Die grösste Diskrepanz meiner Selbst- und Fremdwahrnehmung ist Schlagfertigkeit. Meine Umwelt hält mich für schlagfertig, während mir mein verbales Leben als einziger Treppenwitz erscheint. Und auf jeder Stufe stehen Fettnäpfe.
Dieses Jahr muss ich offensichtlich einige verabschieden, die sich genau darüber Gedanken und dafür von mir geliebte Kunst gemacht haben. F.K. Waechter, Carlo E. Lischetti, Hanns Dieter Hüsch. Wehe, Tomi Ungerer ist der nächste!
Über Hüsch soll man neben den Nachrufen in der Presse bitte auch im Lehrerzimmer und auf der Vorspeisenplatte lesen.
Wer bei der Kaltmamsell noch einmal scrollt, kommt zum treffenden Eintrag über Aufklärung versus Romantik unter besonderer Berücksichtigung des Büroalltags, der (m)einen Nerv trifft.
Und wer sich eines von etlichen Beispielen fehlgeleiteter Schlagfertigkeit in der Buchhandlung zu Gemüte führen möchte, möge im Kommentar weiter lesen.
Zum Beispiel damals Ende der Achziger mit den indischen Kochbüchern.
In meiner Lehre gab es drei indische Kochbücher. Soweit ich mich erinnere, waren alle in kleinen, alternativen Verlagen erschienen. Einer wollte sie alle zur Ansicht bestellen. Da er noch nie etwas gekauft hatte, vermutete ich schon, dass er dann fragen würde, ob er daraus ein Rezept kopieren dürfe? Aber es kam anders.
Er nahm gelassen Platz, schaute sich die Bücher lange an, schrieb die Rezepte in ein Heft ab und gab mir schliesslich alle zurück. Auf meine Frage, warum er denn keines nehme, meinte er, jedes der Kochbücher sei in sich nicht vielseitig genug. Und ich entgegnete, dass Indien halt einen anderen, Hunger und Armut angepassten Speiseplan hätte. Der Mann beschwerte sich bei meinem Ausbilder und ich kriegte – völlig zu Recht – einen Rüffel.
Denn Regel Nummer eins lautet, den Kunden nicht ungefragt zu belehren. Daran rüttle ich natürlich nicht und das unterrichte ich auch brav.
Vielen Dank, Ihr Lob bedeutet mir viel.
(Kleiner Test: Sagt man von Ihnen, man werde nach Ihrem Tod Ihr Maul extra erschlagen müssen? Wenn nicht, haben Sie Ihre Schlagfertigkeit noch unter Kontrolle.)
Hui! Wenn das so ist Madame Kaltmamsell, dann habe ich noch ein weiteres Lob:
Ihren Beitrag „Unruhen“ fand ich ein kleines Meisterstück, kam aber zu spät und nicht mehr in den (ungewohnt) unpassenden Kommentaren unter. Aber das, was Sie da geschrieben haben, war eine ungewöhnlich gute kleine Kurzgeschichte quasi für das Lesebuch, die treffender den Sachverhalt wie unsere eigene Haltung nicht hätte schildern können.
Was die Redewendung angeht: Ich weiss natürlich nicht, ob man das von mir sagt, denn solches sagt man in der Schweiz nur Dritten: „Dere ihri ‚Schnurre muesch de no separat ds’Tod schlaa“.
Gibt es diesen Ausspruch tatsächlich auch ausserhalb (des Alemannischen)? Ich dachte immer, das sei berner oberländische Barbarei.
Hallo nja-
wollte dir auf diesem Wege sagen, dass in meinem neuen Blog auch was über Hüsch steht!
Habe Hobowoman in einer plötzlichen Ein-oder Ausgebung gelöscht.
Gruß von Sonia – Ludovika
Ach so, Sonia, das ist ja gut! Ich habe „hobowoman“ diese Woche – etwas verwirrt – von der Blogrolle genommen…
Auf meiner Blogrolle ist das, was ich wirklich lese, und was ich nicht mehr lese(n kann) kommt wech.
Ach, Schlagfertigkeit. Seit es diese Ratgeber „Schlagfertigkeit für Manager“, „So werden Sie schlagfertig – in 10 Lektionen“, etc. gibt, bemühe ich mich, möglichst nicht mehr schlagfertig zu sein, um mich nicht verdächtig zu machen, eines dieser Machwerke gelesen zu haben.
Was ist das überhaupt – Schlagfertigkeit? Bei einigen Journalisten z.B. (denen, die Hanns Dieter Hüsch unter „Comedy“ verschlagworten würden), habe ich den Eindruck, dass sie Schlagfertigkeit mit „Schnelligkeit der Antwort“ gleich setzen.
Oder heisst Schlagfertigkeit „schnell+witzig“? Oder „schnell+geistreich“?
Ach, Schlagfertigkeit…
P.S.: Falls ich dich wirklich mal besuchen komme, werde ich natürlich den erstbesten Augenblick deiner Abwesenheit nutzen, um dein Umfeld über deine Schlagfertigkeit zu befragen ;-).
Also das Grosse Wöbu der Deutschen Sprache mit Namen DUDEN in 8 Bänden sagt dazu: „Fähigkeit, schnell u. mit passenden, treffenden, witzigen Worten auf etw. zu reagieren.“ Klar, frag ruhig rum, du wirst nichts erfahren als Trägheit 🙂
Denn wenn eines klar ist: jede/r Deutsche ist schon seit Geburt schlagfertiger als ich. Witzerweise sagen das sogar in der Schweiz aufgewachsene Deutsche, dass sie nicht mehr mithalten können, wenn sie in D zu Besuch sind.