Hinsehen!

Die Münstergass-Buchhandlung hat ein ausgezeichnetes Schaufenster. Über Gewalt. Die Gewichtung der Auswahl liegt bei der Schule. Mit gutem Grund. Denn unsere Volksschulen haben ein Gewaltproblem und unsere Aussenquartiere ganz besonders. Egal wie lange und wie oft und wie intensiv und wie strukturiert wir diskutieren, es führt kein Weg an der Reaktion vorbei. Ich will eine Amerikanisierung unserer Gesellschaft vermeiden, ich will, dass ein Kind die Regeln kennt, die es bricht, ich will nicht, dass Jugendliche die Grenzen erst vom Richter und Erwachsene sie auf dem elektrischen Stuhl erfahren.
Hinter jedem Problem, das ein Kind macht, steht ein Problem, das es hat. Aus der Integrationsarbeit, die ich schon längere Zeit mache, habe ich drei private Weisheiten im Umgang mit gewalttätigen Kindern gefiltert:
Sie brauchen Regeln.
Sie brauchen Alternativen.
Sie brauchen Wertschätzung.
Und was ich sonst noch wissen muss oder Kindern anbieten kann, die unter die Räder kommen, erlese ich mir. Danke, liebe Münstergass-Buchhändlerinnen für diese grosse Arbeit, mögen noch andere Lehrende euch erhören.
Ich glaube, ich schlage langsam die Nulltoleranz-Richtung ein. Vielleicht liegt es am eigenen Kind unter den Rädern, vielleicht daran, dass es in diesem Land Menschen gibt, die eine Synagoge samt ihrer Bibliothek und einem jüdisches Geschäft niederbrennen. Ich weiss es nicht, ich weiss nur, dass ich mich aufrege und dass ich sehr beunruhigt bin.
Das illustrieren wohl auch meine Zwischenrufe bei Herrn Rau, der eine sehr wichtige Diskussion lanciert hat.

Vorschläge für Widerständler

Widerstand ist mein täglich Brot. Es vergeht kein Schultag, an dem ich nicht in einer Form damit konfrontiert bin oder selber welchen leiste. Was mich an dem Begriff aus der Konfliktanalyse stets etwas verwirrt hat, ist, dass ich Widerstand grundsätzlich als etwas sehr Positives werte, als etwas, das Menschheitsgeschichte schrieb (Ketzer, Forscher, Feministinnen, Partisanen). Doch in der Schule ist Widerstand etwas Mühsahmes und Störendes. Verwirrlich war für mich, dass das gleiche Wort für zwei verschiedene Begriffe stand in meinem Kopf.
Mein DIK1-Kollege Henri Dreyfus hat mit seiner gestrigen Aktion im Kurs gezeigt, dass meine beiden Begriffe doch nicht so weit auseinander liegen. Wir können Widerstand – wenn wir selber nicht zu schlecht drauf sind – immer positiv bewerten. Als Input halt. Bei Kundinnen und Kunden kann ich das, bei Lernenden fällt es mir nicht leicht.
Henri Dreyfus hat ein paar Vorschläge für Widerständler zusammengetragen (his Copyright).

So geht das nicht!
Das kann man nicht machen!
Wir haben das immer schon so gemacht.
Das ist bei uns so.
Das ist unsere Tradition.
Als fähiger Lehrer müssten Sie doch wissen, dass man…
Beschimpfen Sie den Gesprächspartner
Zeigen Sie Verachtung. Zum Beispiel mit „Ja, Sie haben gut reden…“
Schweigen Sie, geben Sie einsilbige Antworten
Werten Sie die Vorschläge ab. Zum Beispiel mit: „Das ist ja schön und gut in der Theorie, aber…“
Sagen Sie zu allen konstruktiven Vorschlägen: „Das habe ich auch schon probiert.“
Übertreiben Sie immer alles, was der Gesprächspartner sagt, damit es absurd wirkt
Unterstellen Sie Ihrem Gesprächsparnter schlechte Absichten

Ich erlaube mir einige Ergänzungen aus meinem Schulzimmer:

Diese Exkursion bringt uns einfach nichts.
Aber das haben Sie uns noch kein einziges Mal gesagt!
Das wiederholen Sie nun schon zum x-ten Mal!
Das muss doch kein Mensch mehr wissen!
Das brauche ich nie im Lehrbetrieb.
Ich bleibe sowieso nicht auf diesem Beruf.
Meine Chefin sagt auch, dass das überflüssig sei.
In meinem Laden kann das niemand und er läuft trotzdem.
Bei ihrem Kollegen dürfen wir das immer!!
Es ist zu heiss.
Wir sind zu müde.

Fremde Übungslektion zum 2.

Am 10. März war ich in der Übungslektion von Kollegin WEBA, die das Fach „Biblografieren“ unterrichtet. Wie immer ertappte ich mich dabei, bei der Beobachtung vom Didaktischen ins Faktische abzuschweifen und mich hauptsächlich für das Thema zu erwärmen.
Die Übungslektion war sehr gut. Was heisst das? Sie war lebendig aber nicht zu laut, die Lernenden waren aktiv, aber nicht hyperaktiv, das Lernziel war definiert, der Unterrichtsstoff didaktisch reduziert und „lebensnah“ vermittelt. Das Timing war perfekt und ich bin zuversichtlich für die Erfolgskontrolle.
Diese Übungslektion war rein thematisch meinen Inhalten sehr ähnlich und fand – im Gegensatz zu zwei Dritteln der Bibliografier-Lektionen – nicht in einem PC-Raum statt. Weil WEBA und ich schon länger zusammenarbeiten, kann ich leider nicht mit grossen AHA-Erlebnissen trumpfen.
Ich lerne von WEBA aber sehr viel, wenn ich mich über Didaktik in PC-Räumen unterhalten, wenn ich ihren Unterricht dort beobachte und wenn sie mich punkto IT-Support und Ausleihe von Beamern auf dem Laufenden hält. Für mich sind die Hilfsmittel und der Umgang damit der wichtigste Punkt unserer Auseinandersetzung mit dem Unterricht. Unsere Auffassungen in Pädagogik und Berufsbild unterscheiden sich kaum, aber wir benutzen die Hilfsmittel sehr unterschiedlich und unterschiedlich oft. Und da ist der Lerneffekt von meiner Seite her gross. Ich will meine Visualisierung trotz mangelhafter Einrichtung (mancher) Schulzimmer mehr und mehr weg von der Folie auf mein Notebook verlagern. Und WEBA ist mir hier die grösste Hilfe:

  • Was muss ich mieten?
  • Wo muss ich fragen?
  • Wer kann mir helfen?
  • In welcher Frist kann ich was erwarten?
  • Was brauche ich überhaupt (Verbindungskabel, Internetanschluss, CD-ROMs)?
  • Hier ist WEBA ein bisschen meine Clearingstelle. Und umgekehrt klappt’s auch. (Sonst widersprechen Sie bitte im Kommentar, geschätzte Frau Kollegin!)

    Bildungsunternehmen & Blogs

    Dieses Weblog ist ja als Projekt von Oktober 2004 bis April 2005 angelegt und betrifft vorwiegend Schul-Kram, entschuldigung, Bildungsunternehmen-Kram, denn unsere Schule ist daran sich zu zweiterem zu mausern. Bin gerade in einen entsprechenden Informationszyklus eingebunden, um mich als Teil dieses Bildungsunternehmens verstehen zu lernen. Was mir nicht besonders schwer fällt. Aber Hochmut kommt vor dem Fall und überhaupt was soll’s, Powerpoint ist etwas Schönes. Ich freue mich schon auf die vielen Umbenennungen: Die SchiLF, die schulinterne Lehrerfortbildung, die mir als Namen nie gefallen hat, wird vielleicht zur IFBu: Interne Fortbildung im Bildungsunternehmen, denn geschlechtsneutral müsste es auch werden.
    Da ich mich mehrfach der Kritik ausgesetzt sah, ich würde hier nicht so zynisch, politisch, allgemein, humorvoll, tränendrüsig und rundumschlagig schreiben, wie man das sonst von mir gewöhnt sei, bin ich immer mehr zur Erkenntnis gelangt, dass das Bildungsbloggen hier nicht von Dauer sein kann.
    Und nun lese ich (Hinweis via Sozialinformatik), es gäbe noch nicht so viele Weblogs, die sich mit Schulmaterie befassten. Darum will man das pushen.
    Und jetzt bin ich wieder im Clinch.

    Frauenfront

    Jetzt wirds brenzlig, die Frauenfront formiert sich.
    Was in unserer Schulzeitung vom Dezember (S. 2 „Klassenlektüre“) noch als Kolumne mit eher verhaltenen Vorschlägen war, kam im MügaBlog als Widerstand gegen die einseitige Romanauswahl der SZ daher.
    Jetzt folgt die erdrückende Beweislast dafür, dass Frauen gut und viel schreiben, in diversen Nicht-Nur-Buch-Weblogs. Dank an Kaltmamsell und an ihren Mitbewohner für die phänomenale Liste.
    Endlich wird eines der ältesten Klischees attackiert. Gleich mehrseitig.

    mutiger Kindergarten

    Wenn ich in einem Wort sagen müsste, was eine Lehrerin oder ein Lehrer sein sollen, würde ich sagen: mutig.
    Das ist mir nicht heute eingefallen, das ist Jahre durchdacht und das Resultat vieler Erfahrungen. Denn Mut bedeutet, dass man die Angst kennt und Strategien zu ihrer Überwindung. Fleiss und Integrität braucht es, um mutig zu sein und Position zu beziehen vor motzenden oder hilflosen Lernenden, fordernden Ausbildungsverantwortlichen und Eltern und ausweichenden Schulleitungen.
    Die mutigste Lehrperson, die ich im Moment kenne, unterrichtet im Kindergarten. Und was Erziehung im Kindergarten bedeutet, wie wichtig und wegweisend sie ist, hat Lila aus Israel schön aufgeschrieben und lesenswerte Kommentare geerntet.

    ‚N paar Häuser weiter

    ist mein heutiger Beitrag zur Bloggerei in Form eines stinknormalen Kommentars zu finden. Ich habe heute oder besser gestern bei drei Leuten hospitiert, ca. 2 Stunden Feedback gegeben und für die Reflexion („und was nimmst du jetzt für dich mit?“ – brrr) keinen Funken mehr. Zwischendurch muss ich einfach zu etwas anderem Senf geben als zum Unterrichten.

    engagiert bis destruktiv

    Die Geschäftsleiterin der Münstergass-Buchhandlung und meine Mitbloggerin im MügaBlog transformiert Studienergebnisse.

    Ich lese das WEKA Business Dossier und da steht:
    “Man kann davon ausgehen, dass eine Person, die eine Stelle neu antritt, grundsätzlich hoch motiviert ist. Nun zeigt aber eine repräsentative Studie, dass von den Mitarbeitenden

  • 30% engagiert
  • 54% nicht engagiert, innerlich gekündigt
  • 16% destruktiv
  • sind.”

    Ich will auch. Mit meinen 131 Kolleginnen aus dem Lehrerzimmer. Von denen wären 39 engagiert. 71 wären nicht engagiert bis innerlich gekündigt. 21 wären destruktiv.
    Und mit meinen Lernenden, das sind per heute 104 Nasen. Nach Studie 31 Engagierte, 56 Unengagierte oder gar innerliche Lehrabbrecherinnen und 17 Destruktive.
    Hmm. Ich hoffe nicht, aber könnte sein. Und kommt drauf an , was unter „destruktiv“ zu verstehen wäre. Zählt Disketten ins CD-Laufwerk drücken dazu? An die Leinwand kicken, damit sie hochrollt? Kreiden zerbröseln? Kabel ganz, ganz eng zusammenrollen, als müsste es ein ganz, ganz kleines Nestlein für Däumlinchen werden. Büroklamern aufbiegen und ein kleines Häufchen solcher auf dem Lehrerpult hinterlassen?
    Auch Autoaggression wäre ein weites Feld. Bei Lehrenden und Lernenden.