The anniversary arrives

The New Normal

A year has passed since the buildings folded in upon themselves. There have been many speeches and many bombs and many deaths, and I’m not sure anyone feels better. The villains remain at large. The phrase that best encapsulates 2002 for me is „undisclosed location.“
My location is disclosed. I do not even have three days‘ water supply, and I do not know how to bandage a gunshot wound. Like the many New Yorkers who chose to leave their hometown today, I have been trying to avoid this anniversary. I don’t need a day of remembrance. I remember already. That’s what brings us together as a nation: a memory we really don’t want.
The anniversary arrives, and perhaps there is comfort in ritual. I suggest a day of prayer for all those who will die before Sept. 11, 2003. The innocent, unknowing future dead — I ask that their numbers be few and their deaths be swift.

Read Jon Carroll’s column 9/11/2002.
Read Art Spiegelman’s In the Shadow of No Towers.
Read 110 Stories.

Die Angst der Rabenmutter vor dem Eigentor

Es ist erstaunlich, dass die bekennenden Kinderhasserinnen der Blogosphäre trotz Bloglektüre bei ihrer Meinung bleiben. (Dass es an Frau Hermann liegt, wie Lyssa neulich spekulierte, ist so abwegig nicht.) Denn in Blogs sind Kinder in aller Regel originell, aktiv, wohlgeraten, ansehnlich. Sie sind aufmerksame Beobachter, Meisterinnen der Überzeugungsrede und verfügen neben emotionaler auch über klassische Intelligenz. Einerseits logisch, weil dies ideale Voraussetzungen fürs Bloggen von Elternteilen sind oder anders: die umgekehrten Vorzeichen würden sich definitiv Blog-hemmend auf Mütter und Väter auswirken. Andererseits ist es eine sträfliche Auslassung, der allein sporadisch nähere Betrachtung entgegenwirkt.
Wenn der Mann da ist, dann teilen wir uns die Samstagsarbeiten so, dass Mann und Kind gut die Hälfte tun. Wenn jemand von uns Erwachsenen samstags fehlt, muss sich der andere die Arbeit allein mit dem Kind teilen. Für den adäquaten Umgang mit der Mehrbelastung wird in solchen Fällen beim Frühstück eine Liste erstellt.
Leider hat es bei mir noch nicht funktioniert. Leider habe ich auch nicht den Eindruck, dass ich dran schuld bin. Leider bin ich es theoretisch doch, weil ich ja das Sagen hätte. Leider ist die Bilanz auch heute kläglich.
To do Samstag 9.9.2006
Während ich also den Hauptharst der Arbeit selber mache, werfe ich alles, was mir an Kindes-Sachen in die Quere kommt, kommentarlos ins Kinderzimmer und beschliesse, auch die Kindes-Wäsche vor dem Bügeln, Falten und Flicken auszusortieren und in dasselbige zu schmeissen.
Ein guter Plan. Der spätestens in 48 Stunden bachab gehen wird, weil ich zu feige bin mein Kind ungefaltet, unfertig und ungezogen in die Welt hinaus zu schicken.

He’s ready

There are plenty of ways that you can hurt a man,
and bring him to the ground
You can beat him, you can cheat him, you can
treat him bad and leave him when he’s down
But I’m ready, yes I’m ready for you
I’m standing on my own two feet
Out of the doorway the bullets rip
Repeating to the sound of the beat

Aus: Another One Bites The Dust von meiner LP „The Game“. Das Stück Vinyl, das ich bei Flucht retten würde.
Happy Birthday, Freddie!

Eine Art Herbst

Als das Kind heute morgen in die Schule kam, war kein Licht an, nur Kerzen. Bei einem dieser unsäglichen Wochenendunfälle war eine Schulkollegin ein paar Klassen höher gestorben. Eine andere Schulkollegin überlebte schwer verletzt.
Noch hängen ihre lachenden Bilder als Willkommensgruss fürs neue Schuljahr an der Schulzimmertür und niemand glaubt dem Ende seine Gültigkeit. „Ich merke nur, dass die Lehrer genervt und ungeduldig sind und wünschte, es wäre noch einmal die vorherige Woche.“
Doch ausser ein paar Kilo Äpfeln vermochten wir nichts zu retten. Die Kantine wollte sie kompostieren als der Mann vorbeikam und sie mitnahm, um sie zu rüsten und einzukochen. Abends gesellen sich zu jeder schlimmen Nachricht andere aus dieser Welt der Erwachsenen, die zu entern so manchen Schutzengel bräuchte.
Murmelnd erinnern wir uns an uns, die Fehler und Freiheiten unserer Jugend, die gescheiterten Pläne, die zurückgelassenen Vorstellungen, die Einsamkeiten; gutes Leben! Das Kind hört immer wieder den gleichen HipHop-Track während in der Pfanne die Apfelstücke zerfallen.

Prognose

Wär ich ein Jäger auf freier Flur,
Ein Stück nur von einem Soldaten,
Wär ich ein Mann doch mindestens nur,
So würde der Himmel mir raten;

Seit das neue Schuljahr und meine neue Arbeit im Kader begonnen hat, vergeht kein Tag, an dem mein Kopf nicht diese Zeilen denkt. Als erste und noch einzige Frau in dem Gremium verfolgt mich der Konjunktiv: Was wäre wenn die Wäsche schon weggeräumt wäre, wenn das Kind das Handout in Englisch schon gemacht hätte, Gitarre geübt hätte, wenn die Reklamation an den Vermieter schon geschrieben wäre – das Bügelbrett schon weggeräumt, die Schulzahnkarte schon quittiert, das Geburtstagsgeschenk schon abgeschickt, die Sommerkleider schon eingemottet…? Wie wäre es nach Hause zu kommen wie meine Kollegen?
Was wäre, wenn ich eine Frau hätte?
Sie würde arbeiten, ein bisschen befördert werden, immer weniger Zeit im Haushalt vergeuden und sich die gleichen Fragen stellen, die Droste-Hülshoff schon im vorletzten Jahrhundert umgetrieben haben.

Trüb und düster

Vor Weihnachten hatte ich zum letzten Mal Kontakt mit einer Lehrerin aus Mississippi, die mir mitteilte, dass sie noch längst nicht für alle geflüchteten Kinder aus New Orleans eine Schule gefunden hätten. Dies vier Monate nach der Katastrophe.
Ein Jahr später schreibt Karin Reber in meiner Tageszeitung „Der Bund“:

Diejenigen, die zurückgekehrt sind, stossen auf Probleme, die sie fast zur Verzweiflung bringen: So finden jetzt, da das neue Schuljahr beginnt, zahlreiche Eltern keine Schule für ihre Kinder, weil sich mit 25’000 Schülern weit mehr angemeldet haben, als die Stadt erwartete. Nun fehlt es an Klassenzimmern und Lehrpersonal.

Bestätigung dafür liefert die Newsplattform von Luisiana’s TV, die ein paar Vergleiche anstellt:

ORLEANS PARISH PUBLIC SCHOOLS
Originally: 117 public schools
Open March 1: 18 (15% of original total)
Open this month: 34 (29%)

Schule weder hüben noch drüben. Weder im Exil noch daheim. Ich fühle mich persönlich angegriffen. Ich verfechte die Pädagogik der Unterdrückten und die Alphabetisierung für die Inuit. Ich kann meine Nachbarin unter Müttern Ist-doch-egal-ich-war-in-Mathe-auch-ne-Null nicht ausstehen. Tony Blairs bildungspolitisches Fiasko widert mich mehr an als seine Fehlentscheidungen in Kriegsführung. Es macht mich aggressiv.
Mr. Bush und seine Entourage orientieren sich im Umgang mit ihren Armenhäusern vermehrt an Mugabe – obwohl schon Chirac schlimm genug wäre.

Familienzweige

Baum vor der Kriche
Der Baum vor der Kirche und neben dem Pfarrhaus, wo meine Schwiegergrosseltern gewirkt haben und mein Schwiegervater zusammen mit zwei Brüdern und drei Schwestern aufgewachsen ist. Die Schwestern sind leider alle gestorben, durch das Dorf ihrer Kindheit haben uns die Brüder geführt.
Familientag 2006
Ein Sonntag mit alten und neuen, mit lustigen und traurigen Geschichten. Vor allem die vom Tag, als die neuen Kirchenglocken aufgezogen werden mussten. Flaschenzug und Aufzug für die Helfer waren gut gezimmert, aber es riss das Seil und zwei Männer stürzten ab. „Den zweiten,“ der auf den ersten drauf fiel, „haben wir durchgebracht.“

Tischgespräch [16]

Kind:
Ich habe jetzt eine Schachtel gefunden, in die ich einen Schlitz machen kann für die guten Taten. [Bringt eine Riesenschachtel.]
Mutter [griesgrämig]:
Ist die nicht etwas gross in Anbetracht der Tatsache, dass wir uns seit Monaten erfolglos vorgenommen haben, gute Sachen, die wir vollbracht haben, aufzuschreiben?
Kind:
Das ist doch egal!
[Telefon klingelt, Kind hebt hab.]
Kind:
Für dich, Mam, deine Schülerin.
Mutter ab.
Eine halbe Stunde später.
Kind:
Ich habe jetzt Zettel geschnitten – also genau abgemessen habe ich sie nicht – und einen Stapel in mein Zimmer gelegt und einen in dein Büro und einen in die Wohnstube. Die Schachtel selber steht auch ganz vorne beim Geschirrschrank, damit du nicht weit laufen musst, um deine Zettel einzuwerfen. Einen Bleistift habe ich dir auch schon hingelegt.
Mutter:
Schön. Und du, hast du schon gute Sachen von dir aufgeschrieben?
Kind:
Ja, ich habe wirklich alles und jedes notiert und schliesslich 11 Zettel zusammenbekommen.
Mutter:
Wow! Das ist ja wirklich gut! Ich weiss etwas vom letzten Montag; mein Referat bei diesen Buchhandelsleuten. Das war ok.
Kind:
Und für Dienstag?
Mutter [kaut an Bleistift und Fingernägeln]:
Keine Ahnung. Nichts ist wirklich gelungen.
Kind:
Aber das kann doch nicht sein! Du sagst mir ja auch immer, dass das nicht sein kann!
Mutter:
Meine Arbeit in der Schule hätte ich besser machen können und der Workshop am Abend war falsch vorbereitet.
Vater:
Dann schreib halt „trotz falscher Vorbereitung nicht den Faden verloren.“
Mutter:
Doch, natürlich habe ich den auch verloren.
Vater:
„Trotz Faden Mut nicht verloren“?
Mutter:
Ja, gut, das geht.
Kind [zu Vater]:
Du könntest ja auch einmal etwas aufschreiben. Denn eigentlich hast du auch unser Problem, dass du immer nur Fehler siehst und nicht genug das Gute. Perfektionistisch und pessimistisch.
Vater:
Nein. Ich schreibe nichts.
Kind:
Doch! Alle müssen helfen!
Vater:
Ok, ich schreibe, dass ich einen Zettel geschrieben habe.
Kind:
Klar! Man darf alles schreiben, alles! Alles was man gut gemacht hat.
[Mutter schiebt verschämt einen weiteren Zettel nach. Denn eine gute Tat oder eine nicht genügend gute Tat, das ist immer die Frage. Oder: Wie viele Generationen braucht es, um die protestantische Ethik zu bezwingen?]

Die Aufklärung

hat inzwischen biblische Ausmasse angenommen. Alle berufen sich darauf, mich eingeschlossen. Broder stellt im Auszug aus Hurra, wir kapitulieren (ist bestellt) ebenfalls den Bezug her:

Es geht um Meinungsfreiheit, den Kern der Aufklärung und der Demokratie, und um die Frage, ob Respekt, Rücksichtnahme und Toleranz die richtigen Mittel im Umgang mit Kulturen sind, die sich ihrerseits respektlos, rücksichtslos und intolerant gegenüber allem verhalten, was sie für dekadent, provokativ und minderwertig halten, von Frauen in kurzen Röcken bis hin zu Karikaturen, von denen sie sich provoziert fühlen, ohne sie gesehen zu haben.

So oft ich mich über ihn geärgert habe, im ersten Teil dieses Artikels habe ich gemerkt, dass Broder eben lange ein Mitstreiter im Geiste gewesen ist und auch seine Recherche über die Karikaturen-Hetze stimmt überein mit dem, was ich gesammelt habe.
Vor zehn Jahren stand allein, wer Zensur bei Lehrmitteln, Extra-Lehrpläne und Dispensationen zu Gunsten einer religiösen Gemeinschaft strikt ablehnte. Diese Forderungen kamen oft von Muslimen, aber nicht immer. Zeugen Jehovas und andere „Stündeler“ haben noch heute hanebüchene Anforderungen an die Schulen (und sind führend im neu erlaubten „Home Schooling“, was ich gerade nochmals grässlich finde). Auch kann ich den Vergleich Islamismus / Nazionalsozialismus in einzelnen Bereichen nachvollziehen. Zum Beispiel fällt es mir relativ leicht, in Achmedinedschad den jüngeren Hitler zu sehen, ich habe allerdings nur die Fest-Biographie gelesen.
Aber rechtfertigt es die Prognose dritten Weltkrieg? Ich weiss es nicht. Seit 9/11 habe ich keine Ahnung mehr. Meinungen gab es immer viele, aber die Zahl der Experten, Einschätzungen, Fakes und Manipulationen sind in meiner Wahrnehmung explodiert. Ich komme mir längst vor, als lebte ich in einem Propaganda-Geschichtsbuch; und sogar das ist miserabel lektoriert.
„Vernunft, Tugend, Nützlichkeit und Empfindung“ führt unser Lehrmittel Literatur im Buchhandel als die vier zentralen Begriffe der Aufklärung. Ich finde das treffend. Durch Aufstände und Kriege, durch Wohlstand und Urbanisierung entstand daraus die „Toleranz“.
Was ich sicher weiss, ist, dass unser Jahrhundert diesen Begriff zu klären hat. Theoretisch und praktisch.