Ich bin bekennende IBM-Userin, hatten schon deren Schreibmaschinen gemocht und bin heute mit dem X40 glücklich.
Doch der Dividenen-Zahn-der-Zeit nagt auch an den Business Machines. Die PC Sparte ist bei Lenovo ja wohl einigermassen gut aufgehoben, China ist China. Nur kennt Lenovo ausserhalb kein Mensch. Kein Wunder muss Ogilvy & Mather ran. Und auch kein Wunder, lassen die Businesspläne die Arbeitsplätze kullern. Die Schweiz wird’s weniger arg treffen als andere Europäer, der Standort soll innerhalb des IBM-Konzerns aufgewertet werden. Mögen weitere mit Headoffices und Entscheidungszentralen folgen, solange wir noch nicht auf Grund gelaufen sind.
Man lese zu dieser pessimistischen Einschätzung die Schweizer Resultate der Erhebung ALL, Adult Literacy and Lifeskills. Zu der ich übrigens schon einmal gebloggt habe, im Geheimen. Denn den Nachweis, dass Lesen eine für Dreiviertel der Bevölkerung unnötige Fähigkeit geworden ist, kann ich mir als Buchhändlerin und Ausbilderin öffentlich nicht leisten. Nicht alle würden den Zynismus verstehen.
By the way: Lanu buht wieder, was mich freut. Ich bin mir nie so sicher, ob sie zu den Chamäleonen der Blogosphäre oder zu den Heerführerinnen zählt, aber sie gehört zu den „grand old“ (Blogladies).
So, ich verabschiede mich eine Runde, die Lehrabschlussprüfungen stehen an. Weil ich auch sehr viel mündlich (individuell ist toll aber ineffizient) prüfe, braucht das meine Tage locker auf, meine Abende gehören den Korrekturen und Expertinnen, meine Nächte den Vor- und Nachbereitungen. Zum Glück mit X40. Falls ich das noch nicht gesagt hätte.
Kategorie: Leben daneben
Ausserschulisches und Vermischtes
Authentik um einen Preis
Ich schätze den Verlag „Beobachter“, der macht sorgfältig gut schweizerische und nützliche Ratgeber. Ich besitze selber einige und habe sie immer gerne empfohlen. Meine Eltern hatten die gleichnamige Zeitschrift aus diesem Verlag abonniert und – ähnlich wie Waschmittelmarken – bleibt man auch Medien aus dem Elternhaus in der Regel verbunden.
Vor zwei Jahren jedoch hatte ich eine unschöne Begegnung mit einem Beobachter-Journalisten. Der Mann wollte eine Story zum Thema Anlaufschwierigkeiten für Flüchtlinge aus dem Irak machen. Er brauchte Kontakte und Erfahrungsberichte via unsere Familie, eigentlich ein begrüssenswertes Anliegen. Allerdings entpuppte er sich als Thesenjournalist, die Schlagzeile war schon klar, ehe er überhaupt mit jemandem von uns gesprochen hatte und derart daneben, dass ich darauf verzichte, sie hier wiederzugeben. Deshalb haben wir nicht mitgeholfen. So wichtig informieren ist, verheizen geht nicht, das wird mit Flüchtlingen genug getan. Die Nachricht hat ihn auf dem falschen Fuss erwischt und er hat es nicht geschafft, höflich zu bleiben. Dennoch kein Grund, den „Beobachter“ in globo blöd zu finden.
Das ist mir wieder eingefallen, als ich gelesen habe, wer die „Goldene Feder 2005“ erhalten hat. Diesen Preis unterstützen zum Beispiel buch.ch und eben der „Beobachter“, welcher auch in der Jury sitzt. Dieses Jahr waren Texte zu Jugendgewalt gesucht, gewonnen hat einer der Täter im brutalsten Überfall seit ich Bern und Jugendliche kenne (und das ist mein ganzes Leben) mit dem Text „ohne die richtigen Freunde…“
Diese als Bekenntnis getarnte Rechtfertigung, diese als Perspektive verkleidete Anbiederung und Pseudo-Reflexion darf von mir aus geschrieben und gelesen werden. Aber prämiert, weil ach-so-authentisch? Mit einem Vorbildpreis, einem Jugendpreis? Weil das das Brauchbarste unter dem Eingereichten gewesen sein soll? Never ever.
Ist vielleicht schon ein Buch, eine Autobiografie oder gar ein Ratgeber in Planung?
Trostlos. Einfach nur trostlos.
über Wetter
Im Lift spricht man hauptsächlich über drei Dinge: Arbeit (gehst du dahin?), Arbeit (kommst du daher?) und das Wetter.
Frau vom 8. Stock:
Schon wieder Regen.
Ich:
Ja, ja.
Frau vom 8. Stock:
Schon Mai und keine zwei Tage ohne Regen.
Ich:
Ja, das ist wahr.
Frau vom 8. Stock:
Die kalte Sophie ist durch und immer noch Regen.
Ich:
Ist doch gut, dann sind die einheimischen Früchte im Sommer nicht so teuer wie im Vorjahr.
Frau vom 8. Stock:
Da haben Sie auch wieder Recht. Sie sind ja Lehrerin.
niemand weiss
Mon ami TR hat den Film für mich gesehen. Gut, dass er da war. Gut, dass ich nicht da war.
14. Mai 1935 und 1948
Eigentlich dachte ich, ich überlasse die Berichterstattung kumulierter Gedenktage anderen, die das besser können und eher betroffen sind. Zum Beispiel Lila, die wieder einmal grandiose Blitzlichter aus dem Kibbuz geliefert hat (ja, ich kann die Hatikva auch besser als den Schweizer Psalm, meine Mutter ist schuld.).
Aber heute habe ich im Berner „Bund“ einen Artikel gelesen, der mein Buchhändlerinnenherz erschaudern liess. Offenbar finden die indizierten „Protokolle der Weisen von Zion“ immer wieder den Weg nach Europa. Vor 100 Jahren wurde dieses üble Falsifikat in Umlauf gebracht und am 14. Mai 1935 hat es ein sozialdemokratischer Berner Richter verboten. Allerdings „nur“ wegen Verstoss gegen das Schundliteraturgesetz, was in diesen Zeiten nicht lange vorhielt. Das anders lautende Berufungsurteil hat die 100 Mitglider NSDAP-Ortsgruppe Bern natürlich gefreut und ganz besonders die Nachbarn! Die verbreiteten den als Sachbuch getarnten Schund über die geheime Verschwörung der Zionisten, die nicht ihre Rückkehr nach Palästina sondern die Weltherrschaft planten, immer gern. Lesestoff war gesucht, mit den Bücherverbrennungen vom 10. Mai 1933 war ja plötzlich viel dahin gegangen.
Ich halte buchhändlerische Zensur selten für angebracht, aber „Mein Kampf“ und „die Protokolle“ hätte ich nie und nimmer in einer kompletten und unkommentierten Fassung verkauft oder auch nur vermittelt, ganz egal, ob sie auf dem Index stehen oder nicht.
1948, genau 13 Jahre nach dem kurzzeitig klugen Berner Urteil waren die Juden um Millionen dezimiert, beraubt und vertrieben worden – und bekamen die knappe Zustimmung der UNO für einen eigenen Staat Israel.
Zum Historischen ein Auszug aus der Autobiographie von Amos Oz, eine Geschichte von Liebe und Finsternis, S. 538:
Um Mitternacht von Freitag, dem 14. Mai 1948, auf Samstag, den 15. Mai 1948, nach Ablauf der dreissigjährigen britischen Mandatszeit, entstand der Staat, den David Ben Gurion einige Stunden zuvor in Tel Aviv ausgerufen hatte. (…)
Aber um eine Minute nach Mitternacht fielen, ohne Kriegserklärung, Infanterie-, Artillerie- und Panzertruppen der arabischen Armeen ins Land ein: Ägypten von Süden, Transjordanien und Irak von Osten, Libanon und Syrien von Norden.
So begann der Leidensweg zweier Staaten im gleichen, von dem ich nicht glaube, dass er je eine Chance auf Abkürzung hatte. Und unabhängig davon, wie es mit den Unabhängigkeiten weitergeht, wird immer wieder zwischen Buchdeckeln auftauchen, was unendlich schlimmer ist als Schund, nämlich Hetze.
Lasst uns arbeiten
andere Tage
Nicht alle hatten gestern Weltbuchtag, es gibt schliesslich noch andere zu begehen, Geburtstag, Buss- und Bettag, St. Georgs-Tag, pädagogischer Tag oder Jazz-Tag.
Es hat was, Coltrane erinnert auch mich an Krankheit, er ist mir musikgewordene Migräne. Aber wollte er überhaupt etwas (anders) sein? Jedenfalls ist er der attraktivste Mann, den ein Plattencover je gesehen hat, thanks, Else, for reminding me.
Gretchenfrage
Was ich gehofft hatte, ist eingetroffen: Dass eine oder einer von den klugen bloggenden Menschen in Bayern sich zu den Ereignissen äussern möge. Die Gretchenfrage stellt die Kaltmamsell.
Mir aus dem protestantischen Bern schienen die Forderungen der Fortschrittlichen schon länger etwas unlogisch, aber ich bin im realen Leben eigentlich nur mit katholischen Menschen konfrontiert, denen diese Debatte egal ist oder solchen, die in derlei Veränderungen eine grosse Gefahr sehen. Meistens sind das Menschen aus dem Osten, die den alten Papst hoch verehrt haben, die Ferien genommen und Fronarbeit geleistet haben, während er letztes Jahr in Bern war: Taxidienste für Priester, Übernachtungsangebote für Pilgernde, Kinderhütedienst, Putzarbeiten und Parkplatzbewirtschaftung. Die sind zufriden mit der Wahl und beten täglich dafür, dass der Neue nichts verändern möge. Im Gegenteil, dass er gar mit neuer Kraft dieser furchtbaren schweizer Kirche Einhalt gebietet, die sich immer wieder über Befehle hinwegsetzt. Keiner in dieser Schweiz soll sich wundern, wenn niemand zuhört, wenn eine Frau (mit Ohrringen!) die Messe liest, sagen sie und schütteln besorgt ihre Köpfe.
Freude herrscht
Papstwall ist besser als Fussbahl.
[Quelle: SPIEGEL online heute. Bildunterschrift: Jubel im bayerischen Traunstein: Am Fernsehbildschirm verfolgen Besucher des katholischen Seminars St. Michael die Geschehnisse. Als der Name Joseph Ratzinger fällt, recken sie die Arme vor Freude in die Luft]
echt emsig
Habe en famille Wohnteile herumgeschoben, zwecks Putzen und Fehlerkorrektur aus früheren Jahren. Die grösse Fehlkalkulation war das grosse Kinderzimmer am hintersten Ende der Wohnung. Das Kind hatte selten Lust dort zu sein, es war einfach zu weit weg von allem allen. Jetzt ist es das Büro. Aber kein Büro ohne viel Kabel (Funk ist noch Emmentaler) und darum viel Kleinarbeit.
Aber Aufgaben (und Kriterien) für das 2. Lehrjahr, die in Einzelarbeit auf Exkursion gelöst und dann benotet werden, habe ich gestern am Morgen vor dem Ausstöpseln noch geschafft. Habe ich so noch nie gemacht, aber wegen der kommenden Feiertage bekomme ich nur so genügend Noten ohne zu viel Stress für die Lernenden zusammen. Mal sehen.
Und eine Ergänzung von Evi Allemann zur Chronologie Buchpreisbindungsdebatte habe ich auf Papier gemacht und doch noch knapp vor Highnoon aufgeschaltet.
Zwei Tage ohne Netz. Und Arbeiten geht.