Nach freien Ostertagen

frage ich mich, wie ich bloss je der Meinung sein konnte, ich hätte den Überblick. Die Pflanzen dorren, die zu kleinen Töpfe werden auch noch den überlebenden den Garaus machen, die letzten Dinge aus dem Umzug bleiben wohl für ewig unmonitert, die Wohnung ist schmutzig, die zu korrigierenden Tests stapeln sich munter, die korrigierte Beige ist wesentlich kleiner und die Schuhcreme ausgegagen. Vor mir liegen vier Memorysticks mit schlecht benannten Dateien und Bildern, die ich nicht mehr zuordnen kann, aber doch irgendwie kennen müsste. Meine Termine diese Woche scheinen mir wenig sinnvoll, es geht dabei um lauter unlösbare Probleme. Zum Glück wird das Wetter schlecht und hat das Kind Schulferien und kann helfen.
Dann mal los.

Erledigt…

im Wortsinne. Mithilfe unseres Sekretariates habe ich heute von früh bis spät Prüfungsunterlagen für Expertinnen und Experten produziert und kommissioniert. Die engagierten Buchhändlerinnen und Buchhändler, die dieses Ehrenamt wahrnehmen, werden parktische Prüfungen in den Buchhandlungen durchführen. Von der Prüfungsbuchhandlung Futura haben wir uns 2011 verabschiedet und das ist gut so. Aber die Arbeit wird nicht weniger, sie fällt einfach an anderer Stelle an. Aber – Alter sei Dank! – ich habe es mir ungefähr so gedacht. Hier, was wir heute für jeden Experten/jede Expertin versandbereit gemacht haben, note2myself:

  • Persönlicher Einsatzplan
  • Personalienblatt der Schulverwaltung
  • Abrechnungsformular der Verbandsprüfungskommission
  • Wegleitung
  • Prüfungsaufgaben pro Prüfungspostition
  • Bewertungsblätter/Protokollraster pro Prüfungspostion
  • Notenblatt (Papier und elektronisch)
  • Berechungsbeispiel (Papier und elektronisch)
  • (Riesen-)Briefumschlag (adressiert, frankiert) für die Rücksendung
  • Und alles, alles mit Kandidatennamen und -nummern versehen. Es gibt sie noch, die Endlosetiketten und -drucker. Zum Glück.

    Ver zettelt

    Eigentlich kann ich Zettel nicht ausstehen, ich mache mir die nur, wenn ich nicht weiss, wo etwas hingehört. Bei mir ist so gut wie alles elektronisch, ich scanne jeden Freitag ein, was noch herumliegt.
    Gerade jetzt ist so ein glücklicher Moment, wo ich alles überblicke, sogar die Zettel. Vielleicht weil Oster-technisch weniger Leute im Schulhaus sind und somit weniger Neues dazu kommt.
    Nun gibt es einen Zettelhaufen Notizen zur praktsichen Prüfung wie „Antwortcouverts für Rücksendungen der Prüfungsprokolle (Adressen woher? Porto wer?)“ oder „Einsatzplan personalisieren“ oder „Wegleitung in Heftform“. Dann gibt es ein paar Zettel mit Zeugs für mich als BAM-Standleiterin 2012; überschaubar, es geht erst um Termine und Listen mit Namen für den Einsatz. Dann ein paar Zettel mit Pendenzen zum Thema Mittelbeschaffung oder Fundraising (für Prüfungsfeier, für Stipendien Fachausweis, für Härtefälle, für Nicht-Bugetiertes). Dazu kommen Post-its mit Unterrichtsvorbereitung und Inputs von Azubis zum Pegasus oder zur Infrastruktur im Schulhaus, denen ich versprochen habe, das anzuschauen.
    Den Rest von dem, was zu tun wäre, ist elektronisch vorgeordnet und wartet auf die Überarbeitung, darunter auch eine Menge Telfonnotizen von offensichtlich unerreichbaren Leuten.
    Die elektronsiche Ablage ist im Vergleich zu Zetteln ästhetischer. Aber gerade weil das Unerledigte genau so ordentlich aussieht, ist es manchmal gar nicht einfacher abzutragen als das Zettel-Zeugs, das nach Erledigung zerknüllt wird.

    Hoher Besuch

    Heute war der Erziehungsdirektor bei uns zu Besuch und meine Erleichterung ist gross. Einige Mitlesende können es sich vorstellen, anderen ist es vielleicht fremd: Aber wenn der ChefChefChefChef einen Schulbesuch macht und 10-15 Minuten mit Azubis, bzw. Schülerinnen und Schülern aus einer einzigen Klasse reden will, kann das sehr unterschiedlich herauskommen.
    Das Verhalten der angehenden Fachleute Kundendialog war (ab Auftritt der Delegation von der Erziehungsdirektion) tadellos. Die Azubis antworteten auf die Fragen des Erziehungsdirektors, des Generalsekretärs und des Berfusschulinspektors ernsthaft und doch mit Charme. Dabei waren die Fragen für Lernende des ersten Lehrjahres (die noch dazu einen brandneuen Beruf lernen) überhaupt nicht so einfach. Er fragte zum Beispiel nach den Perspektiven für den Beruf (naheligend) und nach Niveau und Abgrenzung in den spezifischen Bereichen der Auftraggeber (zeugt von Interesse und Aufmerksamkeit).
    Letzters ist im Contact Center ziemlich kompliziert. Also eine sog. Call-Agent nimmt oft im Namen verschiedenster Firmen Telefonate entgegen oder hat innerhalb der gleichen Firma unterschiedliche Rollen. Es kann also sein, dass er eine Tiefkühltruhengarantie und danach eine Flugticketannullation, dann einen Anruf auf die Hotline einer Versicherung und gleich darauf eine Bestellung für die Sommerkollektion bearbeitet. Dazu braucht er Unterstützngssysteme (Display mit genauen Anweisungen z.B.) aber auch einen klaren Kopf. Und bei vielen Themen (wie bei Hotlines) vertieftes Fachwissen. Das alles haben die Azubis sehr gut und beispielhaft erklärt.
    Am Ende fragte der begleitende Berufsschulinspektor die Lernenden noch nach der Schule. Sie antworteten, es sei alles in Ordnung hier und sie hätten „engagierte Lehrer“, einer davon ganz besonders, er hätte nämlich bei der Steuererklärung geholfen. Und das Schöne an dieser kommunikativen Klasse, die das Herz auf der Zunge trägt, ist ja: Man kann ihnen glauben.

    Zurückgespielte Bälle?

    Die Anlässe der letzten Woche sind gut verlaufen. Besonders der von „meiner“ neuen Abteilung Kundendialog am vergangenen Mittwoch. Ich hatte unerwartet viel Redezeit in einem Film, den die Lernenden vor einger Zeit (überfallsmässig) von mir gemacht hatten und nun den Berufsbildnern zeigten. Ich hatte die Aufnahme noch nie gesehen und es war so peinlich, wie solches Sachen halt immer sind. Aber was ich auf die Fragen der Lernenden geantwortet habe, war in Orndnung.
    Und die Lehrfirmen gaben viele positive Rückmeldungen zum alltäglichen Schulbetrieb. Diese guten Feedbacks vor allem aus Zürich haben mich sehr gefreut. Die Zürcher Arbeitgeber nehmen Bern sonst eher als träge Beamtenstadt denn als innovativen Partner wahr, mit Vorschusslorbeeren ist weniger zu rechnen. Da in der Startphase alle Lernenden einen gemeinsamen Schulort (nämlich Bern) haben, arbeiten sie erstemals mit uns zusammen.
    Vielleicht ist die Kehrseite unserer Trägheit auch eine gewisse Beständigkeit. Eine Firma mit zahlreichen Lehrstellen in Zürich und Ostschweiz hat sich explizit bedankt dafür, dass wir im disziplinarischen Bereich beharrlicher seien, die erzieherischen Aufgaben konsequenter wahrnähmen. Und dass wir den Lehrfirmen den Ball nicht ständig zurückgäben. Das ist ein schönes Kompliment, andererseits gibt es mir auch zu denken. Warum sollten wir Bälle zurückgeben?
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    Im Märzen der Infoanlässe

    Ich habe das Bloggen diese Woche völllig vergessen. Manchmal ist das Leben eben sehr analog. Zum Beispiel hatten wir am letzten Montag die Buchhändlerinnen und Buchhändler eingeladen, die ausbilden. Und es sind fast fünfzig Leute gekommen! Darunter viele Ehemalige, die inzwischen Berufsbildnerinnen oder Filialleiterinnen sind, viele auch schwanger oder mit kleinen Kindern und noch immer am Buchhandeln. Trotz Unwägbarkeiten optimistisch, ohne grosses Tamtam um Zukunftsprognosen und mit Freude am Beruf. Einfach wunderbar.
    Nächsten Mittwoch lerne ich die Ausbilderinnen und Ausbilder der ersten Klasse der neuen Grundbildung Kundendialog kennen. Auch hier: Alle betreffenden Firmen haben sich zum Anlass angemeldet und darüber hinaus noch zwei weitere Grossfirmen, die sich für diese Lehre interessieren. Das ist schön, aber auch mit Erfolgsdruck verbunden. Die Branche der Contact Center ist immer noch sehr neu für mich. Ich habe die Ziele, die ich mir (und teilweise der ganzen Abteilung) gesteckt habe, erst knapp in Sichtweite. Aber das ist das Gute an der Erfahrung und am Alter: Man lernt das Mögliche zu schätzen. Bis Mittwoch kann ich noch einige wenige Vorbereitungen treffen und dann: Que sera, sera.
    Am 28. Mai besucht unser Erziehungsdirektor und amtierende Regierungspräsident die Abteilung Kundendialog. Bis dahin bleibt mir also noch einmal eine gute Woche Zeit.

    Zum Ende der Buchpreisbindung

    Und zum Ende der Geschichte der Buchpreisbindung in der Schweiz ein kurzer Film mit einem Kind, das regelmässig in Buchhhandlungen einkauft. Der Film ist eine spontane Aufnahme vom Januar 2011. Darin ist meine Nichte als aufmerksame Buchhändlerin zu sehen. Sie lässt sich nichts klauen (man beachte das Entsichern) und hat eine Ahnung von Marketing (Individualisierung beim Geschenkband und Aufkleben des Buchhandlungslogos auf das Päckchen). Kundin bin ich.

    Nach diesem Abstimmungsresultat ohne viel Anlass, hoffe ich doch auf weitere schöne Jahre mit echten Buchhandlungen in den Händen neuer Generationen. Und mit Kundinnen und Kunden, denen es ein Bedürfnis ist, dort ein- und auszugehen, wo sie ein gutes Sortiment finden und zuvorkommend bedient werden.

    Geniesse!

    Ich kann diesen Imperativ nicht mehr hören und meide ihn inzwischen selbst da, wo er passen würde.
    Geniess deine Schwangerschaft! Dein Baby! Deinen Garten! Deinen Sport! Deinen Erfolg! Deine Familie! Deine Velofahrt! Dein Shoppen! Deinen Berufseinstieg! Deinen Berufsausstieg! Dein Rentenalter! Dein neues Sofa! Deine Schulreise! Die Bergfahrt! Die Talfahrt! Den Frühling! Den Sommer! Dein Wochenende! Was, du hast es nicht genossen? Wie bedaurlich, wie unverständlich, wie selbstverschuldet.
    Das ist nicht Versicherungswerbung, das ist inzwischen Alltag. So beginnen und enden E-Mails, so werden Anträge beantwortet. Nicht: „Ich wünsche euch eine schöne Exkursion und hoffe, dass ihr Neues entdeckt und gesund und munter zurück kommt.“ Nein. „Geniesst die Exkursion!!!“ Nicht: „Schöne Ferien euch dreien.“ Nein. „Geniess deine Männer!“ (Abgesehen davon, dass das schon fast nach Missbrauch klingt, ist mir auch die Umsetzung schleierhaft.)
    Da dieses Weblog auch ein Reflexionstool ist, frage ich mich natürlich, warum mich gerade das so aufregt. Es gab eine Zeit, vor ungefähr 20 Jahren, da habe ich mich dem „Lustvoll“ verweigert. Damals musste alles und jedes „lustvoll“ sein, der Unterricht, die Arbeit, die Ehrenämter und sogar die Quartierpolitik. In der Sache habe ich dann wirklich einmal an einer Versammlung das Wort ergriffen. Es ist mir zwar entfallen was ich gesagt habe, aber andere erinnern mich immer mal wieder daran. Offenbar habe ich mich sehr enerviert und gefragt, was – verdammtnochmal – an Velowegen und Handläufen, an Kleinklassen, Heckenschneidregelungen und Bahnübergängen, an Taktandenlisten und Revisionsberichten lustvoll sein sollte? Und was schlecht daran sei, darin einfach eine schlichte Aufgabe zu sehen? Einen stinknormalen Beitrag zur Zivilgesellschaft, die sich dank dem vielleicht weiterentwickeln könnte?
    Empfinde ich den Trend als Genussterror, weil ich selber nicht geniessen kann? Das wäre möglich. Aber micht dünkt, ich pflücke den Tag ganz gern. Es wirkt heute genussfeindlich, das Wort nicht inflationär zu benutzen. Ich geniesse es, wieder essen zu können, nachdem ich krank war. Ich geniesse es, weniger Kleider anziehen zu müssen, wenn es wärmer wird. Ich geniesse die Luft und die Aussicht, wenn ich in den Bergen bin. Ich geniesse am Sommer, lange draussen sitzen zu können und ich geniesse ein Glas Wein. Früher genoss ich es eindeutig, schnell zu fahren, ich liebte Gokartbahnen und meine Snowborads waren immer Raceboards mit harten Kanten.
    Wenn heute die ganze Familie zusammen ist und alle zufrieden sind und miteinander auskommen, dann geniesse ich bestimmt nicht die Menschen, sondern den Augenblick. Und sicher nicht auf Geniessbefehl, sondern im Wissen darum, dass er flüchtig ist.