Ich mochte billig nie. Das liegt nicht an einem begüterten Elternhaus sondern daran, dass mir von Anfang an eingeimpft wurde, dass immer jemand bezahlen muss und dass es seliger mache, selber zu bezahlen. Gerade weil wir in meiner Kindheit mit knappen Mitteln auskommen mussten, habe ich auch mitbekommen, dass Qualität zwar käuflich, aber auch mit Fleiss und Uneitelkeit zu haben ist. Ein leuchtendes Beispiel sind meine (unbegüterten) Grosseltern, die sich bin ins höchste Alter so zu ernähren vermochten, dass sie als Modell für jeden Bioratgeber mit Nachhaltigkeitssiegel passten. Sie pflegten den Garten und hielten sich eisern an das, was sie ein Leben lang gepredigt hatten: Geben muss man immer, erwarten immer wenig.
Im Frühling hatte ich mit meiner Coiffeuse eine längere Diskussion darüber, ob eine Tageskarte für ein mittelgutes Skigebiet von CHF 60.00 viel oder wenig koste? Sie vertrat „viel“ („jeeeenseits!“), ich das Gegenteil. Sie ging natürlich von ihrem Budget aus, ich davon, was es an Manpower und Pferdestärke braucht, um den Betrieb einer Skipiste zu ermöglichen. Als meine Frisur – die zwei Tage Skiabo kostete – fertig war, hatten wir uns mehr schlecht als recht darauf geeinigt, dass die, die an der Skipiste arbeiten, bestenfalls eine Coiffeurlohn bekommen. Und ihren Lohn wiederum hielt die Coiffeuse für viel zu tief.
Ich finde, dass die ganze Debatte um den Euro und die Krise und wer bezahlen muss für wessen Fehler eigentlich sehr gesittet verläuft. Und wenn ich höre, man sollte endlich die kleinen Leute ran lassen ans Regieren, bin ich nicht so sicher, ob ich das möchte.
Kategorie: Leben daneben
Ausserschulisches und Vermischtes
Gattin geht schlafen
Wenn Sie hier mitlesen, ist die Chance gross, dass Sie mein Problem aus eigener Erfahrung kennen. Ihrer Laufbahn mangelt es vielleicht auch an Gradlinigkeit und Sie quetschen sehr Verschiedenes unter einen Hut. Sie wissen demnach, dass es eine anregende Sache ist, viele Rollen zu bekleiden, kennen aber auch die Grenzen des Hauptrollen-Repertoirs. Man muss ja – um die berühmten Prioritäten zu setzen – auch stets wissen, was man gerade am meisten ist. Bin ich jetzt grad Leiterin der Abteilung Buchhandel und zuständig für die Diplomierung der Abschlussklassen oder gerade mehr für die neuen Lehrstellen in der Abteilung Kundendialog? Bin ich Lehrerin (noch 8 Tests zu korrigieren), Buchhändlerin (noch drei private Buchtipp-Anfragen) oder Prüfungsleiterin (noch eine Notenkonferenz vorbereiten)? Bin ich Mutter, Tochter, Schwester, Freundin? Diese Woche war ich zwei Tage hauptsächlich Gattin und Schwiegertochter in der Nebenrolle, denn der Mann hat seinen Master erhalten. Wir erlebten einen sehr amerikanischen Graduation Day: formell, feierlich, schön – aber einfach lang. Und weil ich die Gattin am wenigsten übe, bin ich entsprechend müde. Am Montag habe ich dann wieder eine andere Hauptrolle und bin froh drum. Werte Gattinnen, ich weiss wirklich nicht, wie Sie das schaffen.
Statusmeldung
Wir haben letzte Woche einiges abgeschlossen:
Der Mann seinen MBA, ich zusammen mit meinen emsigen Kollginnen den ersten schriftlichen Teil der Lehrabschlussprüfung nach neuem Berufsbild, das Kind Chemie für die Matura. Entsprechend locker war das Wochendprogramm: Reinigung innen und aussen, vor allem viel Wäsche, liegen gebliebene Post online und offline erledigt, Essen einkauft, verbackt und verzehrt, Betten frisch bezogen, DVDs an- und verkauft, die dafür notwendigen IKEA-Gestelle montiert, die Agenden abgeglichen.
Und ich hatte ein paar Stunden zum Denken, Lesen und sogar ein bisschen Schreiben. Habe das Gefühl, von zu vielen angefangenen Texten umschwirrt zu werden, ich sollte noch eine Menge formulieren und von anderen Formuliertes korrigieren und dazu kommt ja immer noch das neurotische Notieren. Doch endlich habe ich wieder zwei Bücher richtig ausgelesen: Jacob beschliesst zu lieben und Ustrinkata. Beide haben etwas von einer Litanei, aber beide vermochten mich zu packen.
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Gastfreundschaftliches
Das war ein lustiges, gastfreundschaftliches Wochenende. Am Freitagabend waren wir am ehemaligen Wohnort – auf dem Dach des Wohnblocks – zur Gurkensuppe mit Dill, zum geschmorten Hühnerbein und zum Kaffeemousse eingeladen. Ein schönes erstes Ma(h)l in der alten Heimat.
Am Samstag dann weihnten wir unsere Terrasse ein mit Grill, karierter Tischdecke und ebensolchen Kissen. Wir genossen den ersten Hinech mit genügend Zeit und Wärme, um draussen zu sitzen und bis in die Nacht hinein zu reden. Von der Resisdance merkten wir nichts, das Kind hatte sich kurzfristig gegen die Teilnahme entschieden, nur selten hörten wir die Ambulanz. So ein gemütlicher Abend ist weissgott ein Privileg.
Heute dann wieder Regen. Den Tour-d’Europe-Käsekuchen (Verarbeitung diverser Reiseüberbleibsel) assen wir zusammen mit Nachwuchs und Kumpel drinnen. Wir unterhielten uns lange darüber, weshalb die männliche Jungend am Wochenende derart häufig und vor allem viel trinkt (offenbar auch Hauptzweck der gestrigen Demo). Da ich aus den Erklärungen nie schlauer werde, war ich froh um den Themenwechsel zur Chemie, immerhin geht’s hier um eine Maturanote.
Und ach ja! Ich habe noch meinen Stundenplan fürs nächste Schuljahr erhalten: Erste und letzte Stunde am Montag, erste und letzte Stunde am Freitag. (Kommentar des Mannes: „Lehrerhölle! Was hast du bloss getan?“)
Und nun muss ich ins Bett, morgen beginnen die Abschlussprüfungen in der Schule. Es wartet eine Woche mit Aufsichtspflichten, mündlichen Prüfungen, Troubleshooting und Korrekturen. Lasst uns also das entsprechende Nevenkleid überwerfen: Elegant, undurchsichtig und reissfest.
Lernziele Chemietest
Wissen, wie Fettmoleküle aufgebaut sind * Den Zusammenhang zwischen der Zusammensetzung der Fette und den Eigenschaften kennen und erklären können * Die chemischen und physikalischen Eigenschaften von Fetten kennen und erklären können * Wissen, wie die Doppelbindungen in ungesättigten Fetten und Fettsären qualitativ und quantitativ bestimmt werden können * Die Bedeutung der Fette kennen und aufzeigen können * Wissen, wie Fette und Öle gewonnen werden und wie Margarine hergestellt wird * Wissen, was Proteine sind und welche Eigenschaften sie haben * Die Aminosäuren als Bausteine von Proteinen kennen * Vom Dreibuchstaben-Code auf den Namen schliessen können und umgekehrt * Die allgemeine Lewisformel für Aminosäuren (Abb. 51) kennen (ohne Seitenketten) * Die chemischen Eigenschaften den unterschiedlichen Seitenketten zuordnen können * Die Peptidbindung erkennen und beschreiben können, wie sie geknüpft wird * Dipeptide benennen können * Die einzelnen Strukturebenen beschreiben und in einer Abbildung zuordnen können * Die zwischenmolekularen Kräfte zuordnen und beschreiben können, die die jeweiligen Strukturen stabilisieren * Wissen, wie Proteinen denaturiert werden können und welche Folgen es hat * Die Beispiele „Haarformung und Proteinstruktur“ sowie “Hämoglobin“ kennen und beschreiben können.
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Back from Amsterdam…
und weiter gen‘ Abschlussprüfungen: Tanzend, mit jungen Klängen im Ohr, Van Gogh im Herzen und Rembrandt vor Augen.
Danke, Sendak.
Du konntest unvergessliche Geschichten machen.
R.I.P.
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Neunfingersystem
Jedes Mal, wenn ich mir in den Finger schneide, merke ich wieder, wie wichtig er für meine Arbeit ist. Meistens schneide ich mich in die Linke, weil die Rechte die Klinge hält; so auch heute. Leider reichte ein Pflaster nicht, es brauchte Stripes und Verband, um die Zeigfingerbeere festzuzurren. F, R, T, G, B, V auf der Tastatur müssen diese Woche anders bewirtschaftet werden, was alles müh- und langsam macht.
Sonst war der Sonntag sonntäglich, die französischen Wahlen sind meiner Meinung nach richtig ausgegangen und ich hoffe, mein linker Zeigefinger sei ein gutes Omen. Angeschlagen sind wir alle in Europa, manche sogar sehr, mit Narben ist auf jeden Fall zu rechnen. Aber der Mensch hat mehrere Finger und taugliche Verbände – damit sollte doch etwas zu machen sein.
Verlagsvielfalt heute
Ich kenne so viele Buchhandlungen und Sortimente, dass ich in der Regel nicht lange brauche, um zu finden, was ich suche, selbst wenn ich nicht weiss, was ich suche. Oft sind es Bücher zu einem bestimmten Thema, in das ich mich einlesen will. Ich gehe dafür in eine Buchhandlung, von der ich eine gut sortierte Abteilung erwarte. Oder ich suche Bücher für einen gern lesenden Menschen und gehe auch hier in die passende Buchhandlung, für Kinder in Kinderbuchhandlungen, für Journalistinnen in von politisch interessierten Buchhändlern geführte Sortimente. (Die gibt es zum Glück im Moment noch, auch wenn man dafür sicher weiter laufen muss als vor zwanzig Jahren.) Manchmal suche ich auch mehrere Titel für eine ganze Tischgesellschaft, dafür gehe ich in eine Grossbuchhandlung mit sogenanntem Vollsortiment. Wobei mir diese Art Buchschenken immer mehr verleidet, weil ich schon mehrmals in die Lage der unglücklichen Maggie in „Peter’s Friends“ geraten bin, remember?
Das Kind hatte letzte Woche Geburtstag und ich schenkte Bücher über China. Sie sind aus vier verschiedenen Verlagen, und als ich sie als Geschenk verpackte, merkte ich, dass sie ein gutes Bild zum heutigen Verlagsschaffen abgeben und gleichzeitig zeigen, dass Verlegertum überall Engagement bedeutet, nicht nur bei eigenständigen Kleinverlagen.
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Ein Merkblatt, das mir fehlt
Dafür, dass ich in einem friedlichen Rechtsstaat mit paradiesischem Anstrich arbeite, bin ich doch oft mit Gewalt konfrontiert. Bei meiner Erwerbsarbeit ist es am häufigsten autoaggressives Verhalten, bei meiner ehrenamtlichen Arbeit häufiger familiäre Gewalt. Aber ich habe in beiden Tätigkeitsfeldern schon beides erlebt.
Deshalb kenne ich zu der Gewalt-Thematik verschiedenste Merkblätter aus mindestens 20 Jahren. Zur Zwangsheirat zum Beispiel sind im Kanton Bern gerade wieder neue Leporellos erschienen (rechte Spalte), die ich bestellt habe, weil sie mir treffend scheinen. Zu Mobbing und Vergewaltigung gibt es ebenfalls gute Unterlagen für Jugendliche. Natürlich gibt es auch Merkblätter zu Gewalt. „Was tun bei Gewalt“ ist in den meisten Kantonen vorhanden und in zig Sprachen übersetzt. Aber diese Merkblätter setzen voraus, dass Menschen Gewalt als Delikt wahrnehmen. Mir ist noch nie eines begegnet, das ganz einfach darauf eingeht, dass Gewalt verboten ist. Ich wünschte mir vor allem für Schulen ein Merkblatt, das in einfacher Art (vielleicht auch mit Emblemen?) Folgendes aufzeigt:
Ich glaube, dass vieles einfacher würde, wenn wir in den Schulen so etwas abgeben könnten.