Abschlussfeier

Während der paar Stunden Vorbereitungszeit gestern haben wir einfach nur geschwitzt. Weil alle Diplomierungen im Juni stattfinden, muss man sich immer ein Jahr vorher irgendwo einmieten, wo man sich nicht richtig auskennt. Mit genügend Vorlaufzeit und genügend Kleidern zum Wechseln geht das normalerweise schon.
Gestern hingegen war der Wurm drin und während der esten Viertelstunde der Feier, als alle ca. 150 Gäste schon sassen, schwitzen wir Blut, weil es niemandem mehr gelang, die Technik zu beeinflussen. Kein Vorhang liess sich schliessen, die Beleuchtung war rein zufällig, eine gelbe Lampe da, eine Neonröhre dort. Was blieb, war ein Funkmik mit einem Akku, welcher während der Rede des Verbands-Geschäftsführers vollends den Geist aufgab.
Nun waren die Gäste und Referenten felxibel und auch der geladene Autor entschloss sich, uns zu verzeihen und ohne sein explizit bestelltes Shure SM58 zu lesen.
Alles wurde gut. Die Löwen der Kung-Fu-Schule eines Diplomanden tanzten wild und ich bekam meine Rede doch noch irgendwie auf die Reihe. Wir alle lernten einmal mehr, dass alles machbar ist, auch bei falscher Beleuchtung und mit heiserer Stimme. Das fand – zu meiner grossen Erleicherung – auch die Berufsschulinspektorin.
Wir hatten tolle Prüfungsresultate. Sie wurden von der Klassenlehrerin und Klassenlehrer bekannt gegeben und die machten das genau, wie ich es mag: Gepflegt, aber nicht überkandidelt, sympathisch und authentisch.
Ich habe zum Abschied von beiden Klassen je ein Buch bekommen:

  • Zum Einen ein ganz wundervolles Fotoalbum mit sehr typischen, gut ausgewählten Bildern und einer professionell eingeschuberten CD mit einem Sammelsurium an Erinnerungsfotos.
  • Zum Anderen ein selber produziertes Kochbuch „Fertig gekocht…“ mit je einer Doppelseite pro frisch gebackene Buchhändlerin: Auf der einen Seite Bild, Name und Zukunftspläne, auf der gegenüberliegenden Seite die persönliche Empfehlung eines passenden Gerichts.
  • Vielen Dank allen und auf Wiedersehn in der Buchhandlung!

    Warum ich nicht bei Amazon kaufe

    bin ich heute von jemandem gefragt worden, der gar nicht weiss, dass ich Buchhändlerin bin. Ich konnte die Feindschaft der Unterlegenen (Amazon hat den Webshop mit Millionen perfekt digitalisierten Buchdaten eröffnet, für die Bezos nie bezahlt hat) nicht ins Feld führen.
    Ich musste mich auf die banalen Argumente einer urbanen Konsumentin beschränken: Ich kaufe nie bei Amazon,

  • weil’s da keine Lehrstellen gibt.
  • Weil selbst regionale Produkte nicht regional vertrieben werden.
  • Weil Amazon ein Preisgefühl für Bücher heranbildet, das der Leistung dahinter nicht gerecht wird.
  • Futura 2009

    Postkarte von Jos Fritz in Freiburg 2003
    [Mehr Fotos im Forum für den Buchhandel und in der Fotogalerie unserer Schule.]
    So, die Bücher sind nun ab- und wieder in Kisten geräumt und das ist alle Jahre ein Anlass für einen Beitrag zur praktischen Prüfung. (Blogs werden mit ihrem Alter nicht unbedingt weiser, meins jedenfalls neigt zur Redundanz.)
    Eine praktische Prüfung ist das Kernstück jeder Berufslehre. Zu ihr gehört fast immer eine Fallnote. Das bedeutet, dass die Berufsfachleute da entscheiden, ob jemand in einen Beruf bzw. zu einer Berufsgruppe gehört, unabhängig davon, wie gut Englisch- Deutsch- oder Buchhaltungslehrer ihn bewertet haben. Einerseits gewiss brutal, andererseits logisch, dass man einem Carrosseriespengler sein Fähigkeitszeugnis nicht aufgrund seiner Allgemeinbildung ausstellt. Genau so kann man eine Buchhändlerin nicht diplomieren, die weder verkaufen noch bibliografieren kann.
    Dass unsere praktische Prüfung am Schulort stattfindet, war bei der letzten Reform (im Jahr 2000) die beste der weniger guten Lösungen. Im Zuge der nächsten Reform wird diese Abschlussprüfung – wenn nicht noch etwas dazwischen kommt – in die Lehrbetriebe verlegt. Das braucht zwar das Zehnfache an Expertinnen und Experten, aber die Praxis zeigt sich im eigenen Arbeitsumfeld doch am besten.
    Aus der Futura-Geschichte:
    Futura 2005 (man beachte das gescannte Foto)
    Futura 2006
    Futura 2007
    Futura 2008

    Endlich.

    Postkarte von Jos Fritz in Freiburg 2003

    Endlich fertig und ausnahmsweise nicht in hilfsbereiter Stimmung. Wir – Prüflinge und Prüfende – verdauen noch die Lehrabschlussprüfungen. Da gehen wieder einige Dutzend muntere Buchhändlerinnen daraus hervor, die immer wieder und für jedermann ein Lächeln, Verständnis und ein freundliches Wort bereit haben. Egal welchen Beruf sie gerade ausüben.
    Postkarte by Jos Fritz, 2003.

    Tischgespräch [38]

    Kind:
    Heute hatten wir wieder einmal Aufklärung.
    Mutter:
    Und, wie war’s?
    Kind:
    Wir haben einen Film von 1975 geschaut. Die waren angezogen wie die im Franzbuch, nur noch etwas krasser.
    Mutter:
    Aber der ist ja noch älter als der, den ihr letztes Mal gesehen habt! Der war immerhin von 1990!
    Kind:
    Ist ja auch ein anderer Lehrer.
    Mutter:
    Und, was weisst du nun mehr?
    Kind:
    Dass die Jungs krasser drauf waren und die Mädchen mit Autounfällen beeindrucken wollten.
    Mutter:
    Und über Sex?
    Kind:
    Nichts Neues, das was immer kommt: Kein Glied ist zu kurz, kein Busen zu klein.
    Mutter:
    Stimmt halt.
    Kind:
    Aber der Film war immerhin mehr für Jungs. Der Lehrer hat sich am Ende bei den Mädchen dafür entschuldigt, dass der Film fast nur über Jungs war.
    Mutter:
    Er hätte die Klasse ja nach Geschlecht trennen können, wär eh besser.
    Kind:
    Ja. Der Film wollte das auch so. Es gab den gleich langen nämlich auch für Mädchen und aus Mädchenperspektive.
    Mutter:
    Und wieso habt ihr gemischt nur den für die Jungs geguckt?
    Kind:
    Weil der Lehrer das vielleicht nicht gewusst hat.
    Mutter:
    Und woher weisst du’s?
    Kind:
    Es stand auf dem Video.

    Den 137. Psalm entsorgen

    Er ist ein Überbleibsel aus meiner Buchhändlerzeit an vorderster Front: den ganzen Tag Beratung, Verkauf, Vertreterbesuche, Telefonate, Bestellungen und unzählige Schaufenster.
    Das Gedicht „Der 137. Psalm“ von Franz Hohler habe ich irgendwann in den Neunzigern für ein Weihnachtsschaufenster abgetippt, gelayoutet und auf grauem Hintergrund aufziehen lassen. Die Buchhandlung, in der ich arbeitete, hatte den Leitsatz „kritische Bücher zur Zeit“ und es wäre nichts falscher gewesen, als Sterne im Winterschaufenster.
    Ich erinnere mich, dass ein Kunde das Gedicht unbedingt kaufen wollte. Aber ich sagte, es sei nur in Buchform verkäuflich und behielt diese Variante viele Jahre im Back-Office aufgehängt. Als ich die Buchhandlung verliess, durfte ich es mitnehmen und nahm es in mein Heimbüro.
    Nun ist das Gedicht vergilbt und eingestossen und vielleicht auch passé.

    Der 137. Psalm, 1. Blatt

    „Den 137. Psalm entsorgen“ weiterlesen

    Widerstände

    Zwischen Auffahrt (dt. Himmelfahrt) und Pfingsten hat die Volksschule hier meistens Landschul- oder Projektwoche. Eher auf kollegialen Druck denn aus freien Stücke hat das Kind „Elektronik“ belegt. Der Lehrer und ehemalige Elektriker, der die Projektwoche geleitet hat, brannte für das Thema. (Und mein Verdacht, dass Projektwochen wohl der beste Platz sind für brennende Lehrer ist jedenfalls nicht widerlegt worden.)
    Täglich hat das Kind begeisterter von Transistoren, Stromrichtungen, Schaltungen, Widerständen und vom Löten erzählt. Mir hat sehr gefallen, wie zielorientiert hier gearbeitet wurde und wie sehr die Jungs auch abends noch bei der Sache waren. Ich selber hatte die Ohm ziemlich vergessen und mich nur noch erinnert, einmal eine ganze Reihe Widerstände in Regenbogenfarbreihenfolge auf eine Jeansjacke genäht zu haben. Für die Teilnahme an einer Friedens- oder Abrüstungsdemo. Das Kind schüttelte den Kopf und meinte in einem Ton zwischen Abgeklärtheit und Belustigung, der sonst mir vorbehalten ist: „was iiiihr damals nicht alles gemacht habt…“
    Projektwoche Elektronik

    Ein guter Anfang

    Nach langen Ferien wieder in den Alltag einzusteigen, ist für die meisten Menschen gewöhnungsbedürftig. Für mich ist jeweils das Erstaunlichste, auf eigene Zitate zu stossen, die mir nicht Wochen, sondern Lichtjahre entfernt scheinen:
    S. 13 aus dem m vom April 09 der comedia
    Aber ich habe gut angefangen, nach fünf Tagen hatte ich meine Post ab- und mich wieder eingearbeitet. Es hat sich gelohnt, vor den Ferien nichts pendent zu lassen, auch wenn viele Stirnfalten, abgekaute Nägel und manch graues Haar der Preis dafür waren.
    Übrigens habe ich mir schon länger vorgenommen, ab Vierzig sonntags frei zu machen (wobei hier Familienzeit, Gäste und das bisschen Haushalt realistischerweise inbegriffen sind). Ganz einfach wird’s wohl nicht. Und ob andere oder ich selber mein grösstes Hindernis sein werden, bleibt abzuwarten. Ich habe heute einmal die Arbeit notiert:
    1. Vereinsarbeit: Texte, Layout PDFs, Website
    2. Vorbereitung eines Anlasses vom Dienstag
    3. Vorbereitung Prüfungssimulation von morgen
    Erkenntnis: Punkt 3 hätte ich mit mehr Disziplin zwischen Montag und Samstag machen können. Punkt 2 kaum, Punkt 1 auf keinen Fall. Klar wird demnach: Sonntags frei = mind. Rücktritt aus Vereinsvorstand. An sich kein Problem. Aber damit leben zu können, „meinen“ Bereich im Vorstand dem Untergang zu weihen, weil ich – sehr wahrscheinlich – keine Nachfolge finde, ist die grössere Herausforderung. Deshalb ist es wohl nicht übertrieben, ein halbes Jahr vorher mit Üben anzufangen.

    Handy-Kunde(n)

    Treue Leserinnen und Leser wissen, dass ich mit jeder Klasse Inputs aufgrund eigener Erlebnisse (Tops und Flops) thematisiere.
    Weil ich meine, dass es kaum schlechte Kundinnen und Kunden gibt, sondern hauptsächlich schlechte Verkäuferinnen und Verkäufer, liegt mir Kundenbeschimpfung fern. Nicht so den Azubis, die brauchen – völlig richtig! – ein Ventil und dafür ist die Schule sehr geeignet.
    Ich könnte also Bücher oder Blogs füllen mit Fällen, in denen sich die Kundschaft miserabel oder originell bescheuert benommen hat, mache das aber wie gesagt aus obiger Überzeugung nicht. Trotzdem beobachte ich seit einiger Zeit, dass das Handy der Kundschaft den Buchhändlerinnen und Buchhändlern das Leben schwer macht. Und weil viele Buchkunden hier mitlesen, erlaube ich mir eine freundliche Bitte:

  • Falls Sie bereits mit dem Buchhändler im Gespräch sind wenn das Handy klingelt, beschränken Sie Ihr Handygespräch auf eine Minute oder lassen Sie den Buchhändler zum nächsten Kunden gehen.
  • Bitte rufen Sie keine alte Freundin an, während die Buchhändlerin einen Titel für Sie recherchiert, denn sie findet den Titel in der Regel rasch.
  • Wenn Sie in der Buchhandlung telefonieren, zeigen Sie dem Buchhändler durch Augenkontakt oder Handzeichen an, ob Sie mit ihm oder dem Gesprächspartner am Telefon sprechen.
  • Während die Buchhändlerin Ihre Einkäufe gerade eintippt oder einscannt, nehmen Sie bitte nur Telefongespräche an, die Sie an der Kasse und einhändig führen können. Bitte verlassen Sie dafür nicht die Schlange oder die Buchhandlung, ausser Sie möchten wegen des Telefonates nun auf Ihre Einkäufe verzichten und sie von der Buchhändlerin wieder ausbuchen und einräumen lassen.
  • Herzlichen Dank.