Wintereinbruch

ist, wenn ich ständig friere, ständig schneuze, Inhaliersud über die Tastatur leere, längst vergessene Kleider ausmotte, dem Kind nichts mehr passt, angefangene Blogbeiträge hängen bleiben, ich mich über Neuerscheinungen aufrege, mit den Kolleginnen um Umsätze bange, dabei alle viel zu wenig innovativ finde, dem Stellenabbau zuschaue, der im November huschhusch wieder wird aufgebaut werden müssen, die Frankfurter Buchmesse vorbereite und noch weniger als sonst je das Erledigte sehe sondern immer nur das, was noch zu tun wäre. Gerne würde ich meinen Vorfahren die Schuld dafür geben(„Verdingkinder!“ „Protestanten!“ „Hartes Brot ist nicht hart!“), aber mit Übervierzig ist das allzu billig. Ich hab wohl einfach mein Schreibkontingent ausgeschöpft. Am Montag habe ich mit einem Strategiepapier angefangen – zwölf Seiten musste ich abgeben – und am Samstag mit meinem Wahlmailing aufgehört, heute fällt mir nichts mehr ein. Also nicht, dass Sie glauben, ich schriebe nicht gern, das meiste ist mir sogar ein Anliegen und Wahlempfehlungen sowieso. Aber aus beruflicher Sicht finde ich es schon merkwürdig, dass Schreiben in keinem einzigen meiner Pflichtenhefte und all die Jahre kein einziges Mal in den Zielvereinbarungen vorkommt.

5 Gedanken zu „Wintereinbruch“

  1. Ich habe „längst vergessene Kinder ausmotte“ gelesen. Auch eine schöne Leseerfahrung. — Schreiben taucht in den Pfliochtenheften nicht auf, aber du musst ja trotzdem schreiben? Stimmen dann die Pflichtenhefte nicht?

  2. Ich weiss nicht, wie das in Bayern ist, aber die Deutschschweiz mag Strategiepapiere, Konzepte, Pflichtenhefte, Funktionendiagramme. Es ist fast ein bisschen, als könnte man sich ein Organigramm oder eine Strategie nicht anders aneignen, als dass man seitenweise darüber schreibt (ist in der französischen Schweiz übrigens ganz anders).
    Bref: Nein, meine Pflichtenhefte stimmen nicht und ich ertappe mich oft dabei, das die, die ich schreibe, auch nicht stimmen, weil ich dort auch nicht reinschriebe, dass man an dieser Stelle so viel schreiben muss.
    (Ich frage mich gerade, wie es sich auf die Geburtenrate auswirkte, wenn man Kids ein- und ausmotten könnte.)

  3. Bei uns an der Schule gibt es so etwas nicht. Alle paar Jahren gibt es eine Evaluation, oder den Aufruf, sich eine CI zuzulegen, aber nie zweimal hintereinander das gleiche. Insofern macht das dann auch keiner, zumal das immer sehr vage gehalten ist.

  4. Herr Rau: Aha. Wenn der Aufruf keine grosse Aktion deinerseits erfordert, ist das ja recht angenehm. Blöd ist es dann, wenn man als einzige/r etwas macht, weil einem nicht klar war, dass es nicht nötig ist, diesem Aufruf nachzukommen.
    Tisha: Wäre sehr unangenehm für die drei übrigen, ansonsten würde sich die Welt bestimmt weiter drehen. Es geht mir schon besser, Sista. (Und Messe macht hoffentlich eher gesund als noch kränker.)

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