Thank you sista

Konsum am Weltfrauentag 2014
Zum Weltfrauentag ist mir noch nichts eingefallen ausser Konsum: Jeans, Schuhe und selbstverständlich ein Buch.

Thank you sista, die du meine Jeans unter widrigen Umständen genäht hast und dir sista, die du hoffentlich vom Gerben des Leders meiner Schuhe keinen Schaden davonträgst, ebenfalls Dank.
Thank you sista, die du die Kleider aus dem Container aufgebügelt und die Schuhe nach Grössen gestapelt hast und dir, sista, die du die „Made in“-Schilder eingenäht und du, die du die Ausverkaufplaketten angehängt hast.
Thank you, sista, die du mir das alles heute mit einem Lächeln verkauft und mir ein schönes Wochenende gewünscht hast.
Happy Women’s day, sistas. Never give up.

Im Contactcenter 2

Da ich mich an anderer Stelle über die einseitige Berichterstattung in der NZZ bekalgt habe, muss ich es nun auch sagen, wenn sie so richtig gut ist.
Mit „Das dargebotene Ohr“ ist Eugen Stamm der repräsentativste Artikel über die Arbeit im Contactcenter der letzten Zeit gelungen. Was er schreibt, stimmt mit dem überein, was ich von unseren Azubis höre, von deren Berufsbildnern lerne und selber bei Besuchen beobachte. Zudem wird diese Branche hier als ganz normaler Wirtschaftszweig dargestellt, nicht anrüchig oder gierig. Es handelt sich immerhin um 20’000 Vollzeitstellen in diesem Land. Und der Schluss, der freut mich natürlich ungemein:

Seit 2011 kann man das Metier von der Pike auf lernen, im Lehrberuf Fachfrau/Fachmann Kundendialog. Nun ist es also auch offiziell anerkannt: Callcenter-Agent ist kein Job, sondern ein Beruf.

Stand beruflicher Dinge

Heute hatten wir die dritte Sitzung des Schuljahres zum Thema erstes Qualifikationsverfahren Kundendialog. Es bleibt ein Fass ohne Boden. Die Herausforderung ist natürlich, dass das neu ist und wir schweizweit der erste und einzige Prüfungsort sind, der das durchführt. Das Besondere an dem Beruf ist zudem, dass Fächer (oder Handlungskompetenzen, wie wir heute lieber sagen), die normalerweise zur Allgemeinbildung gehören, hier zur Berufskunde gehören. Das bedeutet, dass sie situativ und praxisnah und zumindest zum Teil von Berufsleuten unterrichtet und auch so geprüft werden müssen. Das betrifft Englisch, Französisch und sogar die Landessprache. Die Folge ist, dass man bei jeder Sitzung wieder Fehler in den Lehrplänen feststellt und alles abändern muss. Weil diese Branche so kommunikativ ist, gehört dazu auch gleich ein Upload und Download und Mailing. Ich will nicht klagen – bloss etwas ächzen unter der Projektlast. Aber bald schon treffen wir uns mit den Lehrfirmen zum Austausch und bekommen dann hoffentlich wieder Auftrieb.
Im Buchhandel geht alles seinen gewohnten, ziemlich stressigen Gang, wir sind auch hier an der Prüfungsproduktion. Nächste Woche wird richtig buchhändlerisch bei mir: Montags ist das jährliche Treffen mit den Berufsbildnerinnen und Berufsbildnern, darauf freue ich mich immer. Und mittwochs fahre ich dann schon nach Leipzig. Diesen Termin habe ich mir ewig reserviert, ich muss dringend wieder einmal selbständig an eine Buchmesse. Ohne Azubi-Betreuungspflichten und mit Hotel anstatt Jugendherberge. Ich glaube, danach bin ich wieder munter.

Ecole et hébergement

Après plusieurs recherches j’ai finalement trouvé une école et l’hébergement chez l’habitant ou je pourrai faire des courses intensives pour apprendre le français avec autres adultes. «L’habitant » est encore inconnu, mais ça ne m’inquiète pas.
C’est pas à Genève mais à Lausanne. Lausanne sera plus familial et calculable que Genève, mais à mon avis c’est un peut près de Berne. Une tentation de retourner au cas des problèmes… Mais heureusement l’EPCL à Lausanne est l’école professionnelle pour les apprentis libraires qui y viennent de tous les cantons francophones. J’ai des collègues très gentils là-bas. Beaucoup de bonnes idées pour l’apprentissage viennent de par là. Je me réjouis de l’échange et de se revoir. Ou comment on dit ? Et de leur rencontre ? Et de les retrouver ?
Uff. Je dois continuer mes exercices de pronoms.

Im Contactcenter

Meine Lernenden haben es wirklich nicht leicht. Die Buchhändler/innen werden wie eine aussterbende Spezies behandelt, die die Kurve nicht mehr kreigt und die Fachleute Kundendialog stehen schon fast aus Prinzip ständig in der Kritik. Denn am Telefon gut bedient zu werden, ist selbstverständlich, die Kundschaft speichert nur schlechte Erlebnisse ab.
Die NZZ hat wieder einen von diesen schon zahlreich erscheinen kritischen Artikel über „Callcenter“ veröffentlicht. Immerhin kam dabei noch der Präsident des Berufsverbandes zu Wort. Er erwähnt die neue Lehre, an der wir hier täglich bauen und nutzt die Gelegenheit zu erklären, warum Callcenter längst zu Contactcentern geworden sind.
Letzte Woche haben wir mit dem Kundendialog-Kollegium unsere Lernenden im Contactcenter der Swisscom besucht. In der Stunde, in der ich an der Hotline mithören durfte, wurde kein einziges Geschäft abgewickelt, es war reiner Support. Dabei spielten technische Fragen eine Rolle, aber oft ging es um Einzelschicksale: Rentnerinnen, die noch nicht bezahlen können, weil die Rente neu später eintrifft, Ehemänner, die merken, dass noch andere Handynummern in der Familie existieren, von denen sie nichts wissen und Menschen, die bei entsprechenden Angeboten (25.00/Sek). zuerst 5 Sekunden Musik bekommen und so Hunderte Franken vertelefoniert haben.
Besonders überrascht hat mich die Grösse der Abteilung Social Media, die sich hauptsächlich mit Twitter befasst. Auf Fragen, Bemerkungen und Kritik @swisscom wird hier rund um die Uhr reagiert. Es erschien mir aber nicht der Schreckensjob zu sein. Die Mitarbeitenden waren Networking-Fans, es war eher eine Stimmung wie in Büros der IT-Branche. Motivation gepaart mit Geschwindigkeit und ab und zu ein träfer Spruch.

World Press Photos

Mich beeindruckt das World Press Photo 2013. Es zeigt vieles in einem: Die meisten Menschen zirkulieren nahe ihrer Heimat auf Fluchtrouten, Handys sind universell, Männern kriegen mehr Chancen, Menschen orientieren sich an Küsten. Daniele Muscionico schrieb heute in „Der Bund“ treffend:
(…) es [das Bild, nja] tut das mit einer poetischen Leichtigkeit und mit einem Ernst, die dazu führen, dass hier an die Lage der Flüchtlinge erinnert wird mit einem wichtigen, würdigen Protokoll.
Ich schätze den World Press Photo Contest, weil er mir als Privatperson ein gut sortiertes Archiv der internationalen Pressefotografie eines Kalenderjahres öffnet und dem vernachlässigten Photojournalismus eine Plattform bietet. Zudem dient er als Journal, weil dank des Wettbewerbes eine Auswahl von Ereignissen in einem Jahr gegenüber dem Publikum noch einmal visualisiert wird.
Wie der Anschlag auf den Bostoner Marathon. Mir ist dieser nahe gegangen, weil ich damals in den USA war, aber auch, weil die blutjungen Täter wieder so ein Beispiel furchtbar schief gelaufener Integration waren. Zudem gehören Laufschuhe neben Büchern zu meinem alltäglichen und vertrauten Lebensmaterial.

Zum Abstimmungsergebnis

Natürlich bin ich frustriert über das Abstimmungsergebnis, danke der Nachfrage! Eure Nachrichten haben mich aufgemuntert und das geteilte Leid hat mir über den Montag geholfen.
Das, was ich wie auch mein Mann und mein Sohn für dieses Land und seinen Wohlstand zu leisten vermögen, wird durch dieses Resultat gehemmt und geschmälert. Wir können leider alle drei nicht jagen, uns fehlen die Kenntnisse in der Gerberei und die Erfahrung im Sammeln von Beeren, Pilzen und anderen Geschenken der freien Natur.
Unsere Aufgaben liegen in der Versorgung der Schweiz mit Bildung, Software und Pflege. Jeder von unserer kleinen Familie kann seine Arbeit nach der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative weniger gut machen und sich und sein Team weniger oder überhaupt nicht mehr entwickeln.
Aber wir sind halt eine Minderheit. Dass die Mehrheit der Schweizer Selbstversorger sind, macht das Abstimmungsergebnis irgendwie verständlich.

Schuljahre überspringen

Ob Gotthelf oder aktuelle Zeitschriften der Erziehungsdirektionen: Egal, was ich über die Schweizer Volksschule lese, sie scheint mir auf das Mittelmass und höchstens noch auf die Schwachen ausgerichtet zu sein.
Das überrascht nicht weiter, denn überragende Leistungen sind in der Schweiz wenig angesehen und wenn, dann nur bei besonders bescheidenen Persönlichkeiten. Würde Roger Federer nur schon die Frau wechseln oder ab und zu eine Party schmeissen, wäre er wohl noch bewundert, aber nicht mehr respektiert.
Zurück zur Volksschule: Eltern und Lehrer überlegen es sich deshalb sehr genau, ob sie ein Kind eine Klasse überspringen lassen wollen, wenn es mit dem Schulstoff, ein, zwei Jahre voraus ist. Hat das Kind eine genügend bescheidene Persönlichkeit, um in der neuen Klasse nicht aufzufallen? Wird es beim traditionellen Orientierungslauf in der neuen Altersgruppe das Mittelfeld erreichen? Kann es das Turnsäckli zuziehen, die Schuhe schnell binden, die Veloprüfung bestehen? Kann es stillstitzenstillsitzenstillsitzen? Bei Jungs fragt man sich auch, wie das mit der Rekrutenschule laufen soll, denn da gibt es weissgott nichts zu überspringen. Und was sagen die anderen Mütter, die das Kind von der Spielgruppe kennen, wo es – mit Verlaub – nicht das Zuverlässigste war?
Eben, so geht das hin und her und am Ende findet man die Langeweile das kleinere Übel. Ich kenne leider nur einen einzigen Fall, wo das Überspringen völlig problemlos gelaufen ist und das übersprungene Jahr die ganze Schullaufbahn hindurch bestehen bleiben konnte. Das war mein Schwiegervater, eines von sechs Pfarrkindern. Da die Lehrerin ihn nicht in der ersten Klasse sah, weil die Kindergärtnerin vermeldet hatte, er könne lesen und schreiben wie ein Zweitklässler, bestellte sie geistesgegenwärtig den Schulinspektor, um das Kind zu beurteilen. Keine Diskussionen mit Eltern oder Kollegium oder dem Kind selber, keine Vorabinformation, keine Fragen.
Als mein Schwiegervater die dritte Woche in die erste Klasse ging, kam also der angesehene Schulinspektor aus der Region vorbei, nahm ihn zur Seite und liess ihn rechnen. Danach wollte er ihm einen Satz diktieren, um Schrift und Rechtschreibung zu prüfen.
„Wir haben zu Hause Kaninchen,“ war der Satz des Schulinspektors. „Nein, wir haben zu Hause keine Kaninchen,“ bekam er zur Antwort. „In der Taubstummenanstalt haben sie Kaninchen,“ korrigierte sich der Inspektor, denn das wusste jedes Kind. Mein Schwiegervater schrieb den Satz und der Inspektor wies ihn an: „Ab morgen gehst du zu Frau Hostettler in den Unterricht.“ Die Frau Hostettler war die Zweitklasslehrerin. Gemunkelt wurde im Dorf schon hin und wieder, aber angezweifelt wurde der Entscheid nie, mein Schwiegervater machte seinen Weg und wurde Professor der Chemie.