Der Renner

Renner am Längenberg

ist mein einziges und bestes Instrument, die Arbeitslasten für zwei Stunden abzuschütteln. Der Soundtrack im Kopf dazu ist auch schon zwanzig Jahre alt. Hab ich mir damals, als ich diese CD von Meredith Brooks kaufte, etwas vom Heutigen als Zukunft vorgestellt? Ich weiss es nicht mehr. Aber es ist wohl einfacher, sich ein Bild vom Leben in zwanzig Jahren zu machen, als sich an die eigenen, weit zurückliegenden Erwartungen zu erinnern.

My April

Ich sitze am Küchentisch, versuche mir vorzustellen, was der blitzschnell vorbeirasende April mir gebracht hat und merke: Es war vor allem Wachstum.
Kinder sind zur Welt gekommen. Entsprechend habe ich den Chinderbuechlade besucht, denn etwas anderes als Bücher kriegen Bébés von mir nur in Ausnahmefällen. Dabei habe ich gemerkt, dass Bilderbücher, die ich gerade noch als besonders originell gefeiert habe (wie zum Beispiel „Nick“ von Benji Davies oder die Torten-Titel von Thé Tjong-Khing) unter verständigen Buchhändlerinnen längst Klassiker geworden sind. Aber Bilderbücher öffnen sich immer wieder neu, meine Entdeckung ist Pija Linderbaums Greta.
Und „meine“ Abteilung Kundendialog wird im neuen Schuljahr noch grösser. Ich wähnte mich auf der sicheren Seite, als ich (neu) drei Parallelklassen für 2017/18 beantragte, erhielt und plante. Nun reicht das nicht, es stossen Neue aus der Ostschweiz zu uns, wir brauchen eine vierte Klasse. Alle Mitlesenden mit Schulleitungskenntnis wissen, was das bedeutet. Den anderen sei gesagt, dass es eine geeignete Aufgabe für „Germanys next topschulleitung“ wäre. Man hat nämlich erstmal nichts: Keine Stundenplanzeitfenster mehr, keine Räume, keine PCs und noch keine einzige Lehrperson. Dafür umso mehr Anfragen von Leuten, die wissen möchten, in welche Klasse sie eingeteilt werden und von wann bis wann welches Fach haben und vielleicht auch noch grad bei wem (was verständlich ist, denn die machen ja jetzt die Arbeitspläne für die Integration der neuen Azubis)? Praktischerweise fällt diese aufbauorganisatorische Herausforderung mit der kritischsten Phase der Ablauforganisation einer Berufsschule zusammen: Der Prüfungszeit. Als Leiterin der Abschlussprüfungen Kundendialog bin ich auch in die Erstellung, Durchführung und – wegen Ausfällen – in die Korrekturen involviert. Andre, die mir sonst helfen könnten, sind mit den Prüfungen ihrer eigenen Abteilungen ausgelastet, die Sekretariate sogar überlastet. Und fast vergessen: Budgetphase ist auch jetzt. Falls jemand fragt, was Schulleitungen den lieben langen Tag so machen, wäre die Antwort simpel: Management.
Und noch eine grosse Überraschung: Das Ehemaligentreffen der Buchmenschen unserer Schule hat enormen Anklang gefunden. Über 180 Leute sind zusammengekommen, um sich miteinander über alte und neue Zeiten zu unterhalten. Und dies, obwohl wir nur via Social Media und mit einem Inserat in der Branchenpresse für den Anlass (für den es gar kein Programm gab) werben konnten. Eine Bildauswahl des aussergewöhnlichen Abends habe ich inzwischen zusammengestellt und richtig Freude daran. Ich finde die Fotos, die von verschiedenen Laien gemacht wurden, fangen die Stimmung an diesem 1. April sehr schön ein. Auch wenn der Buchhandel schrumpft und viele der Gäste heute andere Betätigungsfelder haben, war die Verbindung über Bücher und das Lesen und Menschenfreundlichkeit an sich einfach in allen Gesprächen spürbar. Die junge Frau, die mir in der Lehre nachgefolgt und also meine „Unter-Stifin“ war, wird demnächst Grossmutter, Wachstum auch da.
Zudem bot mein April mir gleich zwei besondere Gelegenheiten, selber zu wachsen. Der Sohn war krank (im Spital) und ich hatte meine erste Woche als normale Studentin (BWL, RW und Controlling) an der Fachhochschule. Beides verschiedene, aber doch sehr neue Herausforderungen für mich, die viel Geduld und Kraft erforderten. Die Studienwoche muss ich noch nachbearbeiten, aber der Sohn ist zum Glück schon fast wieder genesen.

Online-Persönlichkeiten

Wenn mich etwas stört am Alter, dann der Schlaf, den ich zusätzlich brauche. Nicht nur das Lesen von Büchern, sondern auch das Schreiben längerer Beiträge hier kommen dadurch zu kurz. Geplant war eigentlich, das Bloggen zu Gunsten von Beziehungen im realen Leben zu reduzieren oder gar einzustellen. Inzwischen ist es aber so, dass ich die Zeit eher fürs Ruhen oder andere Social Media brauche als für Menschen. Darob gerät meine Persönlichkeitspyramide, die real wie auch virtuell ist, durcheinander. Zuunterst bin ich, soweit ich mich selber erkenne. Diese Basis brauche ich, damit ich extern auftreten kann. Danach kommt die Ebene für ebendiesen Aussenauftritt, wie er wohl den meisten vertraut ist: Familienbande und Freundeskreis, dann die Arbeitspersönlichkeit in Varianten (mit und ohne Aussenwirkung, mit und ohne Bühne, mit und ohne Schreibe in eigenem Namen). Die nächste Ebene, für welche die beiden vorherigen die Grundlage bilden, ist dann meine Blog-Persönlichkeit. Mit Zensur versehen, weil ich ja nicht anonym schreibe, aber doch persönlich, über Jahre gepflegt und daher wichtig für alle folgenden Schichten der Onlinewelt. Bei Twitter habe ich ein Profil, das politisch ziemlich ehrlich ist, Feminismus zulässt und dann und wann auch einen kleinen Hänger. Die letzte Ebene meiner Online-Persönlichkeiten ist Facebook, wo ich mich erst seit letztem Herbst aufhalte. Dies, weil ich einen Anlass organisierte, für den FB eine zentrale Rolle spielte. Wie immer, wenn ich mich auf eine neue Plattform begebe, zeichnete ich mir vorher auf, wer ich dort sein würde. Aber der Plan ging nicht auf – die Freundschaftsanfragen kamen so schnell und so gemischt, dass ich in weiten Teilen von meiner ursprünglichen Vorstellung von mir selber auf FB verabschieden musste. Mehr dazu ein anderes Mal, ich muss ins Bett.
Allen eine erquickende Woche!

Zum Weltfrauentag 2017

Heute werden wir mehr lesen zum 8. März als andere Jahre. Der Women’s March on Washington hat letztendlich die Erkenntnis erneuert, dass Frauenrechte noch jung und nicht umsonst sind. Was sich in vielseitigen Presseartikeln wie auch im guten alten Leserbrief („Emanzen!“) niederschlägt, wobei mich letzterer besonders nostalgisch stimmt. Es gibt sie noch, die ganz normalen Frauenhasser!
Zum Weltfrauentag hab ich drei Erzeugnisse weiblicher Kreativität ausgewählt: Ein Gedicht, eine Reportage und ein Lied.
Das Gedicht hat die fast vergessenen Debora Vogel (*1900 bei Lemberg, +1942 im Lemberger Ghetto) in den Dreissigerjahren geschrieben. Dank des sehr geschätzten „Sinn und Form“ ist es erstmals auf dem Netz zugänglich. Es passt zur Skepsis, die diesem Frühlingsanfang 2017 innewohnt.
Akazien blühen
Es gibt enorm viel Raum in der Welt: unnötigen,
unbeholfenen Raum.
O, die flachen langsamen Räume, langweilig wie
ein großer mit Lauge gescheuerter Bretterfußboden,
wie die runde Landschaft eines Kalendersonntags
mit Menschen, die für etliche Stunden ihr Schicksal
irgendwo verlegt haben. Und die bummeln.
Quelle: Sinn und Form 69. Jahr, 1. Heft 2017, Leseprobe mit Hinweisen auf das Leben der Autorin.

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A few notes

#Womensmarch: Diese Pussyhats halte ich für eine hervorragende Marketingidee. Stricken, Farbe, Ohren der Katze – ein Tier, das sich nichts aufzwingen lässt. So wird „fadengrad“ Bezug genommen auf das vollständige Zitat, welches ja mehr ist als ein Aufruf zu Übergriffen. Es ist die Feststellung, dass Männer mit Macht mit Frauen alles machen können. Und das stimmt ja schon viel zu lange in unserer Geschichte und immer noch viel zu häufig. Ich bin froh, ist diese Unterhaltung des amerikanischen Präsidenten publik geworden ist. Wie viel Widerstand und Kreativität sie entfesselt, ist beeindruckend. Auch bei Mädchen und jungen Frauen, die sich daran gewöhnen müssen, dass es noch viel Arbeit gibt.
#Inland: Heute hat die NZZ am Sonntag einen Artikel über die Vereinigung Islamische Jugend Schweiz gebracht, für den ich dankbar bin. Der Verein breitete mir schon länger Bauchschmerzen und hier werden die Verflechtungen mit radikal islamischen Playern aufgedeckt. Ich kenne diese Doppelzüngigkeit von der LTTE, deren friedliche Aktivitäten oft genug einer gewalttätigen Agenda folgten. Erkenntnisse aus meiner ehrenamtlichen Arbeit haben mich im Laufe der Jahre misstrauisch werden lassen. Meine grosse Bitte an die hier lesenden Lehrer und Heilpädagoginnen: Augen auf!
#Innenpolitik: Blochers Stabsübergabe an Köppel sei vollzogen, er trat dieses Wochenende wieder einmal begeistert mit seinem „Ziehsohn“ auf, um den Schwung zu nutzen und noch mehr Leute zu bekehren. Ich frage mich ganz naiv, was an Stäben übergeben worden ist? Die Millionen wohl kaum. Eine Hängeregistratur? Ein Karteikasten? Vertrauenswürdiges Reinigungspersonal?
#1stWhiteHousePressConference: Erinnert sich jemand an Comical Ali? Ich weiss nicht, ob Sean Spicer es zur Kultfigur bringt. Wäre die Lage nicht so ernst, hätte er bestimmt das Zeug dazu.
#Weiterbildung: Der Start ist reibungslos verlaufen, während fünf lehrreicher Tage habe ich innovative, bienenfleissige, offene und lustige Schulleiter*innen vom Kindergarten bis zur Berufsfachschule kennen gelernt. Mit der Zeit lief ich allerdings an der Grenze der kommunikativen Belastbarkeit (ich war aber nicht die einzige, die neben dem Studium und den Gruppenaufträgen noch Mails und Rückrufe abarbeitete). Ich bin aber dran, einige Erkenntnisse zusammenzufassen und werde gern später berichten.
Schöne Woche allerseits! Stay involved.

Üben für Weihnachten 1980

Nur kurz2: Weiterbildung

Morgen beginne ich eine Weiterbildung zur Schulleiterin. Sie wird bis im Frühling 2019 dauern und sollte mit einem CAS abgeschlossen werden. Ich habe mich für einen Studienort ausserhalb des Kantons Bern an der FHNW entschieden, weil ich bei meiner Arbeit vorwiegend mit anderen Kantonen zu tun habe. An den beiden Abteilungen, die ich an der Berufsfachschule leite, lernen Azubis aus der ganzen Deutschschweiz und da kann es mir nur nützen, in der Zentralschweiz zur Schule zu gehen. Wir beginnen morgen mit einer Kick-Off-Woche in Sachseln in Obwalden, was schonmal sehr gut ist, weil ich da garantiert noch nie gewesen bin.
Die Themen der ersten Woche sind

  • Einführung in den Lehrgang und E-Portfolio sowie Bildung von Lerngruppen und Planung
  • Führungsbegriff, Führungsmodelle, Reflexion über Einfluss von Führung
  • Integrales Management-Modell, Management by Objectives
  • Aufgaben einer Schulleitung
  • Werte in der eigenen Organisation
  • Rollenerwartungen
  • Kompetenzarbeit
  • Organisation, Kultur, Organisationsdiagnose
  • Führung in der Privatwirtschaft
  • Führungsstil
  • Intervision
  • Ich freue mich. Dieses Weblog habe ich ja 2004 für meine erste Weiterbildung ausserhalb des Buchhandles eröffnet und es seither immer wieder für die Dokumentation von Weiterbildung gebraucht. Das werde ich wohl auch weiterhin so handhaben. Ich weiss gerade noch nicht wie und wie oft. Wir werden sehen.
    Ich wünsche allen einen fröhlichen Start in die neue Woche!

    Nur kurz1: Bernensia

    Ihr Lieben, die ihr mir geschrieben habt: Danke für eure Beileidsbekundungen, weil wir nun anstatt einer Frau einen Mann als Stadtpräsidenten haben. Das ist der Normalfall und nichts, was mich erschüttert. Aber zur Frauenförderung gibt’s keine Alternative – wir müssen es nächstes Mal wieder machen und ich bin stolz, in einer Partei zu sein, in der Frauen für Exekutivämter aufgestellt werden, auch wenn ihre Chancen, gewählt zu werden, geringer sind. Meine Tweets zum Wahlausgang betreffen aber Sorgen, die ich mir ehrlich mache.


    Bis jetzt hatten wir das ganz gut getrennt in Bern mit dem alten Geld und der Politik. Aber die Von Graffenrieds haben 2003 die Berner Zeitung „Der Bund“ gerettet, dessen Chefredaktion sich nun über ein Jahr lang eindeutig und einseitig dem auf mich lange unmotiviert wirkenden Patrizierspross verschrieben hat, wie natürlich auch die Burgergemeinde. Dass die Präsidialdirektion der Bundesstadt nun in dessen Händen liegt, kann vorkommen. Dass ich als Bürgerin überhaupt nicht sehe, wer hier wen mit wie viel unterstützt, stört die Harmonie erheblich.
    Aber jetzt zurück zu den Mädels: Ich habe ausgerechnet, dass ich, wenn ich so fit bleibe wir meine Frau Mamma, noch die Frauen in der Politik werde fördern können, die heute als Jugendliche politisch aktiv werden (in einer mir erträglichen Partei). Da gibt es also noch einige Wahlkämpfe zu belgeiten. Und vielleicht sogar zu gewinnen.

    Listen more; talk less

    Ab morgen mache ich Ferien in den Walliser Bergen und bin unentschlossen, ob ich hier noch etwas zum neuen Jahr hinterlassen soll? Vielleicht eine Buchempfehlung? Gerade habe ich Ecos „Bücher sprechen über Bücher“ fertig gelesen und war einmal mehr erstaunt über seine Formulierfreude und überhaupt das Visionäre in den doch nur kurzen Essays. Aber mehr dazu zu sagen ist nicht nötig, denn das Bändchen hat nur 47 Seiten und sein Inhalt dient denen am besten, die ihn selber lesen.
    Die Regionalpolitik eignet sich leidlich für den Jahreswechsel, es sind der Empfehlungen genug vorhanden. Auch die Weltpolitik ist qualitativ und quantitativ ausreichend abgedeckt, Kommentare gibt es im Überfluss. Deshalb widme ich mich den Antworten des unbekannten Quäkers auf die Frage „Wie werde ich ein besserer Mensch?“, die gut zum neuen Jahr passt und mich ohnehin oft beschäftigt. Wobei ich sie mir eher in der weniger ehrgeizigen Version stelle: „Wie werde ich kein schlechterer Mensch?“ Es fällt mir zunehmend schwer, engagiert und reflektiert und allen Menschen zugeneigt zu blieben, wenn ich mich umzingelt fühle von so vielen, die nur noch auf den Bauch hören.
    „Listen more; talk less“ weiterlesen

    Was in der Zwischenzeit geschah

    Ich sehe, ich habe lange nicht geschrieben, quel dommage! Passiert wäre genug, in meinen drei Tätigkeitsfeldern von Erwerbsarbeit, Familie und Ehrenamtliches ist ja stets irgendwo oder gar überall Bedarf. In aller Kürze: Wir haben en famille nächtelang gebacken (der Kalender gab bekanntlich dieses Jahr keine zusätzlichen Tage frei). Zudem telefonierte ich mehr als je zuvor in meinem Leben. Denn der von mir betreute Beruf „Fachfrau/Fachmann Kundendialog“ hat einen enormen Lehrstellenzuwachs erfahren. Der Beruf ist noch immer neu, und wir sind der einzige deutschsprachige Schulort, weshalb wir als Stelle für Beratung, Trost, Ermunterung, Stundenplanwünsche, Clearing und Triage fungieren. Von Fragen besorgter Eltern (langer Schulweg) über solche neuer Berufsbildnerinnen (wie mache ich einen internen Ausbildungsplan) bis zu kantonalen Zuständigen (wer kann wovon dispensiert werden) werden uns gestellt.
    Politisch ist Bern immer noch mit den Wahlen eines neuen städtischen Oberhaupts befasst, und da müssen wir dran bleiben, wenn wir eine Frau wollen. Mach ich gern! Richtig schön war das Treffen mit Ursula Wyss auf dem Hochhaus in Bern-Bethlehem, wo über 400 Menschen aus aller Welt und ein Grossteil meiner Familie wohnen. Und unter uns: Ich will nicht bloss „eine Frau“, ich will auch das Scheidungskind mit Fortsetzungsfamilie, eine Politikerin, die aus eigener Kraft mit klarem Kopf und mit selber verdientem Geld ihren Weg gegangen ist, die weder aus einer Politikerfamilie noch von den Bernburgern stammt. Ich hoffe inständig, die Bundesstadt sei nun reif dafür.
    Ansonsten habe ich zahlreiche Entwürfe für ganz verschiedene Dinge gemacht, Notwendiges wie Überflüssiges – selbst ein neuer Beruf ist dabei. Und sogar der Selbstversuch Chorsingen ist schon zum zweiten Mal gut gekommen – „rock the Buxtehude“ schrieb eine Freundin, als ich zweifelte. Zuerst scheint es mir immer zu viel, aber sobald ich dran bin, das einzig Richtige.
    Besonders erfrischend waren heuer meine Besuche bei den angehenden Buchhändlerinnen an ihrem weihnächtlichen Arbeitsplatz. In der Dauerkrise freuen sich alle an guten Kundengesprächen, an Dankbarkeit und Interesse und der sorgfältigen Auswahl auf beiden Seiten. Mögen die Umsätze stimmen!
    Mehr als andere Jahre habe ich mir zudem überlegt, ob und wie Weihnachten sich für mich verändert hat. Sicher bin ich konsumorientierter geworden. Aber nicht nur, weil ich mir mehr leisten kann, sondern weil es auch viel mehr Verschiedenes zu kaufen gibt. Ich hatte mir als Kind jahrelang Flossen und eine Taucherbrille gewünscht, aber das fand man damals im Dezember – in dem auch mein Geburtstag ist – gar nicht. Erdbeertörtchen hätte ich auch gern gehabt, doch ausser Äpfeln, Mandarinen und Nüssen gab’s ja zu der Jahreszeit nur eingemachte Früchte. Meist bekam ich dann ein schönes Pyjama (unvermeidlicher Helvetismus, so hiess das halt für mich), welches ich möglichst rund um die Uhr die ganzen Feiertage über anbehielt.

    Üben für Weihnachten 1980

    wieder aktiv(er)

    Nach elenden politischen Entscheidungen oder Terroranschlägen muss ich immer viel lesen (aktuell Richard Ford), bevor ich wieder richtig denken (und schreiben) kann. So bin ich zwar übernächtigt, doch Tatendrang kehrt in Ansätzen zurück.
    Heute war ich den ganzen Tag an der Herbsttagung des SBFI, mein Highlight unter derlei Veranstaltungen. Zum einen, weil es keine andere gibt, die so viele Menschen der Berufsbildung vereint, zum anderen, weil sie in einer Form organisiert und moderiert ist, die dem riesigen Bedürfnis nach Austausch entgegenkommt. Vornehmen tut sich das ja jeder Veranstalter, aber wie schnell kürzt eine Moderation die Kaffeepause, nur weil eine/r sich zu gerne reden hört? Dabei ist die genauso wichtig wie das Inputreferat. A propos: Dieses hielt heute der CEO des Gottlieb Duttweiler Instituts, David Bosshart. Sein Institut der Trendforschung geht auf den Migros-Gründer zurück, der seinerseits so manchen Trend vorweg genommen und bei mir auf jeden Fall eine Menge Kredit hat. (Meine Grossmutter kaufte trotz Anfeindungen der dörflichen Gewerbebetreiber im Migroswagen ein, heute bilde ich Fachleute Kundendialog von Digitec Galaxus aus.) Zu müde, sein Referat zusammenzufassen, sag ich nur das Wichtigste: Gemäss Bosshart bleibt die Zukunft digital, was bedeutet, dass wir so wenig darüber wissen, wie wir vor zehn Jahren ahnten, dass wir heute ein iPhone 7 als Zugang zu unserem ganzen Leben herumtragen würden. Er meint, immer bessere Bildung sei unerlässlich, aber keine Garantie. An alten Mustern industrieller Wirtschaft festzuhalten ruiniere Unternehmen und diskriminiere die kommende Generation. Klang für mich plausibel.
    Back to politics: Wenn nötig (also jetzt) mache ich etwas Wahlkampf für Bern. Wer noch nicht abgestimmt und Vorbehalte – vor allem gegen die Stapi – hat, kann mir gerne hier schreiben, dann meld‘ ich mich innerhalb von 24h über das gewünschte Medium. Neuerdings kann ich auch Facebook (es war unvermeidlich).
    Und danach geht’s richtig los gegen die Initiative «Schweizer Recht statt fremde Richter (Selbstbestimmungsinitiative)». Der Erfolg dieser Initiative wäre wieder so ein Zug auf dem Schachbrett schweizerischer Politik, der uns als Gesellschaft wie als Individuum matt setzen kann. Wir kennen es von der Masseneinwanderung und der (dank Einzelnen und dank Bewegung) abgelehnten Durchsetzungsinitiative. Gespendet und geteilt habe ich schon, aber mit nicht Gleichgesinnten drüber gesprochen noch nie. Dazu muss ich mich noch aufraffen. Sonnenklar, dass diese Konfrontationen für jeden (noch so kleinen) Sieg über den Populismus unabdingbar sind. Und weil wir eh nicht darum herumkommen, können wir auch gleich anfangen.