Bücher, die keiner kennt

Leere Schulhäuser eigenen sich zum Füllen von leeren Schaukästen. Ich und mein ehemaliger Chef haben uns zwei Schaukästen aufgeteilt.
Er hat ausgestellt:

  • Bücher, die einst jeder kannte
  • Ich habe ausgestellt:

  • Bücher, die keiner kennt
  • In seinem Schaukasten hängt ein Manifest für das Lesen. Auf eine Bücherliste der Klassiker hat er verzichtet („kennt doch sowieso jeder!“).
    Ich habe etwas weniger präsentiert, weil es mir an Präsentationsständern fehlte (die mitlesenden Buchhändler wissen, wovon ich rede). Ich stelle jedoch lieber weniger aus, anstatt viel Verbogenens. Zu jedem ausgestellten Buch habe ich den Titel und eine ganz knappe Begründung geschreiben, weshalb es unbekannt ist.
    Die Mutter, wie sie keiner kennt
    Mein Ziel ist, möglichst viele Leute im Schulhaus zu veranlassen, kurz oder lang stehen zu bleiben. Und natürlich freue ich mich schon auf die, die mir sagen werden, dass sie das eine oder andere ausgestellte Stück sehr wohl kennen. Die Intervention des Publikums ist für jede Schaufenstermacherin erstrebenswert. (Und was ich unterrichte, sollte ich natürlich auch beherrschen.)
    Natürlich ist auch die virtuelle Intervention möglich. Wer über eines der unbekannten Bücher mehr wissen möchte, frage einfach im Kommentar danach. Die mit „*“ wurden in diesem Blog bereits besprochen oder zumindest erwähnt.
    „Bücher, die keiner kennt“ weiterlesen

    Ehemaligen-Tag

    Heute habe ich ein wunderbares Mail von einem Ehemaligen bekommen. Er arbeitet inzwischen in England als „Assistant Sales Manager“ aber nicht für Bücher. Er schreibt, ich klinge in meinem Blog etwas überfordert, er hoffe nicht, dass das zutreffen.
    Er könne das bei mir Gelernte zum Teil auch im neuen Job anwenden, er begegne den Lagerkennzahlen täglich („Lagerumschlagsgeschwindigkeit“ und „Lagerdauer“ stehen punkto Beliebtheit in meinem Unterricht nicht gerade hoch im Kurs).
    Er schreibt zum Abschluss, auch wenn wir nicht immer einer Meinung gewesen wären, respektiere er mich für das Enegament und die Arbeit, die ich für die Schüler aber auch – und das habe ich noch nie von einem Schüler gehört – für die Schule geleistet hätte. „Weiter so.“
    Und jetzt gehe ich mit einer Ehemaligen essen. Ein richtiger Glückstag mit Schülern, die keine mehr sind, ist das heute.

    Leeres Schulhaus

    Es ist nicht so, dass ich die zertretenen Madeleines im Gang vermissen würde.
    Und auch nicht unbedingt die Kaugummis auf der Unterseite des Treppengeländerlaufes.
    Die Klagen über Benotung, Schulwege, Müdigkeit und andere Herausforderungen fehlen mir wirklich kaum.
    Ohne die belehrenden Bemerkungen zu meinen Unterrichtsmethoden kann ich ebenfalls gut leben.
    Schulhaus während der Herbstferien 2007
    Ich vermisse einfach die Schülerinnen und Schüler – alle zusammen. Ohne sie ist das Schulhaus so verdammt leer und langweilig.

    Les livres achetés Numéro 2

    Ich bin bei meinen Bücherkäufen kurz vor Marseille stehen geblieben.

  • Marseille, Guide Bleu
  • Ein praktischer kleiner Reiseführer von Hachette, der einer Tagestouristin wirklich alles sagt, was nötig ist. Gekauft in einem kleinen Laden am Vieux Port mit erstaunlichem Sortiment. Er bot zwar das ganze erwartete Kioskprogramm, aber er führte auch sieben anarchistische Zeitschriften. Zwischen all diesem Cécilia-Supermadame-Sarkozy-et-Vanessa-très-jolie-Depp-Hochglanz lagen sie einfarbig und unberührt. Eine gute Bloggerin hätte die Titel notiert, aber das war ich da wohl gerade nicht, ich finde jedenfalls keinen Notiz davon. Ich erinnere mich noch, alle Nummern durchgesehen zu haben, weil ich dachte, die Zeitschriften müssten zumindest uralt sein. Es war jedoch keine älter als von Juni 2007.

  • Den Ausstellungskatalog von LES RENCONTRES D’ARLES,
  • dieser Wahnsinns-Fotoausstellung, habe ich in der „Librairie Regards“, der Kustbuchhandlung der Vieille Charité gekauft. Wie häufig bei Museumskatalogen ist auch dies ein Meisterwerk mit herstellerischen Mängeln. Farblich und inhaltlich toll, aber ein gesucht originelles Format und kläglich geleimt. Einer der Schwerpunkte in diesem Jahr war zeitgenössische Fotografie aus Indien. Die Bilder von 2004 bis 2007 gefallen mir sehr, weil nichts darauf mit meiner Erinnerung an Indien übereinstimmt. Der Alltag einer Einkindfamilie in New Delhi scheint sich nur mässig von unserem zu unterscheiden.
    In Nîmes kehrte ich in der Librairie „LE BEDEPHILE“ ein. (Klammer für Nicht-Comics-Kenner: die „BDs“ sind die „Bandes Déssinées“, sie gehören in jedes französische Büchergestell und dazu – im Gegensatz zur deutschsprachigen Welt – absolut zum guten Ton.)
    Dort gekauft:

  • Die beiden autobiografischen Reiseberichte von Guy Delisle, Shenzhen und Pyongyang.
  • Les Profs, Tome 2 (für das Kind) – gnadenlose Comic-Strips von Pica und Erroc aus dem Schul-Leben.
  • Louna et sa mère von Sophie Gascon und Mar Chalvin,
  • weil’s mir gefallen hat, einem quirrligen Mädchen und ihrer rauchenden, am PC arbeitenden, oben ohne badenden, mal müde mal gewitzt argumentierenden Mutter beim Alltag zuzuschauen.
    Die Buchhandlung selber war ein Hit. Es gibt ja nur zwei Sorten Comics-Läden: die chaotisch-dreckigen mit den Eselsohren und die fein säuberlich aufgeräumten mit den glasklaren Ordnungssystemen. Letztere sind seltener, aber das war wieder so einer. Und die Telefonnummer auf den alten Plastiktüten korrigieren sie eigenhändig.

    Gescannte Tüte Librairie Le Bédéphile

    Das war’s. Mehr Bücher konnte ich nicht nach Hause nehmen.

    Les livres achetés

    Ich reise ja niemals allein. Die Buchhändlerin in mir ist immer dabei. (Ich habe eine grosse Sammlung von Buchschaufensterfotos und keine Ahnung mehr, wo ich sie aufgenommen habe. Und wann weiss ich nur bei den Digitalen.)
    Deswegen besuche ich überall Geschäfte, die Bücher anbieten. Die Ausbeute der letzten Ferien mit je einem Stichwort zum Ort des Erwerbs:

  • Le Roi de la Biblothèque.
  • Ein Kinderbuch. Gekauft in einer klitzekleinen Papeterie in Grande Motte. Aus einem Verlag, von dem ich noch nie zuvor gehört hatte. Gründ. In Berndeutsch wäre das des Grundes Plural.

  • De l’indigène à l’immigré
  • Ein aufschlussreiches Taschenbuch über die Geschichte der Einwanderung nach Frankreich.

  • La rue, village ou décor?
  • Ein wunderbarer Mix an Kultur- Sozial- und Architekturgeschichte über die Strasse. Von Projektphotografie bis Philosophie – war wohl einmal eine Dissertation gewesen.
    Beides gekauft bei Sauramps, die grösste Buchhandlung in Montpellier. Aber wie schon an anderer Stelle beschrieben: Egal wie gross die Buchhandlung, der Buchhändlerin Büro ist immer winzig.
    „Les livres achetés“ weiterlesen

    Am Morgen danach

    Reich beschenkt! Am Morgen nach der Abschlussfeier

    Gestern war unsere Abschlussfeier. Hach! Soche Anlässe gehören eindeutig zu den „Ups“ in der Lehrerinnenlaufbahn. Ich wurde reich beschenkt. Von einer Klasse habe ich ein T-Shirt mit meinem Stundenplan-Kürzel drauf bekommen „META“. Auf der Rückseite steht:
    -crawler
    -llic
    -morphose
    -pher
    -phrase
    -physik
    -plasmus
    Das hat mich sehr gefreut, weil ich an diesem Kürzel hänge, aber (leider) mit meiner Beförderung ein neues kriege: „ME“.
    Von der anderen Klasse habe ich ein Krönchen bekommen. Ein Schüler hat’s mir aufgesetzt und – ebenfalls in Anspielung darauf, dass ich den Abteilungsleiter ablöse – gesagt: „Der König ist tot, es lebe die Königin.“ Das hat mich ehrlich gerührt.

    Interview mit dem Chef

    Büchergestell im Büro

    Es gibt etliche Unterschiede zwischen deiner Buchhändlerlehre und der heutigen Lehre. Was beschäftigt dich davon am meisten? Was freut dich, was enerviert dich?

    Mich freut vor allem, dass unsere Lehre wesentlich vielseitiger ist. Sehr viel allgemeinbildender, sehr viel fachbezogener, also eine Lehre, die auf alle Facetten dieses Berufes vorbereitet.
    Was mich enerviert, ist die lasche Disziplin. Das ist im Wesentlichen mein Problem – vermutlich. Wir leben in einer anderen Zeit. Gott sei Dank. Aber wir prägen die Zeit und nicht die Zeit uns. Deshalb meine ich, etwas mehr Diziplin, vor allem Selbstdisziplin, könnte nicht schaden. In meiner Lehrzeit war ein Befehl ein Befehl, ob vom Lehrer oder vom Chef, es wurde nicht diskutiert. Wenn der Chef sagte, um zwölf bist du da, dann war ich da. Auf die Minute.
    Wenn er sagte, heute Abend ist ein interessanter Vortrag im Gürzenich, dann ging ich hin. Der brauchte nicht zu bitten. Die Bemerkung allein genügte, auch wenn der Vortrag in meiner Freizeit stattfand.

    Büchergestell im Büro

    Das Interview ist diese Woche in der neusten Nummer unserer Schulzeitung erschienen. Und es wird offenbar gern gelesen, ich wurde in der kurzen Zeit schon von ganz verschiedenen Leuten darauf angesprochen. Das Ganze ist ab Seite 4 im „Pegasus“ Nr. 83 zu lesen. Titel: „Manchmal auf Umwegen, aber eigentlich immer.“

    Kulturstadt ohne Neuerscheinungen

    Vor einigen Wochen begab ich mich in New York auf die Suche nach einer unabhängigen Buchhandlung. Ich orientierte mich zunächst in Richtung des Columbus Circle, wo sich einst Coliseum Books befand, ein Emporium des Geistes, dessen gelbe Plastiktüten – von denen ich einen scheinbar unendlichen Vorrat hatte – mich jahrelang zum täglichen Einkauf begleitet hatten. Zu meinem Entsetzen waren Plastikmannequins an die Stelle der Neuerscheinungen getreten, und die Vitrine war geschmückt mit kunstvoll herumgestreuten Bananen, deren künstlich grelle Farbe allein an den Vorgänger erinnerte.
    Traurig, dachte ich, aber nicht tragisch. Schließlich gibt es ja noch Gotham Books, das Urgestein des New Yorker Buchhandels. Dreimal lief ich direkt an Gotham vorbei, ohne es wiederzuerkennen, und der Grund war schlicht und einfach, dass es auch Gotham Books nicht mehr gab. Auf dem Broadway kehrte ich in ein Antiquariat ein, dessen Räumlichkeiten so beengt waren, dass jeder Kunde zuerst gewogen und gemessen wurde, bevor er hereingelassen wurde. Ein junger Mann von extremer Hautblässe bestätigte, was ich schon befürchtet hatte: Ich würde in eine der dreitausend Filialen von Barnes & Noble gehen müssen. Was ist mit Gotham geschehen, fragte ich ihn? „tot, mann, einfach tot. hast du ne ahnung, was das bedeutet, das ist der weltuntergang, mann, das ist wie das ende.“

    Der Rest der Kolumne von Ilija Trojanow ist eine treffende Zusammenfassung der Meinung von Ladenpreisbefürwortern. Das ist das Gute an unendlichen Themen: Man kommt zu brauchbaren Resümees von Postitionen.
    Ich selber hab‘ Coliseum Books auch nachgetrauert. Und ich war im Januar fast ein bisschen froh gewesen darüber, wohl mein ganzes Leben nie mehr nach NY zu kommen und mir den Untergang der „Indies“ aus der Nähe anschauen zu müssen. Nicht dass es um jeden Hippie-Reiseführer-Shop schade wäre. Aber wenn stimmt, was mir Büchermenschen erzählen, ist sowohl Sortimentstiefe wie -breite in New York endgültig beerdigt. Und was lernen wir daraus? Um eine weltweit angesehene Kulturstadt zu sein, braucht man keine Buchhandlungen (mehr).

    Voilà!

    Alles fertig. Zwei Wochen Prüfungen, alles korrigiert, zweitkorrigiert, besprochen, Notendurchschnitte gerechnet, verglichen, abgeliefert. Kisten von Prüfungen stapeln sich in den Büros unserer Schule. Nächste Woche sind Notenkonferenzen, übernächste beschliessen wir die Auszeichnungen, danach feiern wir die neuen Berufsabschlüsse.
    Buchhändlerinnen, die einen eigenössischen Fähigkeitausweis bekommen wollen, müssen folgende Fächer abschliessen:
    Schriftlich:
    Kulturkunde & Muttersprache
    Warenkunde
    Betriebskunde
    Französich
    Englisch
    Rechnungswesen
    Korrespondenz & Textverarbeitung
    Mündlich:
    Kulturkunde & Muttersprache
    Warenkunde technisch
    Betriebs- und Verkaufskunde
    Französisch
    Englisch
    Projektarbeit (Präsentation)
    Praktisch:
    Verkauf
    Bibliografieren
    Die praktische Prüfung hat eine sog. „Fallnote“, was bedeutet, dass durchgefallen ist, wer sie nicht besteht, egal wie gut er in den anderen Fächern ist. Das ist soweit ich weiss bei allen Berufen so und geht darauf zurück, dass keine Branche Berufsleute haben will, die den Beruf nicht können.
    Wie ich schon im Vorjahr angedeutet habe, halte ich unser Qualifikationsverfahren für überladen und freue mich auf die Reform, die immerhin parziell Vereinfachung vorsieht. Man traut sich inzwischen in der Schweiz unorthodoxe Dinge wie eine Fremdsprache nur schriftlich und die andere nur mündlich zu prüfen.
    Den diesjährigen Prüfungsplan hab ich mir als Andenken gescannt. (Achtung: gross und für Aussenstehende wohl eher nichtssagend.)

    Futura 2007

    Diese Woche ist praktische Prüfung. Wie die abläuft, habe ich 2006 geschildert. Letzte Woche habe ich die theoretische Prüfung abgenommen, was 20 Studen Fragestellung von Handelswegen über Marketing bis zu den unbeliebten Kennzahlen bedeutete.
    Diese Woche brauche ich nur gut zuzuhören, zu protokollieren und hin und wieder zu fotografieren. Und viel Neues lernen, das mach‘ ich natürlich auch. Im normalen Leben gebe ich mich der Illusion hin, den Überblick über die Neuerscheinungen zu haben. In diesen Prüfungstagen komme ich zurück auf den Boden und erkenne meine Ahnungslosigkeit.
    Futura 2007
    [Mehr Bilder in unserem Forum. ]