Gute Berufsschule

Wie angekündigt, stelle ich auch mich und die Berufsschule, an der ich unterrichte, der Kritik:

Die didaktischen Grundlinien der Schule sind trasparent.

Ist nur teilweise gegeben. Die Lernziele sind klar in internen Lehrplänen festgelegt und für alle transparent, das heisst zugänglich. Die Bewertungskriterien sind unterschiedlich und doch relativ klar. Ob Auftrag und Bewertung immer übereinstimmen… daran zweifle ich und daran arbeit ich.

Alle Lehrpersonen kennen die Grundsätze der Schule und können sich mit ihren identifizieren.

Ist weitgehend gegeben. Intern kommt es natürlich oft zu Diskussionen aber gegen Aussen ist die Identifikation sehr gross. Die Unterrichtsbeurteilung durch die Lernenden ist im Vergleich mit anderen Schulen des Kantons belegt die vordersten Plätze, was für mich ein Zeichen der Einigkeit ist.

Die Infratstruktur, das Honorar, das Weiterbildungsangebot für die Lehrpersonen, die Zusammenarbeit und die Führungskultur der Schule entsprechen andragogischen (erwachsenenbildnerischen) Leitvorstellungen.

Die Infratruktur ist gut, aber die Schule ist zu klein, eine Tatsache, die man nicht einfach so ändern kann. Das Honorar ist angemessen, aber der Leistungsauftrag nimmt unangemessen zu. Die Zusammenarbeit ist sehr unterschiedlich gut, aber wenn ich auf die letzten zehn Jahre blicke, hat sie sich verbessert. Durch Qualitätssicherung haben wir Kommunikationswege, die wirklich gut und transparent sind, das dient auch der Führungskultur.

Die Übereinstimmung mit den Gesetzen, den Lehrplänen und den Ämtern wird sporadisch überprüft.

Ja, das wird regelmässig gemacht. Durch die ständigen Reformen wäre es gar nicht möglich, das unter den Teppich zu kehren.

Es werden Lehrpersonen mit viel und aktueller Berufserfahrung beschäftigt.

Viel Berufserfahrung ist da, bei der Aktualität hapert es in manchen Fächern vielleicht etwas. Mit der Auflage zur didaktischen Weiterbildung hat man zu lange gewartet und es ist verständlich, dass viele ab einem bestimmten Alter keine Lust mehr haben, Kurse mit den Neuen zu besuchen.

Die Schule hat ein anerkanntes Quailtätszertifikat (ISO, TQM, eduQua) und es gibt einen Qualitätsverantwortlichen, der direkt der Schulleitung untersteht.

Ja, alles da. ISO-Zertifikat und Drumrum.

Es besteht ein attraktives Weiterbildugsangebot für Lehrpersonen.

Ja, das besteht.

Unter den Lehrpersonen finden pädagogische Konferenzen und Austausch statt.

Konferenzen sind eingentlich nur Informationsanlässe und haben nichts mit Pädagogik zu tun. Der Austausch ist mehrheitlich freiwillig und darum zu wenig.

Lehrpersonen besuchen sich gegenseitig im Unterricht.

Ja, machen wir. Ich mindestens einmal im Jahr.

Lehrpersonen werden regelmässig im Unterricht durch einen ausssenstehende Fachkraft besucht und beurteilt.

Nein, dazu gibt es keine Pflicht und kein Konzept. Ich bin eine Ausnahme mit Branchenkunde, ich werde manchmal von Aussenstehenden besucht (von der Gewerkschaft, von Kolleginnen aus anderen Schulen, von Verbandsvertreterinnen). Aber beurteilt werde ich nicht, ausser ich gebe einen Fragebogen ab.

Alle Beteiligten schätzen ihre eigene Leistung ein.

Ja, Lehrpersonen neu. Doch bei Lernenden hängt es von der Lehrperson ab.

Lehrende und Lernende verfolgen ihren Lernverlauf aktiv und ermutigen sich gegenseiteig, Erkenntnisse auf verschiedene Bereiche zu übertragen.

Hängt allein von der Lehrperson ab, es läuft aber in unserer Abteilung viel Motivierendes.

Das Beurteilungssystem regt an, sich über Verbesserungen Gedanken zu machen und fördert selbstverantwortliches Lernen.

Zum Teil. Die Unterrichtsbeurteilung zu Handen der Lehrpersonen auf jeden Fall. Die Notentabellen und Zeugnisse eher nicht, es fehlt die Besprechungszeit. Ich habe schon das eine oder andere versucht, aber es war ein Stress. Ich wünschte mir, die Klassenlehrpersonen hätten pro Jahr einmal eine Lektion für jede Schülerin/jeden Schüler Zeit, eine Standortbestimmung zu machen.

Die Schule hat eine neutrale Beratungs- oder Fachstelle, die bei Problemen konsultiert werden und für Moderationen zugezogen werden kann.

Ja, haben wir. Aber sie ist unterdotiert.

Gute Volksschule

Die Merkmale guter Schulen beschäftigen mich im Moment sehr und einige andere auch. Darum habe ich wieder das Referenzwerk von Ruth Meyer konsultiert. Die Vorstellungen guten Unterrichts sind widersprüchlich, aber in guten Schulen findet mehrheitlich guter Unterricht statt. Deshalb steht die Checkliste für die gute Schule ganz am Anfang. Ich möchte das zuerst einmal im Hinblick auf die Volksschulklasse vom Kind kommentieren. Morgen komme ich dann selber mit der Berufsschule dran. Die Leitsätze sind frei nach Ruth Meyer und mit Ergänzungen von mir, meine Kommentare sind kursiv.

Die didaktischen Grundlinien der Schule sind trasparent.

Ist nicht gegeben. Ich kenne weder die Lernziele noch die Bewertungskriterien. Die Lernziele kann ich mir in Form des Lehrplanes erfragen, die Kriterien der Bewertung bleiben unklar.

Alle Lehrpersonen kennen die Grundsätze der Schule und können sich mit ihren identifizieren.

Hier habe ich meine Zweifel, kann aber nicht abschliessend sagen, wie begründet die sind. Wenn ich das Leitbild zitiere, ernte ich allerdings verständnislose Blicke.

Die Infratstruktur, das Honorar, das Weiterbildungsangebot für die Lehrpersonen, die Zusammenarbeit und die Führungskultur der Schule entsprechen andragogischen (erwachsenenbildnerischen) Leitvorstellungen.

Die Infratruktur ist teilweise gut, teilweise ungenügend und es ist (auch aus Spargründen) schwierig, dem entgegenzuwirken. Zum Honorar kann ich nicht viel sagen, es sind „normale“ Ansätze, wobei die Kindergarten-Stufe ihre Lohndiskriminierung nur per Klage aufheben konnte. Die Zusammenarbeit ist von aussen betrachtet ungenügend, die Kommunikationswege sind unklar. Diese Meinung teilen aber längst nicht alle. An die Führungskultur hätte ich als Elternteil noch eine Menge Wünsche.

Die Übereinstimmung mit den Gesetzen, den Lehrplänen und den Ämtern wird sporadisch überprüft.

Für mich als Mutter gibt es keinen Hinweis darauf.

Es werden Lehrpersonen mit viel und aktueller Berufserfahrung beschäftigt.

Viel Berufserfahrung auf jeden Fall, bei der Aktualität bin ich nicht einig mit den Lehrpersonen, wir interpretieren neue Erkenntnisse absolut unterschiedlich, die Literatur zum Thema Mobbing nahezu gegenteilig.

Die Schule hat ein anerkanntes Quailtätszertifikat (ISO, TQM, eduQua) und es gibt einen Qualitätsverantwortlichen, der direkt der Schulleitung untersteht.

Gibt es nicht, auch kein parzielles Controlling.

Es besteht ein attraktives Weiterbildugsangebot für Lehrpersonen.

Ja, das besteht.

Unter den Lehrpersonen finden pädagogische Konferenzen und Austausch statt.

Konferenzen bestimmt, Austausch erlebe ich kaum.

Lehrpersonen besuchen sich gegenseitig im Unterricht.

Ich habe es in fünf Jahren Schule vom Kind nur einmal erlebt. Aber er ezählt ja auch nicht alles.

Lehrpersonen werden regelmässig im Unterricht durch einen ausssenstehende Fachkraft besucht und beurteilt.

Nein, werden sie nicht. Schulkommissionsmitglieder machen Besuche, aber die Ziele und die Häufigkeit werden nicht überprüft.

Alle Beteiligten schätzen ihre eigene Leistung ein.

Nein, höchstens informell. Bei den Schülerinnen und Schülern gibt es unregelmässige Selbsteinschätzungen.

Lehrende und Lernende verfolgen ihren Lernverlauf aktiv und ermutigen sich gegenseiteig, Erkenntnisse auf verschiedene Bereiche zu übertragen.

Kann ich nicht beurteilen. Das Kind macht es nur, wenn wir Eltern helfen.

Das Beurteilungssystem regt an, sich über Verbesserungen Gedanken zu machen und fördert selbstverantwortliches Lernen.

Nein, auch bei den Lernenden nicht. Da selbst offizielle Elterngespräche nicht protokolliert werden und das Notizen machen jedem selbst überlassen ist, sind die Fortschritte nur im Jahreszeugnis dokumentiert und das reicht nicht für selbstverantwortliches Lernen.

Die Schule hat eine neutrale Beratungs- oder Fachstelle, die bei Problemen konsultiert werden und für Moderationen zugezogen werden kann.

Ja, mit der neuen Schulsozialarbeit haben wir hier eine sehr gute Lösung. Allerdings hat sich das noch nicht ganz eingespielt, Moderationen hätte ich zwar schon nötig gehabt, habe sie aber noch nicht bekommen.

Bewertung, Bewertung

Fördern und bewerten ist nicht einfach, das ist klar. Aber mit manchen Kontroversen tue ich mich besonders schwer, sie versauen mit das Unterrichten zeitweise schon ein wenig. Zum Beispiel die 100-Punkte-Kontroverse. Denn es gibt die, die sagen, 100 Punkte für jede summative Lernkontrolle, zum Beispiel für Lehrabschlussprüfungen.
Das hört sich zwar praktisch an und mag in einem Fach mit Rechenaufgaben, dessen Prüfung 100 Minuten dauert, bestimmt locker umsetzbar sein. Aber was heisst das in den Branchenfächern (für die ich Hauptexpertin bin und mich entsprechend schlafraubend verantwortlich fühle)? Mit offenen Fragen mit dem Prüfen von Kompetenzen unter Verwendung der Arbeitsbücher? Mit dem Mix aus schriftlichen, mündlichen und praktischen Prüfungen? Mein Kulturkunde-Kollege trifft den Nagel auf den Kopf, indem er sagt: „Man greift dann zu komischen Tricks wie Multiplikatoren oder definiert zusätzliche, halbgare Kriterien, nur um die 100 Punkte irgendwie herzuwursteln.“
An den Berufsschulen unserer Region rechnen wir die Note von jedem beliebigen Raster mit der Formel „erreichte Punktezahl geteilt durch Maximalpunktezahl mal 5 plus 1“ aus, was bei den Zwischenprüfungen hervorragend klappt. Nur bei den Lehrabschlussprüfungen kommt es regelmässig zur 100-Punkte-Debatte. Ich selber vertrete mit Hilfe von Fachliteratur und Weiterbildung die Auffassung, dass eine Prüfung zuverlässig, gültig, chancengerecht und ökonomisch (sprich effizient in der Erstellung) sein muss. Allen diesen Bedingungen läuft die 100-Punkte-Regel mehr oder weniger zuwider.
Doch um die Pro-Argumente ein für allemal zu verstehen, habe ich über das Wochenende gerechnet und folgende Erkenntnis gewonnen:
1. Es gibt eine Rundungsdifferenz, wenn man die eine Punktezahl auf die andere umrechnet.
2. Das gilt auf jede Seite und für jede Punktzahl.
3. Wenn man 100 Punkte vergibt, ist die Verständlichkeit für Aussenstehende einfach (Prozente, Zehntelnotenschritte).
4. Man kann jede Punktezahl setzen und sie dann auf 100 Punkte ausrechnen.
Das bedeutet, ich könnte jede Prüfung mit einer vom Prüfungsmacher als sinnvoll erachteten Punktzahl auf 100 umrechen. Es gäbe dann halt zum Beispiel eine Punnktzahl von 3.72 für ein Kriterium für das andere 1.45, aber ich könnte der Regel gerecht werden und den Experten trotzdem die Freiheit lassen, die Gewichtung nach ihrem Raster zu machen. N.B. Also eine Mindestpunktzahl braucht es natürlich für eine differenzierte Bewertung.
Offen bleibt mir die Frage, weshalb man überhaupt die eine Punktzahl mit der anderen vergleicht und die Rundungsdifferenzchen ans Tageslicht zerrt? Das kann man ja immer und immer wieder machen und käme nie zu einer Bewertung. Denn ich kann auch die idealen 100 Punkte auf irgend eine andere Wunschpunktzahl umrechnen und eine Abweichung in der Rundung beklagen.

und ewig lockt die Abschaffung

der Buchpreisbindung. Die Diskussionen darüber reichen wirklich schon fast ins Paradeis zurück, aber diese Fragen der Buchbranche beblogge ich lieber kollektiv.
Doch die Chronologie über die politische Debatte zur Buchpreisbindung in der Schweiz, die die Nationalrätin Evi Allemann gemacht hat, die muss online sein. Sie ist vollständiger als alles, was ich in der Presse gelesen habe. Voilà: Buchpreisbindung in der Diskussion.
(Danke, Mann, für das nächtliche Layouten!)

Anker lichten

An den Ostertagen liegt die Schule gestrandet wie ein träges Schiff. Sonst ist immer jemand da, backbord wird ein Kopierer angestellt und steuerbord hurtig ein vergessener Ordner gesucht. Selbst in der Ferienzeit surrt es im Maschinenraum der Verwaltung und auch am Wochenende ist Licht oben auf Brücke, wo der Hauswart wohnt.
Nur zu Ostern und Auffahrt ist alles leer. Eine emsige Leere, denn die Abschlussklassen sind ausgeflogen, machen ihre Reisen, finden und verlieren sich in den Grossstädten Europas, tun manches zum ersten Mal und lassen anders schweren Herzens.
In dieser Zeit, in der es grünt an Land, schreibe ich die Lehrabschlussprüfungen. Drei Jahre haben ich Manöver gelehrt, Bojen geworfen, die Chancen und Gefahren der freien Fahrt gezeigt. Und jetzt bleibt nichts, als winkend und etwas wehmütig am Steg zu stehen.
Den Anker lichten sie selber.

In der Zwischenzeit

…habe ich anderes geschrieben. Zum Beispiel über Widerstand als Bedingung für menschliche Entwicklung. Und über Physik und über Tschernobyl. Dazwischen habe ich Blogs gelesen. Neben den verbrannten Lateinbüchern bei Herrn Rau ging es bei Lila um eine härtere Auseinandersetzung. Bei ihr vom 24.3. an rückwärts lesen. Sie balanciert ohne zu wackeln. Chapeau.
Aber ich, ich bleibe trotz allem deprimiert.

Spiegel

Wer die Synagoge in Lugano angezündet hat, wissen wir noch immer nicht. Aber Paul Spiegel, Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, sagt im SPIEGEL-Gespräch [SPIEGEL Nr. 12, 21.3.05]:

SPIEGEL: Was tun? [gegen“ die neue Enthemmung“]

Paul Spiegel: Der Schlüssel liegt in den Schulen. Viele Lehrer tun ihr Bestes, da erlebe ich wunderbare Beispiele für Engagement weit über das übliche Masse hinaus. Aber wo, frage ich mich, gibt es zum Beispiel Fortbildungsseminare für Lehrer, die ihnen helfen, dieses Thema Holocaust didaktisch so umzusetzen, dass die Schüler nicht genervt abwinken. Die meisten Jugendlichen wissen doch heute, was in der Nazi-Zeit mit den Juden geschehen ist. Die wollen vielmehr wissen, warum so etwas in Deutschland passieren konnte. Da klaffen grosse Informationslücken. Und die Lücken werden bestimmt nicht kleiner, wenn ausgerechnet im 60. Jahr der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz deutsche Kultusministerien Fahrten von Schulklassen in Gedenkstätten mit der Begründung ablehnen, dafür sei kein Geld übrig.

Und aus Herr Raus Beitrag „Warum manche Leute gerne Bücher verbrennen und ich nicht“ erwächst eine Diskussion.