Johnny Cash, the songs

Don Cusic, Johnny Cash - the songs
Don Cusic (Ed.)
Johnny Cash – the songs
Thunder’s Mouth Press 2005

Diese Besprechung ist nur ein Vorwand, über Johnny Cash zu schreiben. Das hier ist ein Buch für Fans, und das lange Vorwort mit Biografie ist obsolet, weil Fans die Lebensgeschichte ihrer Stars schon kennen. Doch die Dynamik und Geschwindigkeit von Cashs Schreib- und Komponier- und Interpretierkunst kann nicht oft genug erwähnt werden:

During the four months between her (June’s, Anm. nja) death and his own, Cash recorded about fifty songs.

Don Cusics Erkenntnis

It took a long hard life to write the songs that Johnny Cash wrote, and a good, sweet life to sing them

führt einem ein immenses Werk vor Augen.
Das Buch enthält eine Auswahl von circa 300 Songtexten ohne Noten. Da Johnny Cash zu seinen Scheiben kaum Texte geliefert hat, liegt der Verdienst dieser Sammlung vor allem in der Sorgfalt der Niederschrift.
Berühmte Songs wie „I Walk The Line“, „Cry, Cry, Cry,“ „Man In Black“, „Meet Me in Heaven“ sind natürlich enthalten. Mein Lieblingslied „Give My Love To Rose“ ist auch drin. Mein Zweitliebstes „Southern Accents“ ist nicht von Cash und auch seine genialen Schnellen „I’ve Been Everywhere“ und „I Never Picked Cotton“ sind von anderen geschrieben worden und deswegen nicht enthalten.
Aber die Lieder, die ich am meisten singe, sind dabei: „What On Earth Will You Do (For Heaven’s Sake)“, „Before My Time“ und „I Still Miss Someone“, wobei ich bezweifle, dass ich noch zu korrigieren vermag, was ich schon seit zehn, zwanzig Jahren falsch verstanden habe. Das ist ja für den Privatgebrauch auch nicht wichtig.
Nachfolgend eine höchst subjektive Zusammenstellung von dem, was man sonst noch zum Thema hören und lesen müsste.

Johnny Cash, Personal File: Soeben erschienene Doppel-CD mit persönlichen Aufnahmen im House of Cash ca. 1973-1982. Hier kommen einfache Lieder zum Tragen, die Cash irgendwann irgendwo aufgeschnappt hatte und seine Gläubigkeit mit Schalk: „One of these days I’m gonna sit down an talk to Paul. (…) I’m gonna tell him I’ve read all his books..“ Wunderbares Booklet mit guten Fotos alter Elektronik.
Kindred Spirits: A Tribute to the Songs of Johnny Cash, ein Album, das zu seinem 70. Geburtstag 2002 erschienen ist.
Dressed In Black: A Tribute to Johnny Cash, ein Album das zur gleichen Zeit und zum gleichen Anlass erschienen ist. Die Interpreten sind verschieden und beide lohnen sich.
Love, God, Murder: Eine Box mit drei CDs, auf denen Johnny Cash im Jahr 2000 je 16 Songs thematisch zuordnete. (Das war in der Zeit der Erfolge, die mit American Recordings begonnen hatten. Diese von Punkfan Rick Rubin produzierten Lieder waren der Beginn einer langen Freundschaft und haben Cashs Stern bis heute leuchten lassen.)
Rosanne Cash: Black Cadillac, ein Album von diesem Jahr. Rosanne ist die einzige der Cash-Kinder, die ihm musikalisch wirklich nahe kommt. Dieses Album erzählt viel über ihr Leben in der Cash-Carter-Sippschaft und Sippenhaft. Sie hat es gemacht
In Memory Of
June Carter Cash (June 23, 1929 – May, 15, 2003)
John R. Cash (February 26, 1932 – September 12, 2003)
Vivian Liberto Cash Distin (April 23, 1934 – May 24, 2005)
Johnny Cash mit Patrick Carr, CASH, die Autobiografie. Ein angenehmes Buch, das sich leicht liest. Natürlich hat es den Nachteil aller Selbstdarstellungen und ist nur ein Lebensauszug mit sehr persönlicher Gewichtung. Schön ist eines der letzten Kapitel „So viele Menschen, die ich liebe“ in welchem Cash – flüssig und sprunghaft zugleich – seine Familie in all ihren Fortsetzungen vorstellt.
Stephen Miller, Johnny Cash, Das Leben einer amerikanischen Ikone. Eine scheusslich übersetzte, aber in Englisch sicher gute Biografie, die stark auf die riesigen Sprünge in der Entwickung Amerikas eingeht, die Johnny Cash so sehr geprägt haben.
Reimer Hinrichs, Auf der Suche nach Johnny Cash – Eine Biografie. Eigentlich ein ganz fürchterliches, unlektoriertes Buch aus dem LIT-Verlag, den Autoren dafür bezahlen können, ihre Bücher zu drucken. Heinrichs ist Dr. med und eher kein Schreiber. Besonders macht diese Biografie, dass niergends sonst Johnny Cashs gesundheitliche Leiden so genau und umfassend aufgezeigt sind. Das kann interessant sein, weil zahlreiche Fehldiagnosen grossen Einfluss auf sein Leben hatten. Ebenfalls einmalig ist die versteckte Bibliografie im Anhang.
Franz Dobler, The Beast in Me, Johnny Cash und die seltsame und schöne Welt der Countrymusik. Diese allerbeste Biografie von einem echten Kenner der Szene im Verlag Kunstmann war schnell ausverkauft und dann über ein Jahr vergriffen. Im Moment ist sie als Taschenbuch lieferbar. Fern von Lobhudelei und blinder Verehrung zeigt Franz Dobler Cashs Leben als Musiker, der nicht viel anderes kannte als andere Musiker, Produzenten, Produktionsfirmen und die Country-Mafia und trotzdem aus allem als unverwechselbarer, authentischer Künstler aufstieg wie Phönix aus der Asche.
Ragged Old Flag als Blogbeitrag mit erhellenden Links und einem handgemachten Film. Ein wundervoller Song, der unter anderem erklärt, warum so viele Rapper auf Johnny Cashs Beerdigung waren.
Life and love go on. Let the music play.

8 Gedanken zu „Johnny Cash, the songs“

  1. WOW.
    [Geschliffenere Würdigung folgt. In diese Link-Sammlung aufgenommen zu werden, habe ich nicht verdient. Und wenn Du noch vier Minuten gewartet hättest, hättest Du June zum 77. Geburtstag gratulieren können – wo immer sie jetzt ist, ist sie immer noch lebendiger als so mancher andere Lebende, den ich kenne.]

  2. Also, jetzt ein bisschen ausführlicher: Vielen, vielen Dank für diesen Eintrag! Da hast Du einen Steinbruch geschaffen, in den ich noch oft zurückkehren werde und der mir viele Anregungen geben wird.
    Wenn ich noch eine Web 2.0-Ergänzung beitragen darf: das Video-Archiv von renner70 bei youtube. Einfach phänomenal, was der gute Mann da wöchentlich an JC-Videos ins Netz stellt!
    Ich muss gestehen, dass ich noch nicht sehr weit gekommen bin, was die Texte und das Leben von Johnny Cash angeht. Das liegt daran, dass ich nach wie vor so fasziniert bin von seiner Bühnenpräsenz, von der Wärme und Empathie, die er ausstrahlt. Und allein über die verschiedenen Arten, wie er seine Frau auf der Bühne ansagt, könnte man ein Buch schreiben. Das alles ist mit dem Etikett „Country“ nicht annähernd hinreichend umschrieben.
    So, genug als JC-Fan geoutet; meine Chinesisch-Lehrerin wartet. Und danach verlieren die Schweizer gegen Südkorea ;-).

  3. Lieber Marian: Vielen Dank für den guten Hinweis! Obwohl wir einige Live-Aufnahmen (auch Vinyl) haben und man da auch sehr viel von den Shows hört, habe ich vieles nicht gekannt. Schön, dass jemand den Schwerpunkt auf die gemeinsamen Auftritte von John and June legt.
    So beliebt und wichtig June auch war, auf den Cash-Alben ist sie selten präsent und hat auch mit ihren Kompositionen nie mehr so viel Erfolg gehabt wir bei „Ring Of Fire“. Habe mir neulich eine ihrer CDs angehört und sie dann doch nicht gekauft. Wenn ich erklären müsste weshalb, würde ich wohl sagen, dass mir bei ihr der Anteil Selbstironie und Schwärze fehlt, den ich bei John (und teilweise bei Rosanne) sehr schätze.

  4. Dank Marian noch ein Link zum neuen Album American V, das wieder Rubin produziert hat. Ein schönes Album auch für mich, doch das bei Spreeblick erwähnte „I Came To Believe“ ist wirklich ein Track für die Aufbahrungshalle (sehr langsam, viel Orgel), was ich aber sicher nicht abschätzig meine. Mein Favorit ist „Love’s Been Good To Me“ (Rod McKuen).

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