Nach dem Vorbild der SZ, hat Herr Rau die Gewissensfrage gestellt.
Dass das Begründen für viele Lernende so schwierig ist, ist für mich ein herber Rückschlag. Seit Jahren antworten Hunderte von Büchern mit Antworten auf Warum-Fragen von Kindern und Jugendlichen. Und irgendwer kauft die ja und erzieht entsprechend, oder? Dazu kommt, dass eine Buchhändlerin, die nicht begründen kann, an der Verkaufsfront verloren ist.
Wir sehen uns – und ich rede im Plural, weil viele Kolleginnen und Kollegen es auch so erleben – mehrheitlich mit einer Jugend im Argumentationsnotstand konfrontiert. Mit einer Jugend, der es oft an Überzeugung fehlt und wenn nicht dies, so dann an überzeugenden Argumenten.
Unsere Deutschlehrerinnen und Deutschlehrer wirken dem entgegen, indem sie – genau wie Herr Rau – entsprechende Übungen machen:
Und einige von ihnen haben sogar ein ausgezeichnetes Lernheft zum Thema verfasst, das auch ich im Fachunterricht regelmässig brauche:
Erlebnis Sprache. Wirkungsvoll argumentieren: von der Überzeugungsrede zur Erörterung.
Hinweis: In den Kommentaren zu Herr Raus Beitrag sind wir in eine Diskussion über unangekündigte Tests (in D: „Ex“) abgeschweift.
Wobei es die Exen teilweise auch nur in Bayern gibt; dort gehören sie so sehr zum Schulalltag, dass wir immer verwirrt sind, wenn ein Schüler aus einem anderen deutschen Bundesland das nicht kennt. Ich halte Exen auch nur für mäßig sinnvoll. (Sinnvoller wären angekündigte Tests über das erworbene Wissen der letzten zwei Monate.)
Mein Informatikprofessor meinte im Zusammenhang mit dem vermehrten Nachmittagsunterricht an bayerns Schulen, dass man in Zukunft einfach nicht mehr davon ausgehen dürfe, dass Schüler gut vorbereitet in den einzelnen Stunden sitzen. Damit hätte sich auch das Konzept der Ex erledigt.
Zur Erklärung: Nachmittagsunterricht ist Schülern, Eltern und Lehrern in Bayern ziemlich fremd, jedenfalls unterhalb der letzten zwei Schuljahre (Kollegstufe). Hausaufgaben am gleichen Tag wie Nachmittagsunterricht sind uns noch viel fremder. Deshalb darf man am Tag nach dem Nachmittagsunterricht auch nicht so viel Vorbereitung von Schülern erwarten.
Das war eine Einzelmeinung, die aber immer häufiger zu hören sein wird, erwarte ich. Jetzt müsste man das nur als Chance sehen, davon abzukommen, nur so von Stunde zu Stunde zu lernen.
Wir könnten lägst nur noch auf das Material als Vorbereitung für die Stunde setzten, alles andere wäre eine Illusion oder bedeutete eine Art Disziplin, die wir nicht mehr hinkriegen, weil die Unter- und Mittelstufe sie nicht vermittelt hat. Sollte sich das ändern, kann man wieder anders bewerten, ändert es sich nicht, würden die härteren Bandagen nur dazu führen, dass viele rausfliegen und wir nicht wüssten wohin mit ihnen.
Vielleicht ist noch zu bedenken, dass wir ein viersprachiges Land sind und im Verhältnis mehr Migrantinnen und Migranten haben als Deutschland. Also Test vorbereiten heisst für viele Kinder und Jugendliche auch viele neue Wörter üben. Bekommen sie dazu keine Gelegenheit, sind sie erledigt, auch wenn sie eigentlich gut wären.