Es passiert Trauriges in unserer Familie, das Schicksal erscheint mir so lausig. Meine Nächsten sind zum Glück gesund und „alle sind froh, dass dieser Kelch an ihnen vorbeigegangen ist“, wie meine Cousine richtig sagt. Sie muss ihn nehmen, schon zum zweiten Mal.
Umso wichtiger, den Blick auf das Schöne zu richten: Es ist Sommer, ich mag die Wärme, ganz besonders das Zusammengehen von Hitze und Wasser, das uns dieses Wochenende in der Schweiz beschert ist. Dieses Wetter können wir gut gebrauchen, zum Draussensitzen, zum Hadern, Heulen und Heuen.
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Kategorie: Leben daneben
Ausserschulisches und Vermischtes
Sommerlesung
Die Zeiten sind ruhiger und ich komme so richtig zum Lesen und dazu, mich mit andren über Bücher zu unterhalten. Das Patenkind (15 Jahre alt) ist eine ehrgeizige Leserin und interessierte Gesprächspartnerin. Sie hat soeben „The Hunger Games“ von Suzanne Collins in Originalsprache gelesen und nun mit Süskinds Parfum angefangen. In beide versinkt sie, von beiden ist sie begeistert. Mir ist es mit der Mani-Matter-Biografie von Wilfried Meichtry nicht viel anders ergangen. Beste Non-Fiction seit langem. Menschen und Orte darin sind mir allerdings mehr als nur Begriffe, viele habe ich als Kunden in der Buchhandlung gekannt, andere persönlich, das verändert die Lektüre sicher ein wenig. Es ist ein Buch über Poesie genauso wie über Politik, mehr noch über das Staatswesen an sich. Für mich ist es auch ein Einblick in das Leben der Eltern, einer Generation, die viel um Begriffe rang und so manches Wort noch auf die Goldwaage legte. Die Briefe von Mani Matter, die für das Buch von Joy Matter und anderen erstmals zur Verfügung gestellt wurden, sind die eines grossartigen Denkers. Wenn nur ein ein Zehntel der Tausenden, die jedes Jahr Mani Matters Tonträger erwerben auch die Biografie lesen, bekäme die philosophischen Betrachtungsweise in Bern wieder mehr Raum.
Dann habe ich das neue Buch „Komm“ von Janne Teller gelesen, vor allem weil viele jüngere Leute sie verehren und weil’s um einen Verleger geht, der vor einer wichtigen Entscheidung steht. Schon Tellers Bestseller „Nichts“ kam mir relativ gesucht vor. Hier erging es mir nicht anders und ich wusste erneut nicht viel damit anzufangen.
Nun habe ich zwei parallele Lektüren, die sich etwas beissen, aber das eine Buch ist geliehen und wird deswegen nur daheim gelesen, während ich mit dem anderen viel unterwegs bin. Clemens J. Setz‘ „Indigo“ ist im Einstieg faszinierend, aber den gespannten Bogen habe ich bis jetzt noch nicht gefunden. Le Carrés „Der Spion, der aus der Kälte kam“ bleibt eines der aufschlussreichsten Bücher des 20. Jahrhunderts. Ich lese es ungebrochen beeindruckt in der soeben erschienenen neuen Übersetzung von Sabine Roth, die im gleichen Jahr wie das Buch (19639 geboren wurde. Vielleicht trägt ihre Glanzleistung dazu bei, endlich auch den literarischen Gehalt dieses Werkes bekannt zu machen? Ich habe noch nie verstanden, weshalb das Buch nicht auf jeder erlauchten Literaturliste zum kalten Krieg aufgeführt ist.
Die Feste sind gefallen
Es begann voriges Wochenende mit der Feier anlässlich des 75. Geburtstags meiner Schwiegermutter. Darauf folgte mein letzter Schultag mit den Lernenden des zweiten Lehrjahres, die im dritten keinen Unterricht mehr mit mir haben. Gefeiert haben wir zwar nicht, aber mündliche Prüfungen simuliert und uns in Minne verabschiedet. Der Dienstag stand von morgens bis abends im Zeichen unserer buchhändlerischen Schlussfeier, die mich wie jedes Jahr hat Blut schwitzen lassen, aber wunderbar geraten ist. Die Beiträge aus den Abschlussklassen waren ein Feuerwerk: Emotionen, Dichtung, Wahrheit und tausend Gründe, sich zu kugeln vor Lachen, sich einer neuen Buchhandelsgeneration zu erfreuen und alle in bester Erinnerung zu behalten.
Am Mittwoch habe ich mitgeholfen, die Diplome für die Riesenfeier für 1230 frische Kauffrauen und Kaufmänner vorzubereiten. Abends erhielt ich die elektronische Nachricht vom Kind, es habe die Matura bestanden, worauf wir Eltern anstiessen. Donnerstags stieg das grosse KV-Fest mit allen Absolventinnen und Absolventen sämtlicher kaufmännischen Lehren im Kursaal. Obwohl das so viele Leute sind, feierten sie dank schöner Umgebung und knisternder Stimmung fröhlich und so, dass jeder auf jeden stolz sein konnte. Ich war am Morgen dabei, am Abend beging ich im Familienkreise das Wiegenfest meiner Mutter. Freitags war dann mein letzter Arbeitstag im Schuljahr, ich unterrichtete bis 17.15 und gab danach die Notenlisten ab. Um 18.00 Uhr begann die schöne Maturfeier vom Kind im Kleezentrum, welche wir im Garten der Casa d’Italia fortsetzten…
… und über das Wochenende breitete sich ein sentimental-befriedigendes Gefühl: „Vorbei.“
Gute Sachen
Ineffizienzdenken
Obschon ich manchmal nette Komplimente zu meiner Effizienz bekomme, so trügt der Schein. Ich glaube viel mehr, dass ich viel arbeite, weil ich ineffizient bin. Absurd, dass mich vor allem gedankliche Weitschweifigkeit am Fleck behält. Im Moment denke ich viel nach über
Ich recherchiere, wie oder ob die Bücherverbrennung Leute geprägt hat. Völlig nutzlos, das ist längst erforscht und dient weder meiner Arbeit noch meiner Weiterbildung (die da Französisch wäre). Ich muss auch keine Archivstruktur für E-Korrespondenz entwerfen, ich kriege bestimmt früher oder später Vorgaben und mein Postfach ist noch gar nicht voll. Und Vergessen sollte man ja können, sonst kriegt man das Neue nicht auf die Reihe. Es ist bitter, aber effizienter.
Wenn
Wenn ich
ist Prüfungszeit. Good luck allerseits!
Tornado
Traurige Tage für die Menschen in Oklahoma und auch für mich, die ich diesen Staat und seine vielseitige Bevölkerung sehr schätze. Ich habe auf der Reise durch das windige, teils gnadenlose Land sehr viel gesehen und gelernt.
Es kurzet
Nie hätt‘ ich gedacht, dass ich selbst am Pfingstmontag nicht einmal einen Wochenrückblick zu Stande bringe. Aber so ist es wohl vermehrt mit zunehmendem Alter und Schlafbedarf.
„Guetet’s nid so churzet’s“* – ist ein typischer berndeutscher Rat für jedermann. Ob für Gestresste, Kranke oder solche in Ehekrise klingt er zwar mehr oder weniger zynisch, aber stimmen tut er immer. Im Grunde ein Ratschlag, der sich sogar unter Zenbuddhisten und Gelassenheitskennern hören lassen kann.
Auf unserer USA-Reise hat mich das Kind nebenbei darauf aufmerksam gemacht, dass das eigentlich eine Version von „hold on“ sei, die emmentaler Variante einer Durchhalteparole. So hatte ich das noch nie überlegt, aber da ist ‚was dran. In diesem Sinne: Gute Woche allerseits!
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Illusionen
Jedes Mal, wenn ich Südfrankreich entgegenfahre, verstehe ich Van Gogh. Zuerst sind die Vallées noch grün und gelb und dann legt sich langsam ein rotbrauner Schimmer über die satten Farben. Sobald das Land flacher wird, wirft der hohe Himmel ein neues Licht. Die Häuser in dem hellen Stein, einer Farbe zwischen altrosa und beige, bringen jede Blüte dezent zum Leuchten. Die seit Jahrhunderten in bestimmter Anordnung angelegten Felder und Hecken erinnern an die pedantische Arbeit für die vielgängigen Genüsse französischer Küche, die schon hier beginnt.
Näher dem Meer wird die Landschaft erst recht zu einer Bühne, genau wie Van Goghs Skizzen und Gemälde aus der Gegend: Kornfelder, Bäume, Boote, Brücken, manchmal sogar Menschen, immer nur vereinzelt: Die Objekte spielen im Schein eines gewaltigen Hintergrundes.
Dieses Licht hat so gar nichts Zufälliges, seine Interpretation wird zwanghaft. Blendend, gleissend, manchmal gar im Schatten brutal, auf der Kirschblüte sanft. Ich verstehe, weshalb einer gerade hier fand, was er malen wollte. Oder wie.
Mikrokosmos Auffahrt
Unsere Schule ist von Auffahrt bis Sonntag geschlossen. Dank jahrelangen Verhandlungen darüber, lernt der Mensch, dass Ungerechtigkeiten selbst in unserem abgesicherten Leben dazugehören. Manche sind gezwungen, trotz gegenteiliger Verodnung zu arbeiten und müssen diese Arbeit also nach Hause nehmen. Zum Beispiel die, die Prüfungen gegenlesen, aber es gibt auch anderes Administratives, was wegen Terminen nicht warten kann. Bei den Azubis gibt es zahlreiche verschiedene Regelungen: Einige dürfen mir nix dir nix „die Brücke machen“ weil die Schule das auch macht, andere müssen frei nehmen, wenn sie „brücken“ wollen, wieder andere müssen Freitag und Samstag arbeiten. Und die Abschlussklassen sind auf ihrer Kulturreise, was neben den Azubi-Fragen auch Fragen zur Arbeitszeit der Begleitpersonen aufwirft, weil diese Brücke für die Lehrpersonen neuerdings im Kanton Bern zu den bezahlten Feiertagen gehört. Ebenfalls bedenkenswert: Auffahrt ist der Ökumene nicht gleich heilig und andren Religionen egal, die möchten an ihren Feiertagen frei. Um diesem Vorwurf entgegenzuwirken haben die meisten Kantone freie Halbtage erfunden, die jeder Schüler ohne Angabe von Gründen einziehen kann. Dies wiederum gilt leider nicht an Berufsfachschulen, weil Lehrverträge Arbeitsrecht sind und Unterricht als Arbeitszeit gilt.
Wegen solchen Dingen bleibe ich gern lange an der selber Arbeitsstelle. Ich lerne nie so viel wie bei Ereignissen, die im Grossen und Ganzen irrelevant, aber vorhersehbar sind und sich zuverlässig wiederholen. Gerade die Auffahrtsbrücke liefert ein Fallbeispiel für mindestens fünf Wissenschaften: Soziologie, Psychologie, Ökonomie, Politikwissenschaft und Betriebswirtschaft.
Ich habe das Privileg, meine Arbeit im Freien in Südfrankreich machen zu können, ich brauche nur ein Notebook und alle 24h kurz Internet, wie jetzt grad schnell in der Mücken-Ecke auf einer McDonald’s-Terrasse. Vor zehn Jahren noch hätte ich daheim im Regen bleiben müssen.