1. Weihnachtsgeschäft (2004)

Erste Weihnachten im Buchgeschäft. Das sind tausend Geschichten, Anekdoten wie Missgeschicke, viele schöne und unschöne Erlebnisse mit Menschen aller Art. „Geteiltes Leid“ und „doppelte Freud“ gilt auch hier. Und darum ist es wichtig, die Eindrücke der Lernenden einzuholen, solange sie noch frisch sind, selbst wenn es im Lehrplan nicht vorgesehen ist. Wir werden bis zum Semesterende jeden Anfang der Stunde fünf Minuten ein Erlebnis herausgreifen und diskutieren.
Ich habe einfach Karten ausgeteilt, eine Seite sollte positiv und eine negativ besetzt werden, anonym. Ich habe die Resultate zusammengefasst, damit ich allen eine Diskussionsgrundlage geben kann.
Ergebnisse 1. Lehrjahr A 2004
Ergebnisse 1. Lehrjahr B 2004

1. Schultag, 5 Ausschnitte

Nette, junge Leute und irgendwie unbeschwert heute. Vielleicht etwas müde, vielleicht etwas zum Motzen aufgelegt. Und zu erzählen gibt es halt viel nach der schulfreien Zeit. Meinem „Tsunami-Spendenaufruf“ sind auch einige gefolgt, denn wenn alle nur ein Fränkli entbehren und die Abteilung Buchhandel noch aufrundet, gibt das schon wieder ein paar Bastmatten in Sri Lanka.
Ein freundlicher Abteilungsleiter, freundliche Kolleginnen und Kollegen, am ersten Tag den Handschlag zum neuen Jahr. Und die Bitte, eine Kerze ins Fenster zu stellen, heute Abend. Sie brennt hier in meinem kleinen Büro und ist sicher gut zu sehen, die Menschen schauen gern hinter Fenster. Die aus dem Quartier fragen mich manchmal, was ich für ein merkwürdiges Zimmer hätte, in dem fast die ganze Nacht Licht brenne? Des Rätsels Lösung ist mein Bildschirm.
Eine lehrreiche Hospitation bei Kollegin WEBA und vice versa (also ob vice versa lehrreich weiss ich noch nicht, wir reden am Samstag). Eine Befragung der Lernenden, die WEBA für mich auswerten und kommentieren wird, bin gespannt was rauskommt dabei. Ich habe schon diverse Unterrichtsbefragungen hinter mit, von kurzen Feedbacks (Ziele erreicht?) bis zu mehrseitigen, ausgeklügelten ISO-Auswertungen mit Verlgeichszahlen und Durchschnittswerten.
Aber dass der Umgang mit Kritik schwierig ist, zeigt sich halt jedes Mal. Und dass Lernende einen ziemlich unterschiedlichen Massstab haben auch. Heute zum Beispiel: „Ihre E-Mails bleiben bei mir im Spam-Filter hängen, weil sie so viele in so kurzer Zeit schicken.“ „Warum kriege ich von Ihnen nie ein Mail? Haben Sie meine Adresse falsch geschrieben?“ „Ich will die Mails auch, können Sie sich meine Adresse bitte schnell notieren?“
Es heisst einerseits, man müsse jeden Lerntyp berücksichtigen, jeden Lernenden abholen wo er gerade sei, zwischen den Taxonomiestufen abwechseln und das Umfeld berücksichtigen. Gleichzeitig schreien andere nach dem Ende der Kuschelpädagogik, wieder andere nach Vergleichbarkeit der Testresultate, quer durch Kanton und Schweizerland nach einheitlichen Bewertungsschemen. Es ist eine ewige Wanderung und zwar auf mehr als einem Grat. Bisweilen sogar rückwärts balancierend.

Wahl
Kannst du nicht allen gefallen durch deine Tat und dein Kunstwerk,
Mach‘ es wenigen recht, vielen gefallen ist schlimm.


Ein schlechter Rat für Lehrpersonen. Aber trotzdem willkommen im Schiller-Jahr.

Weihnachtswünsche

Frohe Weihnachten!
Stellvertretend für alle Wünsche, die ich von Lernenden bekommen habe, hier einer, den heute alle Lehrpersonen dieser Klasse als elektronisch-musikalische Postkarte (siehe Bild) in ihrer Mailbox hatten:

Frohe Weihnachten, Merry Christmas, Joyeux Noël
Liebe Lehrerinnen und Lehrer der Klasse BH2B
24. Dezember, kurz vor vier Uhr: Die Finger wund vom tippen und Gschänggli verpacken, der Kopf noch sturm vor lauter Fragen und Wünschen, stehen wir – mittlerweile fast alleine – mitten im Laden und sehnen den Abend herbei… Die Schule noch irgendwo im Hinterkopf; „ach ja, da waren doch noch zwei Arbeiten zu schreiben… ?“
Der letzte Kunde hat den Laden verlassen, die Kasse ist gezählt; die Hektik hinter uns lassend, machen wir uns auf den Heimweg, die Strassen leeren sich, es dunkelt langsam ein. Geschmückte Weihnachtsbäume und Lichter begleiten uns, erinnern uns daran, dass es eine besondere Zeit ist. Eine Zeit der Stille, der Besinnlichkeit, der Nächstenliebe… besinnen wir uns darauf… leise fängt es an zu schneien.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen erholsame und schöne Festtage, viel Schnee und ein gutes Neues Jahr!
Ich freue mich darauf ‚meine‘ Klasse im Januar wiederzusehen und die zweite Hälfte unseres gemeinsamen Weges zu beschreiten. (Anscheinend habe ich aber trotz der eineinhalb Jahre immer noch nicht alle Namen richtig im Kopf. Nicht wahr Frau Metzler?!;-)
Frohe Weihnachtswünsche, G.S.
PS: verzeihen Sie die Musik, aber die musste einfach sein…

Ich kann mich G.S. nur von Herzen anschliessen und mich glücklich schätzen, engagierten Lernenden einen vielfältigen Beruf zu vermitteln. Ich habe schöne persönliche Post von vielen (auch Ehemaligen) erhalten, mit witzigen bis rührenden Wünschen und oft in Form von Dank. (Vor allem, dass ich jedes E-Mail so rasch beantworte, wird mir hoch angerechnet,*Frau Messerli freut sich*.)
Ich muss sagen, dass es Jahre gegeben hat, in denen diese Tradition fast verloren gegangen war und auf allen Seiten (auch von der Schule her) die Meinung vorherrschte: „Nichts sagen bedeutet gute Leistung, wenns schlecht wird, melden wir uns.“ Ich bin sehr froh, dass sich das wieder ändert. Denn Loben und Danken gehört nicht nur in die Kirche, es ist ein Haltung, die auch Schule machen muss. Und die Weihnachtszeit ist für mich eine gute Zeit, mir dessen bewusst zu werden.

Zu Besuch

Im Moment habe ich Lernende aus vierzig Ausbildungsbetrieben in meinen Klassen. Zwei Hospitanten aus einem kleinen Kinderbuchladen und aus einem Anitquariat sind mitgezählt. Diese vierzig Buchhandlungen und Verlage sind in der ganzen Deutsch-Schweiz verteilt, sehr viele sind in Basel und sogar die Lernenden aus dem Wallis drücken bei mir die Schulbank. Nur die Azubis aus Zürich und der Ostschweiz besuchen die Berufsschule für den Buchhandel in Winterthur.
Von all diesen Ausbildungsbetrieben kenne ich 90% aus realer Nähe. Und heute habe ich die letzte Buchhandlung von Innen gesehen, der kürzlich umgebaut hat, ich war heute Nachmittag bei Schreiber in Olten. Da habe ich meine Lernenden in ihrem schönen neuen Interieur besucht, gestöbert, mit Kollegin WEBA gefachsimpelt und – das war klar – Bücher gekauft.

„Lesen!“

Einige Lernende haben mich gefragt, ob wir eine Sendung mit Elke Heidenreich gucken könnten. Ich habe das schon mit früheren Klassen gemacht und mich auch dieses Semester um das Einplanen bemüht. Aber die Zeit hat einfach nicht gereicht und wir haben sie ja nicht vergeudet. Im zweiten Lehrjahr müssen wir im Dezember einfach immer Weihnachtsschaufenster gucken (und beurteilen) gehen. Und noch etwas frische Luft schnappen vor dem Stress-Finale.
Eine Schülerin hat mich letzte Woche um irgend eine Heidenreich-Sendung gebeten, die auch alt sein könnte. Anmerkung für Aussenstehende: Elke Heidenreichs Sendung „Lesen!“ hat eine sehr grosse Wirkung auf den Verkauf. Die Leute wollen haben, was sie und ihr Gast empfehlen. Das ist natürlich wunderbar für uns Buchhändlerinnen und Buchhändler und von daher sowieso interessant. Aber, um auf die Bitte zurück zu kommen, ich habe gewühlt und gespult und leider keine Aufnahme mehr gefunden. Ein „literarisches Quartett“ (das war das mit Reich-Ranicki) vom August 2001 ist alles, was ich anzubieten habe.
Aber für die, die morgen um 12.30 Uhr schon auf sind, kommt die Wiederholung der Sendung „Lesen!“ vom letzten Dienstag auf 3sat. Und wer entsprechend eingerichtet ist, kann die kompletten Sendungen auch online anschauen.
[Und zum Thema „Müdigkeit“ hats noch neue gute Kommentare gegeben. Lesen!]

Rezensions-Workshop

Am Donnerstag haben wir den Input eines Kollegen diskutiert:
Wie Abschalten nach einem schlechten oder ungerechten Feedback? Tipps waren (hier in Kurzfassung):

1. Weitere Feedbacks einholen
2. Mit Kollegen telefonieren und ausdiskutieren
3. Sich in die Zukunft „beamen“ und merken, dass das dann unwichtig geworden sein wird
4. Aufschreiben oder bloggen

Letzteres war von mir (wer hätte das gedacht). Und heute hatte ich unsere Schulzeitung im Briefkasten mit einem genau solchen Beispiel der Verarbeitung von nicht so tollen Lektionen. Denn ich hatte vor Kurzem einen ausführlichen Workshop mit zwei Klassen gemacht und dabei lief es nicht so gut mit dem Wissenstransfer, sprich: Lernziel nicht erreicht. Aber die Resultate sind dann doch gelungen. Und das habe ich den Lernenden genau so kommunizieren wollen und deshalb etwas dazu im „Pegasus“ publiziert. Aber den lesen auch die lieben Kolleginnen und Kollegen und die Buchhandelnden und Ausbildenden in den Betrieben. Trotzdem, wenn ich es jetzt anschaue, ist es für mich in Ordnung und abgeschlossen. Und die Verbesserungsvorschläge sind notiert und werden im Rahmen der Lerndokumentation analysiert oder besser: reflektiert.
Und hier, liebes Weblog, dein Belegexemplar. Die entsprechende Stelle ist gelb markiert, die Rezensionen der Lernenden folgen anschliessend: Pegasus Nr. 65.

Hospitation zum 1.

Heute hat D.B. bei mir hospitiert. Er unterrichtet angehende Köche in Burgdorf.
Klasse: 3. Lehrjahr. 13 Lernende. Ich kenne die Lernenden lange, die Klasse ist klein. Also opitmale Voraussetzungen für guten Unterricht. Mal abwarten, ob es auch von aussen gelungen aussah.
Unterrichtsstoff: Thema IT-Sicherheit, Datenschutz und Diebstahl.
1. Lektion: Wiederholung und Vertiefung der Erkenntisse aus einem Referat in den letzten beiden Lektionen. Feedback zum Referat und zum Referenten. Dazu kam die ausführliche Beantwortung einer in den letzten Lektionen gestellten Frage: „Warum überhaupt Datenschutz? Was hat das mit mir zu tun?“ Unterlagen: Folien der Präsentation des Referenten, Stelle über das Recht auf Privatspähre aus der Bundesverfassung. Methode: Frontalunterricht, offene Diskussion und kleine Denkaufgabe als Einzelarbeit („was erwarten Sie als Kundin eines Arztes, Anwalts oder einer Buchhändlerin an Datenschutz?“).
2. Lektion: Diebstahl im Buchhandel. Lernziel: Sensibilisierung / Möglichkeiten, Diebstähle zu bemerken / Risiken zu erkennen / Massnahmen zu erarbieten. Unterlagen: Artikel zum Thema Diebstahl aus dem Börsenblatt , Methode: Gruppenarbeit mit Expertinnengruppen (Kurzvariante).
Gefallen hat mir auch unser Gespräch danach, über Unterschiede und Gemeinsamkeiten. Etwas was uns beide belastet, sind Leute, die den Beruf nicht mögen, schon von Anfang an wissen, dass sie nie darauf arbeiten werden und das nur machen, weil sich gerade nichts anderes angeboten hat. Das hat der Koch öfter als die Buchhändlerin. Aber es schmerzt beide begeisterten Berufsleute und es ist manchmal schwierig, auf den Mund zu sitzen und nicht zu sagen: „Wenn Sie es so blöd finden, Fisch und 1000 andere Gerichte sowieso nicht mögen und eigentlich gar nicht gerne lesen: Voilà, hier ist die Tür.“ Dieser Frust für Branchen-Lehrpersonen ist eine Folge der Lehrstellenknappheit, die ich noch nie irgendwo erörtert gesehen habe. Jenu.
Sobald ich D.B.s Feedback habe, werde ich das hier publizieren.

Kopien

Von Januar bis Juni 2004 haben wir Lehrpersonen von der WKS 2’550’000 Kopien gemacht, das waren 570 Exemplare pro Tag. Hinkarren musste man dafür 25 Palette mit 12.5 Tonnen Ladung. Und gekostet hat die Kopiererei alles in allem 79’000.00 CHF.
Ich finde das ein wichtiges Thema für Lehrende. Und weil es kopiertechnisch und urheberrechtlich angebracht ist, wünschte ich mir mehr Gedanken an all das, bevor wir wild entschlossen Bücher auf Glasscheiben pressen, dass sie nur so auseinanderbersten. Aua.
[Es ist unklug über PISA zu klagen, aber Lernende niemals in eine Buchhandlung zu schicken, um ein Buch zu erwerben. Buch und Lernen sind eine Einheit.]