Das Kind und ich jubeln, wenn das Wahlcouvert kommt. Aber Vorsicht! Es darf daran nur die Perforierung geöffnet werden. Denn wer brieflich wählt, verwendet das gleiche Couvert, um seine wertvolle Stimme darin abzuschicken. Zum Beispiel wir.
Das Kind macht also das Couvert sorgfältig auf und stürzt sich dann auf das sogenannte „Propagandamaterial“. Dieses ist deutlich angeschrieben und extra in einem Plastik eingeschweisst, damit niemand es mit den amtlichen Wahlzetteln verwechselt. Denn das Wählen in der Schweiz erfordert bereits genug Fähigkeiten (Lesen) und Fertigkeiten (Perforierung), als dass man der Bürgerin und dem Bürger eine weitere Hürde (Unterscheiden) zumuten wollte.
Nachdem es die Prospekte ausgebreitet hat, veranstaltet das Kind mit mir eine Raterunde. Ich kriege maximal drei Sätze aus einem Wahlprospekt vorgelesen und rate, wer dahinter steckt. Wenn ich nicht alle Sätze brauche, bleiben mir nicht vorgelesenen als Joker für einen anderen Prospekt. Dieses Jahr bin ich leider reingefallen. Bei der Männerpartei. Dabei hat das Kind es mir leicht gemacht und ziemlich am Anfang gelesen. Doch ich dachte, das sei ein Witz. Deswegen habe ich alle meine Joker bei der Männerpartei beerdingt und verloren.
In einem Land mit Milizparalament und Milizarmee werden natürlich auch die Stimmen durch Bürgerinnen und Bürger gezählt, welche nach einem mir nicht bekannten Zufallsprinzip auserkoren werden. In meinem Wahlkreis gibt es dazu Orangensaft und ein Appenzeller Biberli. Von unserer Familie muss niemand zählen, was gut ist, denn bei Wahlen dauert das Zählen länger als bei Abstimmungen.
Die Nationalratswahlen sind auch heuer wieder von einer offiziellen Anleitung („Auf eine farbige Schweiz“) im Wahlcouvert begleitet, welche auch kulant an Schulen verteilt wurde (ich beige wacker hin und her).
Es ist ein Kinderspiel herauszufinden, was „Panaschieren“ und „Kumulieren“ heisst. Wann man darf und wann nicht ist etwas weniger augenfällig, aber man kann telefonieren. Dafür ist in der Regel selbständig zu ermitteln, wer politisch wo steht und wirkt. Bei den Bisherigen sowieso, aber auch bei den Neuen (jedenfalls den ernstzunehmenden). Dies weil viele von ihnen bereits in einem städtischen oder kantonalen Parlament sind.
In der ganzen Aufklärungskampagne unvermeidlich ist stets ein hässlicher Trickfilm. Den höre ich gern mit dem Kind in Rätoromanisch.
Und bald werd‘ ich fertig mit meiner Arbeit für diese Wahlen, dann gebe ich hier meine kurze Empfehlung ab. (Soll sich nur ja niemand wagen, sein Couvert schon vorher abzuschicken! Wählen soll man am Sonntag.)
Also kurzweiliger kann man ein Wahlcouvert ja kaum aufmachen und „bearbeiten“ 😉
Die Männerpartei ist kein Witz. Einer der Kandidaten war vor Jahren ein Arbeitskollege von mir. Diese Zeit im gemeinsamen Büro war für ihn anscheinend so prägend, dass er nicht anders konnte, als eine Männerpartei gründen: eine Verzweiflungstat!
Die Männerpartei Der Verein bezweckt die politische, gesellschaftliche, kulturelle und institutionelle Förderung männlicher Interessen.
🙂 🙂 🙂 🙂
Wie ist das zu verstehen?
Freibier und Frei Playboys für alle Männer?
Eine super Sache diese Partei ^^ , leider nicht sehr ernstzunehmend. 🙂
soeben habe ich in meiner Wiener Wohnung das Wahlcouvert aufgemacht (bei mir ist das anders: es gibt keine einschweisstechnische Hilfestellung – dafür aber ein zweites Exemplar vom Rücksendecouvert für schusselige BürgerInnen der meinigen Sorte) und mich ebenfalls königlich damit amüsiert (auch ohne Kind, welches derweil schläft) – wie schön, dass ich mich jetzt in so guter Gesellschaft fühlen kann!!