Swissness V

[Regionales.]
Es gibt viele Gründe, die Schweiz zu verachten, Abstimmungskämpfe gehören dazu. Und es gibt viele Gründe, die Schweiz zu mögen, Abstimmungskämpfe gehören dazu.
Irgendwann die letzten Tage stand ein Mensch am Zytglogge und verteilte Flyer:

Solidarität mit Bümpliz! Nein zum Tram!

Echte Solidarität ist dort, wo sie keiner erwartet.
Und heute hat es eine Kleinst-Demo gegen indische Zustände im stadtbernischen Regionalverkehr in die Presse geschafft, wobei nicht unerwähnt bleiben soll, dass blogk sich der Thematik bereits vor Längerem umfassend gewidmet hat.

Aufs Dach?

[(c) Bild espace.ch / zvg]
Und der Verein Läbigi Stadt hat dank einem Bastelbogen den sachdienlichen Hinweis, das Tram West werde auch in die Gegenrichtung fahren, unters Volk gebracht.
Doch my day made „Mark Balsiger, parteiloser Pragmatiker, Radfahrer und Pw-Lenker, Bus- und Trambenützer“, der mir per Mail mitteilt, dass er in der Tramfrage einen Zwang zu „Schneeballmails“ verspüre, also nur ausnahmsweise.
Nichts gegen Goldbarren und Edelweisse, aber das ist auch die Schweiz.

(Gar) nicht zum Lachen

[Regionales.]
Was mir dank verblühender Jugend immer seltener passiert, ist mir heute widerfahren. Ich wurde von einem Greisen attackiert. Geifernd, zitternd, seinen Gehstock schüttelnd, fluchend und mit stechendem Blick hat er sich vom Sitz vis-à-vis drohend zu mir herübergelehnt.
Mein Verbrechen? Wir sassen in einem übervollen Bus (etwas anderes gibt es auf unserer Linie 14 gar nicht mehr) und die Leute der späteren Stationen konnten nicht mehr einsteigen. Der Herr in Begleitung typähnlicher Gemahlin zog über das Tramprojekt her. Da das auf meiner Strecke der Normalzustand ist, hat es mich erst zu envieren begonnen, als er wirklich nur noch das Gegenteil der Tatsachen praschauerte, z.B. dass das neue Tram kleiner wäre, als die anderen Trams der Stadt – dabei wäre es umgekehrt, es würden von den grössten Trams Europas angeliefert. (Leider ist es bernmobil trotz meiner eindringlichen Bürgerinnen- und Kundinnen-Bitte nicht gelungen, den zeternden Senioren einmal ein Modell – und sei es aus Pappe – vorzuführen.)
Jedenfalls habe ich mir erlaubt, einen klitzekleinen Sachverhalt, wie eben die Tram-Grösse, richtig zu stellen. Das hätte ich lieber gelassen! Ich Sand – in – die – Augen – Streuerin! Ich Grosskotz! Ich – die – wohl – zu – viel – Geld – hat! Ich – die – doch – das – Tramtrasset – selber – bezahlen – soll! Ich – die – ich – keine – Ahnung – habe! Wo – doch – die – neue – Grosskotz – Coopfiliale – auch – nicht – rentiert!
Ich kämpfe für dieses Tram seit Jahren, ich habe sogar einmal einen Leserbrief geschrieben, für den ich richtig lange recherchieren musste, um aufzuzeigen, dass die heutigen Gegner wenn sie in ihrer politischen Geschichte zurückschauten, die dynamischen Befürworter der allerersten Tramstrecken in Bern waren.
Aber ich bin leise geworden. Wenn niemand Einhalt gebietet, werde ich gleich morgen zu einer in der Nähe ansässigen Heimarbeiterin und Stickerin der SCB-Jacken rennen und solche mit dem Schriftzug: Mir-bruuche-kes-Tram! KES! TRAM! in Auftrag geben. Für die ganze Familie. Zum Schutz von Leib und Leben in diesem Stadtteil, der total ausrastet vor dieser Abstimmung.

Tischgespräch [18]

Kind:
Warum muss unsere Armee nun noch ihre Panzer nachrüsten? Die spinnen doch!
Vater:
Also wenn du entschieden hast, dass du Panzer brauchst, dann müssen sie auch funktionieren.
Kind:
Ja, haben wir denn mal nicht funktionierende Panzer gekauft?
Vater:
Wohl kaum. Aber einen Panzer funktionstüchtig und auf technologischem Niveau zu halten, kostet jede Minute Geld. Und das muss die Armee als Rüstungsprogramm beantragen.
Kind:
Aber das sind ja Milliarden! Diese Panzer und alles brauchen wir doch nie! Und wenn doch, können wir ja mit dem, was wir haben, kämpfen.
Vater:
Nein, ein Panzer bleibt nicht einfach alt, der wird unbrauchbar, schon, weil ihn niemand mehr kennt, wenn er einfach nur herumsteht. Du brauchst Panzermechaniker fürs die Reparaturen, Panzerinstruktoren für die Schulung, Panzer-Magaziner für das Ersatzteillager, Panzerfahrer für die Bewegung – was weiss ich.
Kind:
Dann können wir Panzer nicht einfach kaufen für den Fall, dass wir sie brauchen?
Vater:
Das wäre etwa so, wie wenn du ein Schaf kaufst für den Fall, dass du mal dringend einen Pullover brauchst.
Kind [lacht]:
Aber Pullover kann ich fertig kaufen und beim Aufbewahren kosten sie nichts.
Mutter [summt]:
Panzer zu Pullovern… tralala.

Unfertiges

Unfertiges gilt zu Unrecht als schlecht, denn bei Beziehungen und Kindern zum Beispiel kann man darin durchaus Vorteile sehen. Vielleicht auch im Gewölle unfertiger Blogbeiträge, wer weiss das schon.
Ich wollte schreiben über die Papiere, die im Schulkopierer liegen bleiben. Sie eigenen sich oft zum Dichten von Schulgeschichten.
Ich wollte über Frank McCourts Buch oder viel mehr Kugelschreiber schreiben, an welchem er die Satzteile erklärte, nachdem er ihn auseinandergenommen hatte:

FMC: Angenommen, wir würden sagen, der Kuli macht, dass die Feder funktioniert. Wäre das richtig?
Kids: Nein. Die Feder macht, dass der Kuli funktioniert. Das kapiert doch jeder.
FMC: Welches Wort ist also das Tätigkeitswort?
Kids: Macht.
FMC: Richtig. Und zu welchem Hauptwort gehört das Tätigkeitswort?
Kids: Zur Feder.
FMC: Ihr seht also, dass ein Kuli wie ein Satz ist. Er braucht etwas, damit er funktioniert. Er braucht eine Tätigkeit, ein Verb.

Und wollte schreiben über meine Rückkehr zu Marx als Lektüre; dies um mich zu versichern, dass der Grossteil der heutigen Debatte schon mindestens einmal geführt worden ist.
Doch auch ohne besonders zu gefallen, haben Wiederholungen hier ihre Berechtigung, denn die Umstände, die sind ja so. Ich Glückliche habe schon länger Gelegenheit gehabt zu lernen, dass es sich bei der Aufhebung der Klassen durch Wohlstand um ein betrübliches Missverständnis handelt.

Sorry, Sistas

Als heute das neue Migros-Magazin herumlag, fragte mich eine Kollegin, warum ich als treue Abonnentin feministischer Zeitschriften kaum ein Wort über die Hausfrauenfrage verlöre?
Nun, kein Wort ist auch etwas.
Ich denke nicht daran, mich mit anderen Frauen über Lebensmodelle zu zoffen, während die Männer sich zurücklehnen und uns lächelnd die Jobs überlassen, die sie selber nicht haben wollen – zu 20% weniger Lohn.
Es ist noch nicht soweit, Sistas. Es ist unklug, eine mediale Schlacht gegenseitiger Kränkung zu schlagen. Klüger ist es, sich auf zwei Fragen zu einigen, die sich jede Frau in jedem Job stellen kann:

  • Habe oder kriege ich eine Arbeit, die auch ein Mann haben möchte?
  • Bekomme ich gleich viel Geld wie ein Mann für die gleiche Arbeit?
  • Die wenigsten Frauen mit achtbarer Laufbahn in meinem Bekanntenkreis haben sich bei der Bewerbung gegen einen Mann durchgesetzt, am ehsten noch dank einem „bei gleicher Qualifikation einer Frau den Vorzug“. Bei mir ist es nicht anders.
    Das war meine Antwort auf die Frage der Kollegin: Bevor ich mit irgend einer Frau irgend ein Modell diskutiere, bevor ich einer verbal den Schädel einschlage, dass sie zu dumm, zu dick, zu gross, zu klein, zu geschminkt, zu schlampig, zu karrieregeil oder zu baby-versessen sei, höre ich mir doch lieber ein paar Antworten auf zwei sehr einfache Fragen an.
    Und die ehrliche Bilanz, Schwestern, ist ernüchternd. Noch sitzen wir im gleichen Boot. Wäre doch gut, es ungefähr in die gleiche Richtung und vorwärts zu steuern, zurückgeweht werden wir von allein.
    „Sorry, Sistas“ weiterlesen

    Clichy-sous-le-feu

    Von de Villepin wollte der Vorsitzende der Banlieue-Organisation «Banlieues Respect», Hassan M’Barek, wissen, was mit den 700 Millionen Euro geschah, welche die Regierung für die Förderung der benachteiligten Jugendlichen bereitgestellt hatte. M’Barek vermutet, dass zunächst und vor allem «die grossen Organisationen mit landesweiten Netzen profitiert haben und nicht die kleinen Vereine in den Quartieren».
    Auch die von der Regierung als Gesprächspartner akzeptierten Vertreter der Einwandererfamilien der Banlieue warnen vor den Vorurteilen: «Man spricht in den Medien immer nur von den Vorfällen, die für die Bevölkerung der Siedlungen abwertend sind. Statt stets bloss mit dem Finger auf den kleinen ,Mohammed‘ zu zeigen, der eine Dummheit anstellt, sollte man auch den ,Mohammed‘ zeigen, der etwas Positives leistet», sagt Karim Oumnia, der als Chef einer Sportartikelfirma selber als derartiges Beispiel gelten kann.

    Lesenswert die Quelle: Der Bund vom 23. Oktober 2006, S. 2. Dafür hätte ich gleich von Anfang an eine eigene Blogkategorie eröffnen können. Alles wie erwartet.
    Guten Morgen, Europa.

    Autocollant

    Dieser Autokleber ist ein Gratisgeschenk der Gletscherschmelze.
    Disclaimer: „Ces autocollants sont garantis non allergènes, ils ne sont constitués que de produits naturels, ils n’agressents pas les peintures métallisées, ne disent pas de mal de l’Islam et ne contiennent des petites pièces que les enfants peuvent avaler (…)“ etc. etc.

    Selbstzensur

    Es war die Woche der Steilvorlagen für meine politischen Feinde auf Stimmen Stimmungs-Fang im gemeinen Volk.
    Mehr rechte und erst noch schlechte Recherche blies zum Halali gegen eine Schulkommission und brachte die Freunde der Freiheit für das getragene Schweizerkreuz auf den Plan. Gut getroffen!
    Und wer schon dabei war, konnte auch wieder einmal einen Bundesbetrieb in die Pfanne hauen. Da mir die Archive der Bundesstadt eher vertraut denn fremd sind, kann ich auch hier seriöse Recherchierarbeit mit Sicherheit ausschliessen. Hauptsache „übertriebene Bürokratie!“ schreien, „Dauerberschuss“ heraufbeschwören und dann Köpfe rollen lassen. Bingo!
    Und ein Genosse hat es ganz locker nebenbei geschafft, den-dessen-Namen-nicht-genannt-werden-soll in die Schlagzeilen und dem Schweizer Volke näher zu bringen. Diese Gratis-Sympathien werden 30-Personen-Demos nicht schmälern, sondern steigern. Glanzleistung, Gratulation!
    Und wer jetzt nicht draus kommt, hat natürlich Recht, weil alles Zusammenhängende und Aufschlussreiche der Schere gegen Suchmaschinen anheim gefallen ist.
    Weil ich den Wörtermüll der Hatz nicht wiederholen will und eine lehrerhafte Abhandlung über verschludete und unverschuldete PR-Erfolge politischer Feinde höchst anspruchsvoll zu schreiben, dafür sehr langweilig zu lesen wäre.

    Tischgespräch [17]

    Kind:
    Also Buchhändler und Informatiker will ich sicher nicht werden.
    Mutter:
    Warum nicht Buchhändler?
    Kind:
    Einfach, weil es viel zu anstrengend ist.
    Mutter:
    Aha. Ich hatte bis jetzt nicht den Eindruck, dass dir Buchhandelskompetenzen besonders schwer fielen: Lesen, einkaufen, verkaufen, planen, recherchieren.
    Kind:
    Ich möchte es trotzdem nicht, diese Dinge macht man ja sowieso schon im Leben, sie sind nichts Besonderes.
    Mutter:
    Und warum nicht Informatiker?
    Kind:
    Das habe ich vergessen.
    Mutter:
    Tja, dann wird es wohl nicht so definitiv sein.
    Kind:
    Doch, die Entscheidung ist definitiv, dass ich den Grund nicht weiss, ist einerlei.
    [Das Gespräch geht Tage später weiter.]
    Mutter:
    Wenn man Berufe gut kennt, wie zum Beispiel die der Eltern, idealisiert man sie weniger. Ich wollte auch nie werden, was meine Eltern waren. Du kennst halt auch die Kehrseiten. Was willst du denn dann werden?
    Kind:
    Das weiss ich noch nicht. Vielleicht Hausarzt. Oder Lehrer. Aber nicht Klassenlehrer. Das auf keinen Fall. Meine Klassenlehrerin hat eine mega-anstrengende Arbeit. Sie ist für alles voll verantwortlich.
    Mutter:
    Aber was ist schlecht daran, verantwortlich zu sein?
    Kind [wendet sich ab, liest einen Comic]
    Mutter:
    Jeder ist sowieso verantwortlich und zwar nicht nur für sich allein. Verantwortung ist wie das Wetter, sie ist einfach da. Manche sind besser gewappnet, andere ertragen sie weniger, manche besetzen die trockenen Plätzchen länger, andere stehen früher unter freiem Himmel und müssen die Verantwortung auf sich niederprasseln lassen ohne krank zu werden. Aber Verantwortung hängt nicht hauptsächlich mit einem Job als Klassenlehrerin oder Lastwagenfahrer zusammen, sondern mit einem Job als Mensch.
    Kind:
    Reg dich nicht auf… [murmelt es und bleibt abgewendet in der Hoffnung, die Predigt sei zu Ende]
    Mutter:
    Heerscharen von Kindern gab man Meerschweine, damit sie Verantwortung lernten, aber es sieht schitter aus an der Verantwortlichkeits-Front.
    Kind [hat nachgedacht]:
    Aber als Lastwagenfahrer habe ich nicht gleich viel Verantwortung wie als Klassenlehrer.
    Mutter:
    Ach Kind, ein verantwortungsloser Lastwagenfahrer kann jeden Klassenlehrer samt Klasse platt machen.
    Kind:
    Dann gibt es echt keinen Beruf mit wenig Verantwortung!?
    Mutter:
    Das musst du die Leute im Berufsinfozentrum fragen. Die haben sicher einen Verantwortungsfilter, so wie sie einen Abklärungsfilter für Arbeit drinnen / draussen und Arbeit mit viel Kommunikation / mit wenig Kommunikation haben, um dir passende Berufe vorzuschlagen. Ich persönlich glaube nicht, dass Verantwortung vom Beruf abhängt. Ich kenne junge Migros-Kassiererinnen, die haben daheim viel mehr Verantwortung als alte Bankiers auf der Arbeit.
    Kind:
    Ich kenne Kassiererinnen aber keine Bankiers.

    Pausen-los

    7:45 Mit Kind zum Arzt
    Coiffeur-Termin für Kind
    Pamuk-Pressespiegel erstellen
    Pamuk-Pressespiegel achzig x kopieren
    Pressespiegel Yumus/Grameen?
    Reservation von PC-Zimmern f. 2. Lj.
    Ab 13.00 Uhr: Glaser! (Fensterscheibe)
    Zusammenfassung A4 Essenz Sitzung gestern
    Fotos schneiden für Schulwebsite
    Update dort
    wer überarbeitet welche Links?
    Prüfungsexpertin im Kinderurlaub anrufen
    Anfrage alle Expertinnen für Prüfung 2007
    Kontrolle Anmeldeformulare für Prüfung 2007
    Struktur für neue Quartierwebsite überlegen
    Terminvorschläge für Sitzungen an Diverse
    Projekt Verkaufsargumente TBs / Hardcovers vorb.
    Accounts von Spammern bei buchhändlerin löschen
    Fullbackups kontrollieren und archivieren
    Post-it to myself: Nie wieder ein neues Ehrenamt annehmen, ohne ein altes abzutreten. Nicht nur theoretisch, sondern praktisch, inklusive Übergabe des letzten Zettels. Vorher kein neues Ehrenamt. Bitte wiederholt lesen.

    Nur rasch zu Pamuk

    (… weil frau ja leider nicht frei machen kann, weil der Literaturnobelpreis auf dem Programm steht.)
    Orhan Pamuk wird den Nobelpreis erhalten, was mich sehr freut. Und das Kind kennt ihn im Gegensatz zu Harold Pinter sogar ein bisschen, was meine Ausschweifungen in den nächsten Tagen bestimmt erträglicher macht.
    Und die Jury des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels hat wieder einmal ihre Gossip-Quellen ihr gutes Gespür bewiesen und ihm „unseren“ Preis schon vor einem Jahr verliehen.
    Dies ist auch gleich mein Tipp für „Orhan Pamuk in Kürze“: Seine Preisrede von 2005. Steckenweise schwülstig, aber typisch für seine Situation zwischen den Stühlen, die ja sein Antrieb ist.
    Liisa hat im Litblog natürlich über das Pamuk’sche Werk geschrieben. Aber ich möchte darauf hinweisen, dass sie das nicht erst seit heute tut. Dafür danke ich ihr!