Fredrik Peeters,
Blaue Pillen
Reprodukt 2006
978-3-838511-62-6
Originaltitel: Pilules Bleues
Selten wurde eine Comic-Neuerscheinung so häufig und positiv besprochen. Aber richtig gute Besprechungen gabs dann doch nicht. Die Rezensenten, die den Ton getroffen haben, haben den Inhalt falsch wiedergegeben, und die, welche wirklich genau gelesen haben, hatten nur einen Blick für Aids.
Mag zwar sein, dass das Buch ohne die Krankheit nicht geschrieben und gezeichnet worden wäre. Aber es ist trotzdem mehr als ein Buch über HIV und Aids.
Es ist konsequent hohe Kunst, wie man sie heute ab und zu gerade im Genre Comic findet. Manchmal kommt mir diese Jahrhundertwende ein bisschen wie die letzte vor. Eine Zeit, in der eine neue Gattung auf die Spitze getrieben wird. Anstelle der Novelle ist es nun die grafische, die (auto-) biografische Novelle.
Fredrik Peeters Kunst muss man nicht erkennen um das Buch zu lieben, aber schaden tut’s nicht. Dieser Zeichner hat die Perspektiven im Griff. Die Figuren treiben durch das Bild, sie schieben sich hinein und hinaus, vor Gegenstände und dahinter. Mit seinem aussergewöhnlichen Wechselspiel von Selbst- und Fremdwahrnehmung hat Peeters einen Meilenstein gesetzt. Klein aber gültig. (In Französisch schon vor fünf Jahren, endlich übersetzt.)
Es ist eine autobiografische Geschichte. Cati läuft dem Ich-Erzähler-Zeichner ab und zu über den Weg, mal zu angenehmen Anlässen, mal zu unangenehmen Zeiten. Als er sie richtig kennen- und verstehen lernt, hat Cati einen kleinen Sohn und beide haben HIV. Die „blauen Pillen“ stehen für die Therapie, die bei Catis Sohn begonnen werden müsste. Und die ihr selber Sex ohne Gummi ermöglichte, wenn auch sie damit anfangen würde. Bei ihrem Sohn stimmt sie schweren Herzens zu. Selbst will sie nicht – wollen sie beide Liebenden nicht – „kapitulieren“.
Aber wenn das Buch Musik wäre, so wäre Aids nur die Tonart. In anderen Zeiten und Werken ist es der Krieg, die Flucht oder die nicht angemessene Herkunft, die Paare zwingt, sich auf das Wesentliche zu besinnen, Witz in den Ernst des Lebens zu mischen, Kleinigkeiten zu schätzen und Kleinlichkeiten zu lassen.
Es ist eine Liebesgeschichte, die ihresgleichen sucht. Ich bezweifle, dass ich seit „Schloss Gripsholm“ etwas empfehlen könnte, das so selbstverständlich am Kitsch vorbei geht und so nah ans Glück herankommt.
Nur weil ich weder Peeters noch Schloss Gripsholm kenne, will ich nicht keinen Kommentar schreiben. In deinem Blog les ich mich einfach manchmal von Bildungslücke zu Bildungslücke. Aber dein Valentinstag-Bericht hat mich neugierig gemacht.
Schwesterherz, ich habe natürlich beide Bücher und leih‘ sie dir sehr gerne. Beides ist schnell gelesen und lohnt sich wie gesagt.