Prüfungsanachronismen

Wir sind fast fertig mit Korrgieren und ich finde es jedes Jahr beeindruckend, die Büros voller Boxenstapel mit erledigten Prüfungen zu sehen. In unserer Schule wurden in den letzten Wochen Tausende von Prüfungen geschrieben und korrigiert und in der Summe steckt enorm viel Arbeit dahinter. Blut selten (höchstens, wenn sich jemand am Papier schneidet), aber Schweiss und Tränen immer!
All die viele Handarbeit für Kandidatinnen, Lehrer und Expertinnen hat auch etwas Anachronistisches. Meistens müssen die Prüfungskandidaten noch von Hand schreiben, selbst wenn das im Arbeitsleben in den Berufen, die wir lehren, keine wichtige Kompetenz mehr ist. Die, die korrigieren, tun das ebenfalls von Hand und in der Folge ist auch die Eingabe der Ergebnisse im Sekretariat manuell. Und alles wird sicherheitshalber immer zweimal gemacht.
Wie froh können wir da um Reformen sein! Viele Neuerungen zielen darauf ab, die Anzahl Prüfungen oder die Prüfungsdauer zu reduzieren. Prüfungen sind nicht immer nötig, deren Resultate nicht immer wahrhaftig und – wägt man Kosten und Nutzen ab – in einigen Fällen von zweifelhaftem Wert. Mag sein, dass eine Reduktion der Anzahl Prüfungen den einen oder anderen Lehrabschluss ein wenig erleichtert, was natürlich einige stört. Aber eigentlich war es schon immer viel wichtiger, sich in seinem beruflichen Umfeld zu bewähren, als zu jeder Handlungskompetenz zwei oder gar drei Prüfungen zu bestehen.
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Statusmeldung

Wir haben letzte Woche einiges abgeschlossen:
Der Mann seinen MBA, ich zusammen mit meinen emsigen Kollginnen den ersten schriftlichen Teil der Lehrabschlussprüfung nach neuem Berufsbild, das Kind Chemie für die Matura. Entsprechend locker war das Wochendprogramm: Reinigung innen und aussen, vor allem viel Wäsche, liegen gebliebene Post online und offline erledigt, Essen einkauft, verbackt und verzehrt, Betten frisch bezogen, DVDs an- und verkauft, die dafür notwendigen IKEA-Gestelle montiert, die Agenden abgeglichen.
Und ich hatte ein paar Stunden zum Denken, Lesen und sogar ein bisschen Schreiben. Habe das Gefühl, von zu vielen angefangenen Texten umschwirrt zu werden, ich sollte noch eine Menge formulieren und von anderen Formuliertes korrigieren und dazu kommt ja immer noch das neurotische Notieren. Doch endlich habe ich wieder zwei Bücher richtig ausgelesen: Jacob beschliesst zu lieben und Ustrinkata. Beide haben etwas von einer Litanei, aber beide vermochten mich zu packen.
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Gastfreundschaftliches

Erstes Nachtessen auf der neuen Terrasse
Das war ein lustiges, gastfreundschaftliches Wochenende. Am Freitagabend waren wir am ehemaligen Wohnort – auf dem Dach des Wohnblocks – zur Gurkensuppe mit Dill, zum geschmorten Hühnerbein und zum Kaffeemousse eingeladen. Ein schönes erstes Ma(h)l in der alten Heimat.
Am Samstag dann weihnten wir unsere Terrasse ein mit Grill, karierter Tischdecke und ebensolchen Kissen. Wir genossen den ersten Hinech mit genügend Zeit und Wärme, um draussen zu sitzen und bis in die Nacht hinein zu reden. Von der Resisdance merkten wir nichts, das Kind hatte sich kurzfristig gegen die Teilnahme entschieden, nur selten hörten wir die Ambulanz. So ein gemütlicher Abend ist weissgott ein Privileg.
Heute dann wieder Regen. Den Tour-d’Europe-Käsekuchen (Verarbeitung diverser Reiseüberbleibsel) assen wir zusammen mit Nachwuchs und Kumpel drinnen. Wir unterhielten uns lange darüber, weshalb die männliche Jungend am Wochenende derart häufig und vor allem viel trinkt (offenbar auch Hauptzweck der gestrigen Demo). Da ich aus den Erklärungen nie schlauer werde, war ich froh um den Themenwechsel zur Chemie, immerhin geht’s hier um eine Maturanote.
Und ach ja! Ich habe noch meinen Stundenplan fürs nächste Schuljahr erhalten: Erste und letzte Stunde am Montag, erste und letzte Stunde am Freitag. (Kommentar des Mannes: „Lehrerhölle! Was hast du bloss getan?“)
Und nun muss ich ins Bett, morgen beginnen die Abschlussprüfungen in der Schule. Es wartet eine Woche mit Aufsichtspflichten, mündlichen Prüfungen, Troubleshooting und Korrekturen. Lasst uns also das entsprechende Nevenkleid überwerfen: Elegant, undurchsichtig und reissfest.

Lernziele Chemietest

Wissen, wie Fettmoleküle aufgebaut sind * Den Zusammenhang zwischen der Zusammensetzung der Fette und den Eigenschaften kennen und erklären können * Die chemischen und physikalischen Eigenschaften von Fetten kennen und erklären können * Wissen, wie die Doppelbindungen in ungesättigten Fetten und Fettsären qualitativ und quantitativ bestimmt werden können * Die Bedeutung der Fette kennen und aufzeigen können * Wissen, wie Fette und Öle gewonnen werden und wie Margarine hergestellt wird * Wissen, was Proteine sind und welche Eigenschaften sie haben * Die Aminosäuren als Bausteine von Proteinen kennen * Vom Dreibuchstaben-Code auf den Namen schliessen können und umgekehrt * Die allgemeine Lewisformel für Aminosäuren (Abb. 51) kennen (ohne Seitenketten) * Die chemischen Eigenschaften den unterschiedlichen Seitenketten zuordnen können * Die Peptidbindung erkennen und beschreiben können, wie sie geknüpft wird * Dipeptide benennen können * Die einzelnen Strukturebenen beschreiben und in einer Abbildung zuordnen können * Die zwischenmolekularen Kräfte zuordnen und beschreiben können, die die jeweiligen Strukturen stabilisieren * Wissen, wie Proteinen denaturiert werden können und welche Folgen es hat * Die Beispiele „Haarformung und Proteinstruktur“ sowie “Hämoglobin“ kennen und beschreiben können.
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Pfingstwochende

Über Pfinsten habe ich viel von Hand gemacht, konnte gerade nicht mehr mit Computer. Das war sehr erholsam und dass ich heute eine Menge Belistiftgekritzel abtippen muss, stört mich nicht. Ich habe vor allem den Vergleichtest eines ganzen Jahrgangs korrigiert, der gut ausgefallen ist. Es ging um die beiden Buchhandels-Themen „Remission“ und „Inventur“. Remission ist etwas Spezifisches, das im übrigen Detailhandel nicht üblich ist. Es bedeutet die Rücksendung von Büchern an den Lieferanten zur Gutschrift. Diese Regelung gewährleistet, dass die Buchhandlungen eine akutelle Auswahl haben, aber ohne den permanent Ausverkaufsdruck und das entsprechend mühsame Pricing.
Ob und wie viel ein Buchhändler remittieren darf und wie hoch seine Gutschrift dabei ausfällt, ist dieversen Regeln unterworfen, die Jungbuchhändler eben lernen müssen. Und Inventur gehört ja auch zu den Arbeiten, die Buchhändlerinnen am Lager verrichten. Deshalb ist es methodisch-didaktisch sinnvoll, das in der Berufsfachschule gleichzeitig zu vermitteln. Die einzige Hürde für die Azubis ist dabei, dass das verschiedene Perspektiven erfordert: Ein Buch, das seit einem Jahr am Lager steht und danach – glücklicherweise! – noch zum vollen Preis von CHF 28.00 verkauft wird und deshalb CHF 28.00 Umsatz bringt, ist hächstens noch mit dem Inventarwert von CHF 14.00 in der Buchhaltung. Wenn die Buchhändlerin es aber nach einem Jahr an den Lieferanten remittiert, bekommt sie dafür noch eine Gutschrift von CHF 12.00, obwohl sie es für CHF 17.00 eingekauft hat.
Diese Sachverhalte in der Schule so zu erklären, dass ein Fünftel der Lernenden es verstehen, dauert vielleicht eine halbe Stunde, einige kennen das ja von der Lehrfirma schon gut. Damit es der Mehrheit klar ist, brauche ich ungefähr 300 Minuten pro Person. Davon sind 230 Minuten Unterricht in Globo (Lehrgespräch, Gruppen, Übungen) und 30 Minuten individuell, also mündlichen Erklärungen gegenüber Einzelnen und Korrektur. Ich schreibe bei den Testkorrekturen Kommentare und nicht nur Punkte hin, deswegen ist die Korrektur für mich gleichbedeutend mit individueller Erklärung.
Ich hoffe, alle hier Lesenden hatten ein gutes Pfingstwochenende, wenige Sonderschichten und Nachtdienste. Guten Start in die Woche!

Feststellung

Aus noch nicht fertig analysierten Gründen bin ich diesen Mai in Juni-Stimmung, das bedeutet: am Rand (unschwer erkennbar an den jämmerlichen Blogbeiträgen). Es war immer eine harte Zeit wenn Stundenplanung, Personaleinsatz, Neuanmeldungen, Abschlussreise, Prüfungsvorbereitung, Planung der Abschlussfeier und Kaderanlässe aufeinander prallten. Aber irgendwie lief’s. Heuer auch, bloss steht der prüfungsreiche Juni noch bevor.
Ich bin sicher, es ginge besser, wenn ich lesen könnte. Aber ich schlafe immer ein dabei! Vielleicht muss einem im Leben einfach einholen, worüber man insgeheim immer den Kopf geschüttelt hat: Zum Beispiel wenn ein Büromensch bedauernd erklärte, er lese eben keine Bücher, weil ihm die Zeit dazu fehle und er zudem abends so müde sei, dass er höchstens ein paar Seiten schaffe, den Zusammenhang verliere und damit auch die Lust.

Nachtzug nach Amsterdam

Vor einer Wochen haben die praktischen Prüfungen begonnen. Sie finden erstmals in den Buchhandlungen (und nicht mehr in der Schul-Buchhandlung) statt. Letzten Freitag habe ich über zwei Stunden eine ganze Prüfung (mehrheitlch fotografisch) dokumentiert und mit Freude festgestellt, dass wir wirklich ein gutes Drehbuch und einen passenden Zeitplan haben. Morgen sind noch einmal zehn Prüfungen, danach sind wir fertig.
Selber hatte ich keine Einsätze, meine grösste Herausforderung (als Chefexpertin) war die Verfügbarkeit. Als Ansprechperson für Lehrbetriebe, Expertinnen und die Lernenden hätte ich einfach weniger anderes zu tun haben sollen. Aber der Schulbetrieb lief völlig normal, zudem mussten Stundenplan und die schulischen Prüfungen fertig werden. Ich lief manchmal derart auf dem Zahnfleisch, dass ich mir während meines Unterrichts Dextro Energy verabreichen musste. Immerhin hatte ich stets genug dabei, um den Schülerinnen und Schülern auch davon abzutreten. (Klingt wie Werbung, aber das war einfach, was unsere Mensa führte.)
Morgen also noch einmal wie oben, am Dienstag dann eine andere Rolle, nämlich lauter Kadertermine. Abends ein willkommener Wechsel, denn dann steige ich mit einer unserer Abschlussklassen in den Nachtzug nach Amsterdam.
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Neunfingersystem

Jedes Mal, wenn ich mir in den Finger schneide, merke ich wieder, wie wichtig er für meine Arbeit ist. Meistens schneide ich mich in die Linke, weil die Rechte die Klinge hält; so auch heute. Leider reichte ein Pflaster nicht, es brauchte Stripes und Verband, um die Zeigfingerbeere festzuzurren. F, R, T, G, B, V auf der Tastatur müssen diese Woche anders bewirtschaftet werden, was alles müh- und langsam macht.
Sonst war der Sonntag sonntäglich, die französischen Wahlen sind meiner Meinung nach richtig ausgegangen und ich hoffe, mein linker Zeigefinger sei ein gutes Omen. Angeschlagen sind wir alle in Europa, manche sogar sehr, mit Narben ist auf jeden Fall zu rechnen. Aber der Mensch hat mehrere Finger und taugliche Verbände – damit sollte doch etwas zu machen sein.