Heute war hier Wohnungsbesichtigung. Da ich ungern Menschen auswähle – ich würde nie in einer Hausverwaltung oder im Personalwesen arbeiten – bin ich froh, allen sagen zu können, das wir zur Wohnungsvergabe nichts zu sagen haben.
Wenn man günstigen Wohnraum verlässt, dann kommt niemand, um sich einfach ein wenig umzuschauen, nichts von „doch, doch, das wäre ganz nett“, „hmmm – wenn das anders gestrichen würde…“ Da kommen Leute, die eine Wohnung dringend brauchen. Leute, für die die Besichtigung eine weitere Hoffnung und wahrscheinlich eine weitere Enttäuschung mit sich bringt. Gut möglich, dass auch Diebe und Landstreicher darunter sind, aber die Mehrheit ist ehrlich interessiert und in Platznot. Der gehetzte Äthiopier, der gleich wieder auf die Nachtarbeit rennt, die Frauen-WG, die überall sonst drei Mieten Kaution zahlen müsste, die kurdische Familie mit Schweizer Pässen, aber vielerorts chancenlos wegen des Namens, die albanische Familie, die sich schon im ganzen Stadtteil erfolglos beworben hat, die libanesische Familie mit Höhenangst, die ungarische Mutter mit Söhnen, die vielen Familien aus der Nachbarschaft, die ein zweites Badezimmer ersehnen.
Mir ist das alles gar nicht recht: Dass ich mir mehr leisten kann als diese Leute, dass nur eine Partei die Wohnung bekommen wird, dass wir ein so fremdenfeindliches Land geworden sind, dass wir nicht genügend Bewerbungsformulare für alle hatten.
Hach du Liebe! Mach dir kein Gewissen. Wenn ich denke, was du alles fürs Quartier gemacht hast…