Tischgespräch [28]

Kind:
Machen die Grünen etwas falsch, dass ihr sie nicht wählt?
Mutter:
Nein. Grün, wer kann da schon dagegen sein?
Kind:
Warum wählen die anderen die Grünen?
Vater:
Weil sie nichts falsch machen.
Kind [überlegt laut]:
Wir sind heute mit dem Car vom Sportlager viel über das Land gefahren… hmm. Wo könnte das gewesen sein?
Vater:
Vielleicht im Luzernischen?
Kind:
Jedenfalls gab es viele Felder auf denen „SVP – Mein Zuhause – Unsere Schweiz“ gemäht war. Das hat uns so genervt! Einer rief, er wolle aussteigen, er wolle einen Rasenmäher.
Mutter [murmelt]:
Ihr seid noch im linken Alter.
Kind:
Aber die Bauern wollen halt „Blocher stärken“.
Vater:
Ohne jeden Grund. Blocher hat für die Bauern noch nie etwas gebracht, ausser für die sehr reichen, aber da spielt der Beruf keine Rolle.
Mutter:
Ja, man könnte sagen, mit ihrer eingemähten SVP-Treue zeigen die Bauern, dass sie keine Subventionen mehr brauchen.
Kind:
SVP wählt aus unserer Klasse jetzt echt kein Mensch.
Mutter:
Und wenn jetzt euer Turnlehrer in der SVP wäre und kandidieren würde?
Kind:
Mmh. Dann würden ihn die meisten wählen, wenn sie alt genug wären.
Mutter:
Weil sie denken, sie geben ihm die Stimme, nicht der Partei. Darum ist es wichtig, dass ihr in der Schule über die Wahlen redet und lernt, wie das Wählen geht und dass es ein Recht und eine Pflicht ist. Und wie sie überhaupt funktioniert, unsere Demokratie. Denn am Ende brauchen wir weder Monarchen noch Bin Laden noch Guantanamo, um ihr das Licht auszublasen, es reicht dazu ein grosser Haufen fauler Pflaumen.
Kind:
So redest du immer! Das ist unfair! Das regt mich auf! Politik interessiert uns ja! Jetzt-habe-ich’s-grad-erzählt!
Mutter [kleinlaut]:
Du hast Recht. Exgüsé.

Aus dem Reisenotizbuch [7]

9. April 2007 7:10
Ich bringe zwei Paar Jeans im Wäschebeutel an die Reception („10$ each“), und lese auf der goldenen Tafel daneben die Namen der Gründer dieses Hotelgiganten: Mgrdichian (Chairman), Tumanjan (CEO), Papjan (Jr.). Es beruhigt mich zu sehen, dass Armenier noch anderweitig vorkommen denn in Sachbüchern über Genozide.
Ich gehe dann mit dem Kind in den Fitnessraum neben dem Casino. In den mit gold-blumigem Teppich bespannten Ecken der Lobby hängen nächtliche Schatten, die nichts mehr zu verspielen haben; fast alles Frauen.
Das Kind rennt auf dem Laufband während ich das grösste Fitnessgerät meines Lebens besteige: einen gigantischen Stepper, der Treppenlaufen, Velofahren in die Vertikale und Klettern am Steilhang gleichzeitig anbietet. Für mein Gewicht ist keine Einstellung möglich, ich bringe den Zähler von den eingestellten 300 Kilos nur auf 70 runter. Dafür kann man sonst ca. achzig verschiedene Einstellungen machen und das Gerät redet unverständliche Befehle. Nach der 14. Minute der vereinbarten Trainings-Viertelstunde gebe ich auf.
**
9. April 2007 9:35
Entering Hollywood Boulevard – hier wollte das Kind unbedingt hin. Wir sehen vor dem Autofenster ein Braille-Institut, ein Kinderspital, ein Gebäude „Knesset Israel“, quer dazu einen L.-Ron-Hubbard-Way und alles überragend die Scientology Kirche. In Hollywood begegnet man nur seinesgleichen (Touristen soweit das Auge reicht) und spanischem und asiatischem Personal, das Hunde ausführt und frisches Gemüse anschleppt. Wir halten Ausschau nach dem mexikanischen Kellner aus der Sport-&-Steak-Bar vom Vorabend, er arbeitet tagsüber scheints auch hier irgendwo und hat uns nichts so warm empfohlen wie die Hollywood-Führung durch die Studios.
**
9. April 2007 10:10
Kate Moss a gogo
… Sunset Stripe
… Beverly Hills
… Mountain Drive
… Alpin Drive
Am Grossflächigsten werden zwar Windows Vista und iPod beworben, aber das Modell der Stunde ist auch hier Kate Moss. (Klick her.)

Rechtfertigung

Wenn mir einmal nichts mehr einfällt auf die Frage, warum ich

  • mir nachts mit andern Memorys ausdenke,
  • bis spät Manuals zu partizipativen Websites schreibe,
  • die letzte Werbetrommel für die Quartierbegehung rühre,
  • die Jungs besuche und stets einen in den Ausgang mitnehme,
  • alt und grau und vor lauter Zeitmangel sogar frustriert werde, dann kommt zum Glück die ausländische Presse und liefert mir gute Gründe. Wenn die Schweiz ihre Linken, Netten und verpönten Gutmenschen aus dem Weg geräumt hat, hat sie immerhin ein PR-Problem.

    Bonk!

    Wenn die Kopierer kopiert hätten,
    wenn keine Lehrer krank gewesen wären,
    wenn es nicht auf meine Bücher geregnet hätte,
    wenn die Termine termingerecht geblieben wären,
    wenn ich wenigstens einen Kaffee hätte kippen können,
    dann wäre es keine Sache gewesen, mich mit dem umgeleiteten
    ÖV zu verfahren und das montägliche Rückentraining zu verpassen.

    Copyright Ehapa. Morris/Goscinny, Lucky Luke Band 22: Calamity Jane

    Panasonic DMC-TZ3

    Letzte Woche sind mir wieder einmal schmerzlich meine grossen Ansprüche an die Zivilisation bewusst geworden, als ich eine Klasse für ein Klassenfoto drapiert hatte und meine Sony Cyber-shot entschlossen den Geist aufgab. Meine Nerven!
    Doch neuer Lohn ist auf dem Konto und Rettung nahte schnell. Danke, Zivilisation für: Panasonic DMC-TZ3K Lumix® 7.2-Megapixel Digital Camera with 10x Optical Zoom, MEGA Optical Image Stabilizer & High Sensitivity Mode, Black. Tests verliefen zur allgemeinen Zufriedenheit.
    Test 1 Test 2
    Test 3 Test 4
    Test 6 Test 5
    Test 7 Test 8

    Heute winkte der kleine Sommer und ging

    Es war neblig, es prasselte, es nieselte, manchmal brach die Sonne durch und zeigte den zarten Streifen eines Regenbogens.
    Ich kaufte ein Kindersachbuch über den Apfel, einen Quiz-Fächer über den Wald, ein kleines Pappbüchlein mit Zootieren und Mausi, das auch in der 10. Auflage den Kühlschrank aufklappt bevor es ins Bett geht.
    Die verdorrten Oleanderblüten auf den Balkon hab’ ich zu einem kleinen Häuflein zusammengewischt, die Blätter der Kobea schimmerten rot im letzten Licht und das Kind lag lange wach und lernte „au milieu de la place, il y a un arbre“.
    Der Mond ist aufgegangen, die Arbeiter auf der Baustelle gegenüber schalten das Flutlicht ein.

    Beginners

    Die Warm-up-Woche ist vorbei und sie war Tag und Nacht und auch am Sonntag eine arbeitsreiche. Wie im Hinterstübchen längst erkannt, gibt’s grosse Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Väter-Lehrer sind ausgeschlafen, gut gelaunt und kommen oft zu Wort. Mütter-Lehrerinnen fühlen sich innert Kürze wie gammliger Belag in einem schwer verdaulichen Sandwich. Die Kind-Schüler haben noch keine Schule, aber ellenlange Listen mit Dingen (Bonnechance, Hotline, Wörterwürfel, Farb- wie Rollstifte, Turnhose, Vorhängeschloss, Passfotos), die für den ersten Schultag vorzubereiten wären.
    Diary 1
    Die Mütter-Lehrerinnen haben in der letzten Ferienwoche Einführungskurse, Präsentationen, Schlüsselformulareausfüllen, Schrankdebatten, Besichtigungstouren, Konferenzen, Differenzen und die Campingware noch immer ungeordnet (von der Wäsche nicht zu reden). Dazwischen gibt es ein Lunchpaket, kochen reicht weissgott nicht auch noch.
    Diary 2
    Und wer das Kind zu Kollegen schaufelt, bekommt spätestens am übernächsten Tag Kindes-Kollegen – völlig legitim! – zurückgeschaufelt. In diesem Fall muss ich doch an den Herd, sonst beissen die übermütigen Jungtiere am End‘ noch einander an. Ich will ja die mangelnde Fürsorge der Mütter-Raben nicht noch um Kannibalismus ergänzen.
    Diary 3
    Jetzt ist es getan. Alles bereit und ausgedruckt. Mein Semesterplan für die Neuen gefällt mir richtig gut, ich freue mich anzufangen. Nur der Drucker im Büro will nicht mehr. Ein eigens Büro ist zwar auch mit kaputtem Drucker schön und die Einrichtung sowieso kein öffentliches Thema. Nur soviel: Treue Leserinnen und Leser kennen meinen Tisch bereits. Ich habe ihn jetzt einmal umgedreht und mich dahinter platziert. Feng Shui für Vorgesetzte. Mit diesem Titel gibt es garantiert ein Buch.

    Tischgespräch [27]

    Vater:
    „Früh stücken“ schreibt man jetzt also getrennt?
    Mutter:
    Nein, sicher nicht.
    Kind:
    Nein, das sieht ja blöd aus.
    Vater:
    Aber den Mittag kann man jetzt essen.
    Mutter:
    – ? –
    Kind:
    – ? –
    Vater:
    Ich kann’s euch zeigen. (Holt sein Buch und deutet triumphierend auf den Satz: „…Er ging hinein, um Mittag zu essen.“)
    Mutter:
    Keinen Schimmer. Ich kann die NDR überhaupt nicht und bin um jede Variante froh, die ich mir und allen noch als korrekt anrechnen darf.
    Kind:
    Mmh, könnte schon sein – „um Früh zu stücken“.
    Vater:
    Ich stücke früh, du stückst früh…
    Kind:
    Und wie wäre dann die Vergangenheit?
    Vater:
    Stücken – stak – gestückt.
    Mutter:
    Das wird interessant im Konjunktiv.
    Vater:
    Stäke er doch früh!