Sekundärblogging (mal wieder)

Ich muss das zwischendurch, weil ich doch das Medium an sich einfach affentittengeil interessant finde. Heute die Folge „Unterschiede in der deutschsprachigen Blogosphäre“. Ein paradoxes Ansinnen im grenzenlosen Netz. Ich möchte – schweizerisch vorsichtig – warnen: es handelt sich hier um Pauschalurteile.
Vor einigen Wochen (als gerade Jean Remy von Matt als neuer Exportartikel Jo Ackermann in der deutsche Blogosphäre abgelöst hatte), erreichte mich die Frage aus Deutschland, ob die Schweizer Blogosphäre denn wirklich so gesittet sei, wie es den Anschein mache?

Habt Ihr denn überhaupt keine Blogs, wo blinder Islam-Hass verbreitet wird? Wo sich Liberale und Libertäre unflätig beschimpfen? Wo Leute so schreiben wie sie sprechen? Wo 14Jährige Fotos ihrer frisch geritzten Unterarme präsentieren? Wo seitenweise aufgeführt wird, welche Songs man gerade hört oder gleich noch hören wird? Wo genau beschrieben wird, wie man leider, leider eine Unterhaltung des Pöbels in öffentlichen Verkehrsmitteln ertragen musste, weil der Akku des iPods ausgefallen war?

Seither versuche ich darauf zu achten und stelle fest, dass die Unterschiede zwischen den Blogosphären denen ausserhalb jener ähnlich sind: Deutsche sind krasser, aber auch eloquenter. Schweizer formulieren langweiliger, jedoch differenzierter. Die Kommentare in der Schweiz sind distanzierter, weniger persönlich. Auch das kennen die meisten schon aus dem Chat, wenn Deutsche ** knutsch** chatten, chatten Schweizer **?**
Aber die Themen? Die sind doch ziemlich ähnlich, halt so wie der Alltag in dem Teil der Welt, wo sich kaum einer um die unteren Stufen der Bedürfnispyramide zu kümmern braucht. Und wenn doch, dann bloggt der nicht, denn Bloggen ist weiter oben.
Was auf deutsche Leute in schweizer Blogs vielleicht besonders politisch wirkt, gehört für mich eventuell nur in die Kategorie „genervt über“ , und was mich in deutschen Blogs witzig dünkt, klingt für Einheimische bloss abgedroschen. Und vielleicht neigen wir auch einfach dazu, uns gegenseitig besonders internett zu idealisieren.
Was ich in Helvetien gerade gut finde: Dass meistens in Blogkommentaren zum Thema des Eintrags diskutiert wird, dass man kaum Links nachjagen muss, weil jeder gerade selber auch etwas dazu schreibt. So bleiben Themen überschau- und archivierbar.
Was ich für Helvetien gerade überdenkenswert fände: Dass unsere Blogverzeichnisse keine Sex-Blogs (auch nicht die guten Wortblogs) listen.
Was ich in Helvetien gerade blöd finde: Dass es immer noch Journis gibt, die schreiben, Blogger würden nur von Bloggern gelesen.

10 Gedanken zu „Sekundärblogging (mal wieder)“

  1. Habt Ihr denn überhaupt keine Blogs, wo blinder Islam-Hass verbreitet wird? Wo sich Liberale und Libertäre unflätig beschimpfen?

    Die Diskussionen gibt es schon auch in der Schweiz. Doch zum Glück bisher nicht allzu unflätig.

  2. Gut beobachtet, Tanja. Was mich weiter wunderlich dünkt, ist dass die Schweizer Blogosphäre (so weit ich das von meiner Warte aus beobachten kann) sehr selbst-referenziell ist. Steigt man bei irgendeinem der Top-100 Blogs ein, und beginnt zu lesen, finden sich die immer wieder gleichen Kommentatoren und Innen, die selber bloggen und sich hin und her kommentieren.
    So richtig zum weiterlesen animieren die wenigsten Blogs. Neue Gedanken findet man leider auch nur wenige. (oder ich finde sie nicht, denn ich geh immer durch die gleichen selbst-referzierenden ausgetrampelten Pfade)
    Machst du mal eine Qualitäts-Top-xx Liste?

  3. Danke für die interessanten Beobachtungen. Leider lese ich noch viel zu wenig Blogs aus dem deutschsprachigen Raum, obwohl ich in Bezug auf gewisse politische Fragestellungen einen grenzüberschreitenden Diskurs sehr begrüssen würde…

  4. Kommt immer auf die Themenbereiche an, die man zu finden erhofft. Hab auch erst 1-2 Blogs gefunden, wo ich sagen würde: „Hey, ab in die Favs damit..“ bzw. in meine Linksammlung.

  5. Zwei zu Sex, und zu Erotik hab ich auch einen. Es gibt sicher noch den einen oder anderen nicht explizit so deklarierten Blog.
    Rein pornographische Blogs nehme ich auf blog.ch allerdings nicht auf, dieses Feld überlasse ich gerne anderen :-).

  6. @Esther: da drauf bin ich auch stolz. Ist ja auch kein Wunder, wo wir doch immer und immer wieder zum Kompromiss erzogen werden.
    @JCF: Ich finde CH-Blogs eher sehr vielseitig kommentiert, aber ich lese vielleicht nicht die gleichen. Bei mir zum Beispiel lesen und kommentieren viele (ich schätze die Hälfte), die selber nicht bloggen. Manchmal schicken die auch E-Mails oder sprechen mich im realen Leben auf Beiträge an. Früher fand ich das immer schade, weil ich halt auch mal einen Kommentar haben wollte. Aber heute hab ich ja ab und zu einen und seither stört es micht nicht mehr, im Gegenteil. Dass du mir als einer der älteren Blogger Helvetiens die Qualitätsbeurteilung zutraust, ist eine Ehre, aber ich würde mir das nicht anmassen – schon bei Büchern habe ich ein halbes Leben geübt (und täusche mich immer noch).
    @Christian-eDemokrat: Hach, man kann nicht alles lesen, leider 🙂
    @Spooky: Jawohl, mir fällt auch auf, dass „dein“ Thema nicht so weit verbreitet ist. Hast schon mal bei scrupeda rein – und auf die Blogrolle geschaut?
    @Matthias: Viellicht schaff‘ ich es ja doch mal an ein Berner Bloggertreffen, das ist etwas für eine mündliche Unterhaltung 😉

  7. Nein, überhaupt nicht, vered. Ich liiiebe niemehrschule, nur so als Beispiel. Leider fehlt mir das Wissen über die österreichische Blogosphäre samt Spezialitäten und Tendenzen, aber das hätte ich natürlich im Eintrag erwähnen müssen. Ich bitte um Entschuldigung. Untertänigst.

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