nur wenige Leute, denen ich das Buch empfehlen würde, aber ich fand es gut. Es ist ein Sittengemälde heutigen Familien- und Ehelebens in der Mittelschicht. Der rote Faden ist – originell und doch ernsthaft – eine Art Jockl-Motiv, ausgelöst durch eine aussereheliche Beziehung.

  • Indridason, Arnaldur: Frost Nacht / Lübbe
  • Nicht lesenswert, der Plot war problemlos zu erraten und wurde der Campingblibliothek gespendet.

  • Kristof, Agota: Die Analphabetin / Piper
  • Ein Requiem auf die Muttersprache; ein Essay über Kristofs brutalen, ganz bewusst erlebten Abschied vom Ungarischen zugunsten des Französischen. Als Sprachmensch hat sie von Anfang an auf die Exilsprache gesetzt. Diese Entscheidung versträkte den Schmerz der Immigration, brachte ihr aber auch den Erfolg und die Existenzgrundlage.

  • Levi, Primo: Die Atempause / dtv
  • Ich kann einfach nur immer allen empfehlen, Levis Erinnerungen (wieder) zu lesen. Er gehört zu den Autoren, für deren Zeugnis Europa nie dankbar genug sein kann. Das hier ist die Geschichte seiner Rückkehr aus Auschwitz nach Turin. Neun Monate dauerte die Reise – oder eher der Transport – über Russland, Rumänien, Ungarn, Österreich und Deutschland. Levi hat Daten, Zeiten, Orte, Distanzen, Wetter, Menschen genau beobachtet und behalten, um alles aufschreiben zu können für die Nachwelt, für uns.

  • Lucarelli, Carlo: Der trübe Sommer / Piper
  • Für mich eine Neuentdeckung. Während des Krieges im faschistischen Italien vielseitig eingesetzt, wird De Luca im April 1945 wieder zum Commissario und soll wieder „normale“ Mordfälle lösen. Zu Kriegsende muss er dann doch vor den Partisanen flüchten. Er wird erkannt und von einem ländlichen Polizisten dahingehend erpresst, für ihn – den Unerfahreren – einen Mordfall zu lösen. Interessant ist nicht in erster Linie der Kriminalfall, sondern die Gratwanderung des Commissario.

  • Picoult, Jodi: 19 Minuten / Piper
  • Im Stil für meinen Geschmack etwas zu „amerikanisch“ (diese Bücher schreien ja immer „ich will verfilmt werden!“), aber empfehleswert. Eher ein Jugendbuch und gerade deshalb eine Ausnahme, weil es differenziert (und weder fromm noch einseitig) das Thema aufnimmt, welches Leben einem Amoklauf vorausgehen könnte. Gut, wenn solche Bücher Bestseller sind.

  • Priess, Ursula: Sturz durch den Spiegel / Ammann
  • Als Sekundärliteratur (die Autorin ist die Tochter von Max Frisch und schreibt darüber) kaum zu entbehren. Als Roman zu dürftig, um gut zu sein.

  • Roche, Charlotte: Feuchtgebiete / Dumont
  • Gern gelesen, auch wenn die Handlung an den Haaren herbeigezogen ist und ausser der Protagonistin nur wenige Charaktere gelungen sind. Trotzdem: Tolle Antithese in einer Zeit, wo Hygiene alles ist und unsereins sich kaum mehr in eine Sandale traut, ohne vorher eine Stunde in die Nägel investiert zu haben. Das ist Popliteratur!

  • Schlink, Bernhard: Selbs Mord / Diogenes
  • Schlink, Bernhard: Selbs Betrug / Diogenes
  • Schlink, Bernhard: Selbs Justiz / Diogenes
  • Ich habe mich ehrlich gesagt durchbeissen müssen. Habe aber den Protagonisten, den alten Selb, ins Herz geschlossen und deswegen alle Bände mehr oder weniger gelesen.

  • Xiaolong, Qiu: Blut und rote Seide / Zsolnay
  • Xiaolong lässt nicht nach. Ein wichtiges Element in diesem Band mit Inspektor Chen ist die brutale Kochkunst, deren Hauptzweck es ist, den Eingeladenen zu schockieren. Sehr lesenswert.

  • Zeh, Juli: Corpus Delicti / Schöffling & Co.
  • Ist ein bedrückendes Buch über einen Prozess gegen eine Frau in der Gesundheitsdikatur. Meistens dachte ich schon „Science Fiction“ bei dieser Lektüre. Aber wenn ich dann die Gesundheitsdiskussion wieder mitverfolge und Forderungen wie die von Herrn Hoppe lese, bin ich nicht mehr so sicher. Gegenwartsliteratur, die ich nur empfehlen kann.
    Zuletzt noch: Dass Frank McCourt gestorben ist, finde ich richtig blöd. Er war so witzig auf der Buchmesse, er konnte toll vorlesen, er kam gut ohne das Campus-Thema aus und „Teacher Man“ ist wohl eines der wenigen Bücher über das Lehrerleben an Mittel- und Berufsschulen. R.I.P.

    David Rieff, Tod einer Untröstlichen

    David Rieff, Tod einer Untröstlichen
    David Rieff
    Tod einer Untröstlichen
    Die letzten Tage von Susan Sontag
    Hanser 2009
    ISBN 978-3-446-23276-1
    Originaltitel:
    Swimming in a sea of death.
    A son’s memoir

    Ich wusste noch nicht, ob mir dieses Buch gefiel, als ich die Hälfte davon gelesen hatte. Trotzdem stellte sich nie die Frage damit aufzuhören. Der besondere Sog, der Autoren gelingt, die ihre Geschichten sonst in Zeitungen unterbringen müssen, mag dazu beigetragen haben, aber eigentlich war es doch der Inhalt, der mich am Ende tief beeindruckt zurück liess.
    Wie kann das sein, wenn ein Sohn über das Sterben seiner Mutter erzählt, ohne etwas über seine Beziehung zu ihr verlauten zu lassen? Wie soll man 160 Seiten über Diagnosen, Statistiken, Tagebucheintragungen, Freundschaften, vergangene Krankheitsgeschichten und ihre essayistische Verarbeitung gerne lesen?
    Ich weiss es nicht und empfehle es weiter.
    (Vielleicht amore.s? Weil Sontags unerschütterliche Liebe zum Leben zu Ciorans Absage an selbiges gar nicht so kontrastiert, wie ich bisher angenommen hatte. Die beiden waren ja befreundet und liegen heute nahe voneinander – aber doch in entgegengesetzter Richtung – auf dem Friedhof Montparnasse.)

    Abschlusslektion

    In den letzten Unterrichtsstunden versuche ich mit jedem Jahrgang etwas anderes zu machen. Denn die Branche ist klein genug, dass es sich schnell herumspricht, wenn eine Lehrerin immer gleich abschliesst. Dies‘ Mal hatte ich zwei Zeitungsartikel vom Lehrbeginn dabei, einmal Gratiszeitung (Madonna modelte 2006 für H&M), einmal Berner Tageszeitung (Iris Radisch war gerade neu beim Schweizer Literaturclub).
    Danach habe ich „10 unverzichtbare Bücher“ aus meinem pädagogischen und buchhändlerischen Leben empfohlen. Und hätte ich gewusst, wie viele das interessiert, hätte ich eine Literaturliste abgegeben. Ich hole das hiermit nach, beschränke mich aber auf die Daten, die für Buchhändler wichtig sind:

  • Reclams Zitatenlexikon 978-3-15-010491-0
  • … weil seit Internet verdammt viel falsch zitiert wird.

  • Reclams Lateinisches Zitatenlexikon 978-3-15-010478-1
  • … weil dito.

  • A.S. Neill, Theorie und Praxis der antiautoritären Erziehung 978-3-499-60209-2
  • … weil das das beste Buch über Freiheit und Zwang ist.

  • A. Guggenbühl, Anleitung zum Mobbing 978-3-7296-0754-5
  • … weil hier unter Verzicht auf Ratgeberstil erklärt wird, was alles unsere Handlungen in Schule und Arbeitswelt bestimmt.

  • F. McCourt, Tag und Nacht und auch im Sommer 978-3-442-73750-5
  • … weil das eines der wenigen Bücher ist, die auf „meine“ Schulstufe und „mein“ Publikum eingeht: Orientierungssuche auf allen Seiten.

  • Ph. Roth, Der menschliche Makel 978-3-499-23165-0
  • … weil eine Buchhändlerin von heute Philip Roth und diesen heftigen Mix aus Uni, US-Geschichte und Polit-Trends kennen sollte.

  • M. Janison, Sunwise Turn 978-3-938740-24-8
  • … weil es zum Thema Buchhandlungsgründungen im lezten Jahrhundert das Beste ist.

  • H. Vinke, Das kurze Leben der Sophie Scholl 978-3-473-58011-8
  • … weil das meines Wissens eines der wenigen Dokumente ist, das auf den Buchhändler Josef Soehngen verweist, bei dem die WEISSE ROSE oft ihre Flugblätter gedruckt hat.

  • R. Rothmann, Feuer brennt nicht 978-3-518-42063-8
  • … weil diese Liebesgeschichte zwischen einer Buchhändlerin und einem Autoren wider Erwarten so gar nicht seicht, sondern sehr lesenswert ist.

  • H. Rowohlt, Der Kampf geht weiter! 978-3-0369-5133-1
  • … weil diese nicht weggeschmissenen Briefe mehr über die Buchbranche erzählen als so manches Fachbuch.

    Zu Frau Kalékos Geburtstag

    ein Kindergedicht zur Wäsche. Weil andere Blogs auch waschen. blogk im Speziellen Teppiche. Und die kaltmamsell bügelt und grübelt über Erbsünde.
    Das Gedicht ist aus dem längst vergriffenen und vergessenen Kindergedichtband „Wie’s auf dem Mond zugeht“, erschienen bei Blanvalet, aus der Garamond Antiqua auf der Monophoto bei Fotosatz Tutte in Salzweg bei Passau gesetzt und im Herbst 1971 bei August Raabe in Berlin gedruckt.

    Grosse Wäsche aus: Wie's auf dem Mond zugeht

    Roberto Saviano, Das Gegenteil von Tod

    Roberto Saviano, das Gegenteil von Tod
    Roberto Saviano
    Das Gegenteil von Tod
    Hanser 2009
    ISBN 978-3-446-23335-5

    Es ist mir unangenehm, ein Buch über Krieg als „gut“ zu bezeichnen. Aber was ist die Alternative? Dies hier ist gar kein Buch, es wurden bloss zwei Reportagen zu einem gemacht, weil der Autor inzwischen berühmt ist:
    Il contrario della morte. Ritorno da Kabul (erstmals erschienen in der Reihe: „I Documenti del Corriere della Sera“ in Mailand) und Ragazzi di coca e di camorra (erstmals erschienen in „L’espresso“).
    Die erste Reportage handelt von Maria: siebzehn Jahre alt, aus einem süditalienischen Dorf, besessen von Afghanistan und befreundet nur mit ihresgleichen, alle jung, zurückgelassen, eingenommen vom Krieg. Denn ihre Freunde, Brüder, Ehemänner aus der Region haben zwei Verdienstmöglichkeiten: organisiertes Verbrechen oder organisierter Krieg, Marias Verlobter hat die zweite gewählt. Er kommt in Stücken zurück, Maria darf in die Leichenhalle, aber der Bruder des Toten hält ihr die Augen zu.
    Maria schaut vorwärts, obwohl ihr jeder Grund dazu fehlt. Saviano erzählt von ihr als einem Mädchen, das merkt, dass alles zusammenängt in der Welt, als einer Frau, die beschliesst, dass die Liebe nie umsonst ist.
    Die zweite Reportage ist die Beschreibung zweier Morde als Folge eines eher unmotivierten Bandenkrieges, zu dem das Blutvergiessen halt dazu gehört. Der Leser lernt den Ich-Erzähler kennen, seine Kindheit, seine Verwandten, das Dorf, die Piazza, die geplanten Opfer, die schlussendlichen Opfer und verharrt am Ende als Zeuge der Tötung, der Hintergründe, der Vorurteile.
    Es sind die kleinen Formen, die spärlichen Bewegungen im Satz, das Einheimische zwischen den Zeilen die die beiden Geschichten so lesenswert machen. Saviano hat noch kein grosses Werk, aber ich bleibe nach diesen siebzig Seiten überzeugt, er ist ein Meister seines Faches.

    Rupien! Rupien! oder Slumdog Millionaire

    [Keine Besprechung. Nur kurz vor der der Academy, meine Meinung.]
    Wir haben Vika Swarups Rupien! Rupien! (Originaltitel: Q & A) vor gut zwei Jahren gelesen, als wir ein paar Tage in den Bergen waren. (Ich wähle berufsbedingt die Ferienlektüre für die ganze Familie aus, ich kenne die Vorlieben. Jedenfalls hat noch keiner Anstalten gemacht, etwas daran zu ändern.) Danach haben wir das Buch mit besten Empfehlungen weiter verschenkt und das inzwischen bereut, weil es in unserer Bibliothek fehlt.
    Denn das Buch ist gut. Besonders meinem ambivalenten Verhältnis zu Indien kommt es sehr entgegen, es vereint Dramatik und Pragmatik, die meine Erinnerung an das Land prägen. Auch die Züge, mit denen ich Indien als Kind bereist habe, spielen eine wichtige Rolle. Ich weiss nicht, ob der Autor es bezweckte, aber da er Diplomat war, könnte es schon sein, dass Swarup hier sein Land erklären wollte. Ob Absicht oder Zufall: Mit der Übersetzung in über dreissig Sprachen und der erfolgreichen Verfilmung ist es passiert.
    Des Protagonisten Begründungen, warum ausgerechnet er als „Slumdog“ bei einer Quizshow gewinnen konnte, machen die Rahmenerzählung aus. Keine seiner Erklärungen ist naheliegend, die lehrreichen Ereignisse, die ihn die Fragen richtig beantworten liessen, waren ebenso zufällig wie gnadenlos.
    Aus der Jahrtausende alten indischen Tradtion wurde hier – wie in jedem Bollywood-Streifen – die Liebesgeschichte übernommen. Die Liebenden sind die Guten, alle anderen Figuren haben verschiedene Gesichter, jedes strahlende Lächeln kann sich schnell in eine Fratze verwandeln.
    Auch der Film „Slumdog Millionaire“ ist gelungen. Beschreibungen, die literarisch besonders stark sind, nehmen in der Verfilmung ebenfalls einen wichtigen Platz ein. Die Besetzung wurde im Vergleich zum Buch reduziert oder geändert, warum das ausgerechnet zulasten der Frauenfiguren sein musste, leuchtet mir allerdings nicht ein.
    Das Klassendenken, dieser unbedingte Wille zur Ausgrenzung, die Indien schon so lange lähmen, sind in Film wie Buch präsent. Jedoch nie so, dass die Unterhaltung ins Stocken gerät und der mitfiebernde Leser oder Zuschauer sich belehrt fühlt oder gar Grund zur Überheblichkeit erhielte.
    Mich haben Buch wie Film viel gelehrt, gut unterhalten und bestätigt: In Indien ist ein Mensch alles – ein Star – oder nichts – austauschbar.

    Lesen über das Lesen

    In der nächsten Ausgabe unserer Schulzeitung geht es um das Lesen und ich bereue inzwischen, so etwas Gigantisches zum Thema gemacht zu haben. Ich dachte, dazu habe jeder etwas zu sagen und die Seiten füllten sich schnell. Aber einfacher macht es die Redaktionsarbeit – mein nächtliches Hobby – dann doch nicht.
    Heute Abend habe ich zehn Bücher herausgesucht, die mir persönlich Anregung waren, über mein Lese- und Schreibverhalten nachzudenken, ja, es vielleicht sogar zu verändern oder wenigstens zu begründen. (Ruiz „Der Schatten des Windes“ ist nicht so mein Geschmack und auch Moers „Die Stadt der träumenden Bücher“ haute mich nicht um. Fantasy-Wälzer, in denen Bücher eine Hauptrolle spielen, sind für mich eher Gebrauchtsgegenstände wie Krimis oder der Pschyrembel.)
    Hier die Titel aus meiner Bibliothek, in denen ich etwas Neues über mein Lesen und das Lesen im Allgemeinen entdeckt habe (Daniel Pennac lasse ich nur weg, weil seine unentbehrlichen Regeln hier schon mehrmals Erwähnung fanden):

  • Auf Lesereise
    Was unterwegs alles schiefgehen kann. Wahre Geschichten. Hrsg. v. Klaus Bittermann
    2004 Edition Tiamat
    ISBN 978-3-89320-072-6
  • 112 einseitige Geschichten
    Hrsg. v. Franz Hohler
    2007 Luchterhand Literaturverlag
    ISBN 978-3-630-62000-8
  • Verse auf Leben und Tod
    von Oz, Amos;
    2008 Suhrkamp
    ISBN 978-3-518-41965-6
  • Eine Geschichte des Lesens
    von Manguel, Alberto;
    Große illustrierte Ausgabe
    2008 S. Fischer
    ISBN 978-3-10-048752-0
  • Der Leser. Das Erzählen – Frankfurter Poetik-Vorlesungen
    von Bichsel, Peter;
    1997 Suhrkamp
    ISBN 978-3-518-39143-3
  • Die Kunst des Unmöglichen oder Jedes Ding hat (mindestens) drei Seiten
    von Hamm, Peter;
    Aufsätze zur Literatur. Edition Akzente 282 S. 20 cm 335g , in deutscher Sprache.
    2007 Hanser
    ISBN 978-3-446-20872-8
  • Das Wilde und die Ordnung
    von Matt, Peter von;
    Zur deutschen Literatur. 292 S. 23 cm 520g , in deutscher Sprache.
    2007 Hanser
    ISBN 978-3-446-20840-7
  • Die souveräne Leserin
    von Bennett, Alan;
    2008 Wagenbach
    ISBN 978-3-8031-1254-5
  • Lolita lesen in Teheran
    von Nafisi, Azar;
    2008 Goldmann
    ISBN 978-3-442-15482-1
  • Dossier K.
    von Kertész, Imre;
    Eine Ermittlung.
    2008 Rowohlt TB.
    ISBN 978-3-499-24207-6
  • Groothuis, Wie kommen die Bücher auf die Erde?

    Groothuis, wie kommen Bücher auf die Erde?
    Wie kommen die Bücher auf die Erde?
    Über Verleger und Autoren, Hersteller, Verkäufer und
    das schöne Buch
    Überarb. u. erw. Neuausgabe / DuMont 2007
    ISBN 978-3-8321-8046-1

    Ein Sachbuch nach meinem Geschmack. Aber ich bin bei Groothuis nicht objektiv, die Salto-Reihe, die er in seiner Zeit bei Wagenbach konzipiert hat, gehört zum Formvollendedsten, das mir in meiner Laufbahn begegnet ist.
    Viele hier Mitlesende kennen den Buchhersteller Groothuis von seinen Kolumnen im „Schweizer Buchhandel“, aber auch allen anderen sei gesagt: Wenn der Mann sich über den „3D-Körper namens Buch“ äussert, weiss er, wovon er spricht. Ob zum Thema Verlegen, Warenkunde oder Buchgestaltung, Groothuis Beschreibungen entsprechen seinem Credo: Lese(r)freundlichkeit sowohl äusserlich, haptisch, typographisch wie inhaltlich.
    Dieses Buch erkärt an seinem eigenen Körper (O-Ton: „Schon sind Sie in der Titelei„) was ein Buch ist. Einmaliges Bildmaterial wie das Foto der Zettelchen im Lesebändchenlager („1000 m Leseband weiss f. Klett, Tochter des Frühlings“) zeugen von täglicher Freude am Büchermachen. Der riesige Zitatenschatz von Buchmenschen aus verschiedensten Zeiten und beeindruckende Kenntnis der Buchgeschichte zeigen Groothuis‘ Sachverstand. Er ist sicher, dass die Zukunft des Buches seine Vergangenheit ist und das Verlegen der Ursprung jeder wichtigen Veränderung:

    Ein Buch ist nicht ohne seinen Inhalt, ein Verlag nichts ohne seine Autoren, die Autoren nichts ohne ihre Leser – und ob die abhanden kommen, ist keine Frage an die weitere Entwicklung der elektronischen Medien. Sondern eine Frage an die Verlage. Nach ihren Programmen und nach dem Selbstverständnis, mit dem sie Bücher machen.

    „Groothuis, Wie kommen die Bücher auf die Erde?“ weiterlesen

    Jean-Noël Jeanneney, Googles Herausforderung

    J-N Jeanneney, Googles Herausforderung
    Jean-Noël Jeanneney
    Googles Herausforderung
    Für eine europäische Bibliothek
    Wagenbach Taschenbuch 2006
    9783803125347

    Google hat im Jahr 2005 ohne Zustimmung begonnen, urheberrechtlich geschützte Werke ins Netz zu stellen. Auf die Reaktionen von Autoren und Verlagen versprach Google, die Verbreitung einzustellen, sobald sich der Urheber daran störe. Google minimierte das Urheberrecht zum nachträglichen Einspruchsrecht (Joachim Günter in der NZZ vom 4. November 2008). Das war Jeanneneys Motivation für dieses Buch. Für mich geht es im Folgenden weniger um eine Besprechung, als darum, meine eigenen Sorgen darzulegen. In der Diskussion um die ohnehin verlorene Preisbindung und den wachsenden E-Book-Markt droht der Urheber nämlich unter zu gehen.
    Ich wurde später als Jeanneney auf das Geschäft mit dem „digitalisierten Wissen“ aufmerksam. Für mich wurde es im Oktober 2005 zum Thema, als Google sich an der Buchmesse der Diskussion stellte, die sich aus der Ankündigung ergeben hatte, es würden in sechs Jahren 15 Millionen gedruckte Bücher gescannt. Die Google-Vertreter (z.B. Adam Smith von Google Book Search) stritten dabei die Exklusivitätsansprüche auf das Wissen der Welt nicht einmal ab, sie verkauften sie bloss als ein Menschenwohl, gegen das Europa sich hinterwäldlerisch sträubte. Und ich fragte mich:

  • Welche Bücher, welche nicht?
  • In welchen Sprachen?
  • Was ist mit dem Copyright?
  • Jeanneney stellt die gleichen Fragen eloquenter und mit bibliothekarischem Wissen angereichert. Seine Lieblingsthemen sind die Erschliessung durch Volltextsuche und die europäischen Sprachen. Der Buchmarkt von Amerika und Europa ist ungleich, denn Amerika liest fast nur im Original (97%), Europa grösstenteils Übersetzungen. Damit begründet der Autor vor allem, dass „Old Europe“ sich der Scannerei schon rein sprachtechnisch nicht einfach anschliessen konnte. Auf der Grundlage der Informationswissenschaft entwirft er Pläne für den umfassenden Zugang zu digitalisierten Büchern, ohne Autoren und Qualität zu meucheln.
    Für ihn sind europäische Sprachen und Suchmöglichkeiten Ergebnisse jahrhunderte langer Arbeit und Teil unserer Identität. Das klingt romantisch, aber nur bis das Internet von Menschen befüllt wird, die nur Internet kennen.
    „Googles Herausforderung“ ist heute noch visionärer als es das bei seinem Erscheinen war. Inzwischen stehen Google Book Search eine Mehrheit der US Titel zur Verfügung, gerade neulich hat die weltgrösste Verlagsgruppe Random House die ihren überlassen und einen Gerichtstreit mit Google beigelegt. Die Verlage und Google sorgen mit ihren gegenseitigen Abkommen dafür, dass Millionen Menschen der Zugang zu Millionen Bücher gewährt ist. Wer kann da schon dagegen sein?
    Man nennt diese intransparenten Deals gerne pragmatischen Umgang mit dem Urheberrecht. Und schliesslich hat Google schon 125 Millionen Dollar springen lassen, um die Kosten bereits begangener Urheberrechtsverletzung zu begleichen und ein Register für urheberrechtsgeschützte Titel zu schaffen. Das Geld fliesst zwar, aber nur in Mini-Prozentsätzen oder nach Prozessen in die Kasse der Urheber. Trotzdem rechne ich mit baldiger europäischer Kooperation.
    Gesetze entstehen und vergehen, das war immer so und ist auch richtig. Die Frage, warum in einer Zeit, in der nach Innovation, Change und Quality geschrien wird, ausgerechnet das Copy Right ins Gras beissen muss, bleibt offen.
    Wir haben eine digitale Welt zu gestalten und dazu gehören Bücher. Dass wir dabei gierig und überfordert sind, macht uns blind für die Gefahr: Halbherzige Digitalisierung entfernt uns von Wissen. Für umfassende Digitalisierung ist Wissen Voraussetzung.