Der 9. im Monat scheint langsam als Tag des Lobes auf die schweizerische Leserbrief-Kultur in meine Agenda einzugehen.
Gestern war es wieder soweit, dass ein weder verwandter noch verschwägerter Herr Rüegsegger mir einen grossen Gefallen erwies und mich vom Verdacht, paranoid zu sein, freisprach. Unwissentlich und in seinem Leserbrief im Bund vom 8. Dezember 2005.
Ich muss sagen, ich habe grosse Probleme mit der Misch-Position, die von Rüegsegger, aber auch von Teilen der SP und CVP vertreten wird. Persönlich bin ich für eine vollständige Liberalisierung, da inzwischen ein hinreichender Wettbewerb spielt; im Fall von Netzwerken kann ich aber auch das „Service Public“-Argument nachvollziehen (Stichworte: Grundversorgung, Sicherheit, Zuverlässigkeit, Vermeiden von Doppelspurigkeit). Nur sehe ich definitiv keinen Grund, warum die Schweiz in neokolonialistischer Art den Service Public in andern Ländern übernehmen soll. Nur um das Ego von Herrn Alder zu befriedigen, der auch gerne zu den Grossen gehörte?
Telekommunikation ist nun mal eine sehr risikobehaftete Branche, was man gut sieht, wenn man den Aktienkurs etwas über länger Zeit anschaut. Dann wird man auch feststellen, dass der in den letzten Tagen an der Börse „vernichtete“ Wert von einigen hundert Millionen Franken nicht besonders gross ist relativ zu dem, was z.B. diesen Frühling passierte, als der Kurs innerhalb zweier Monate von 470 auf 410 Fr. gefallen ist, ohne dass jemand etwas gesagt hätte. Trotz der – zugegebenermassen sehr unprofessionellen – Kommunikation der letzten Tage fiel der Kurs bloss von 425 auf 399 Fr., inzwischen liegt er bei 412 Fr. Dabei ist es klar, dass der Kurs fällt, wenn jemand kundtut, dass er bald in grossem Stil Aktien verkaufen wird, das lässt sich gar nicht vermeiden.
Sehr ähnlich wie Christoph äussert sich Matthias Finger, Professor für das Management von Netzwerkindustrien in der gestrigen Ausgabe von „Der Bund“.
Mein Thema ist vor allem das Motiv eines mehr denn je bürgerlich dominierten Bundesrates und eines PR-gewohnten Grossmauls zu finden, sich so plump zu äussern, dass das Unternehmen, das er verkaufen will an Wert verliert, auch wenn das vielleicht nicht so schlimm war. Danke übrigens Christoph für die Zahlen, ich war da nicht auf dem neusten Stand.
Finger auf die Frage: „Wie beurteilen Sie (…) das Vorgehen des Bundesrates?“
Nett wäre gewesen, er hätte in paar Vermutungen angestellt. Aber das wird ja lieber thumben Leserbriefschreibern und verärgerten Bloggerinnen überlassen.
Merci für den Hinweis. Seit ebund abgeschafft wurde (und ich nicht mehr in Bern wohne), lese ich leider den Bund nur noch sporadisch beim Café.
Der Gewinner der Affäre ist jedenfalls einmal mehr Blocher, über niemanden sonst spricht man pausenlos. Schädlicher noch als dessen Äusserung fand ich Jens Alders Behauptung, bei einer Privatisierung würde die Swisscom innert Jahresfrist von einem ausländischen Unternehmen geschluckt. Das zeugt nicht gerade von viel Selbstvertrauen des CEO, dem Insider par excellence, in das eigene Unternehmen. Offenbar meint er, Ausländer könntne die Swisscom effizienter führen… Bis aber die Swisscom wirklich privatisiert wird, sind die Äusserungen sowieso längst vergessen.
Die Details der Swisscom sind nicht mein Feld, weil ich darüber zu wenig weiss und dann immer in grundsätzliche Privatisierungsfragen abschweife, was in Blogbeiträgen interessant/witzig/ärgerlich/genau richtig sein kann, aber in politischen Diskussionen eher erschwerdend wirkt.
Deshalb bleibe ich bei meinem Thema: Der PR-Mann im Bundesrat. Der – das sehe ich auch so – wieder einmal zu den Gewinnern gehört, von dem man mir bitte nicht erzählen soll, er würde sich unüberlegt verhalten. Denn wenn Blocher etwas abgeht, dann ist es die Unüberlegtheit oder gar Spontaneität. Auch wenn’s so aussieht beim Schwingfest: Alles, alles, alles nur Mache.