1. Weihnachtsgeschäft (2005)

Wieder habe ich die Klassen des 1. Lehrjahres nach ihren Tops und Flops im Weihnachtsgeschäft gefragt. Ich habe die Erhebung gemacht wie im Vorjahr, und auch die Ergebnisse ähneln sich. Aber es gibt doch immer wieder Überraschungen auf beiden Seiten, im Schönen wie im Mühsamen. Lehrreich ist alles.
Wir werden uns nun, bis zum Ende des Lehrjahres, die ersten fünf Minuten jeder Lektion mit je einer positiven und einer negativen Aussagen befassen. Ich mache das im Lehrgespräch und schreibe jeweils ein Protokoll am Whiteboard.
In der Regel ist die Beteiligung sehr hoch und auch Lernende, die sonst nicht viel sagen, sind engagiert. Es werden – da bin ich mir sicher – viele Ideen zusammenkommen, wie im Verkauf gute Erlebnisse zu mehren und schlechte zu meiden sind.
Ergebnisse 1. Lehrjahr A 2005
Ergebnisse 1. Lehrjahr B 2005

Tischgespräch [7]

Kind:
Schreibt ihr einander Liebesbriefe?
Mutter:
Ich schreibe schon. Die deines Vaters kann ich an einer Hand abzählen.
Vater:
< grummel >
Kind:
Bewahrt ihr die auf?
Mutter:
Ja, klar.
Kind:
Kann ich sie lesen?
Mutter:
Sicher nicht!
Kind:
Bitte! Du hast auch einmal ein SMS von mir gelesen.
Mutter:
Ja, ein einziges. Als ich unsere Handys in der Dunkelheit verwechselt habe.
Kind:
Das ist fies.
Mutter:
Wozu brauchst du unsere Liebesbriefe?
Kind:
Zum Abschreiben.
Vater:
Das kannst du selber besser, Kind. Einfach immer mehr von ihr reden als von dir.

u.v.m.

freiwillig & mehr!
Ich freue mich jedes Mal wie eine Schneekönigin Lehrerin, wenn jemand mehr macht als gefordert. Auch wenn sich das nur in Karmapunkten rechnet und nicht in Noten, weil es ja eben nicht gefordert war.
Wie die Schülerin, die das Titelblatt zu ihrer Semesterarbeit von Hand gezeichnet hat, quasi autobiographisch.
Ganz allgemein und prinzipiell: Weg mit den Vorurteilen gegen die heutige Jugend! Nieder mit der Pauschalisierung!

Tamilische Schule

Ich kenne in Bern eine französische, italienische, spanische und kroatische Schule.
Die Französische funktioniert wie eine Privatschule, verschiedenste Kinder besuchen sie aus unterschiedlichsten Gründen, vom Diplomatensohn bis zur Tochter marokkanischer Einwanderer.
Die italienische und kroatische Schule finden an einem Mittwochnachmittag statt, der in der Schweiz sonst schulfrei ist. Sie ist je nach Lehrperson stark katholisch geprägt und soll den Kindern auch religiöse Erziehung bieten. An Wochenenden oder in der Ferienzeit wird Gemeinsamkeit gepflegt. Die spanische Schule funktioniert ähnlich, allerdings fällt mir auf, dass die Religion weniger wichtig ist und auch Atheisten ihre Kinder dort hinschicken. Dafür haben Musik, Tanz, Aufführungen und Ausflüge einen hohen Stellenwert.
Bei mir im Quartier und in der Umgebung wohnen viele Tamilen, und ich habe bis jetzt nie richtig verstanden, wie ihre Schule funktioniert.
Gestern am Mittag strömten Hunderte von tamilischen Kindern aus unserem quartiereigenen Festsaal und ich traute mich sie zu fragen, welches Fest sie denn gefeiert hätten? Darauf meinte ein Mädchen keck: „Nicht Fest! Test!“
Sie erklärte mir, dass tamilische Kinder irgendwie neben der „normalen“ Schule unterrichtet werden können, auswärts, daheim, in kleinen oder in grossen Gruppen, in jedem Land der Welt. Andere gesellten sich hinzu und machten weitere Ausführungen. Der Unterricht und die Schulbücher seien international und nach Alter gegliedert. Einmal im Jahr finde ein Test statt, der darüber entscheide, ob ein Kind in die nächste Klasse komme oder nicht. Ein kleiner Junge erzählte mir mit aufgerissenen Augen, er sei Erstklässler und wenn die Korrektoren mit seiner tamilischen Schrift nicht zufrieden seien, könnte er auch in den Kindergarten zurückfallen, jawohl, auch das gebe es.
Doch Kindergarten und die Klassen können unbegrenzt wiederholt werden. Der Test findet in allen Ländern Europas am gleichen Samstag statt und bis im Mai sind auch alle übrigen Kontinente mit ihren Prüfungen durch. Danach werden die Resultate zugestellt und der jeweilige Unterrichter passt sich den Ergebnissen an. Also alles in allem ein sehr niederschwelliges und migrationstaugliches Schulsystem.
Meine Haltung gegenüber traditionsgeprägter Globalerziehung ist eine misstrauische. Deshalb fragte ich ein in der Nähe stehendes Elternpaar, ob ich die Schulhefte und Lehrbücher ihres Sohnes einmal anschauen dürfte? Einfach so, weil ich auch Lehrerin sei? Die Eltern nickten ganz begeistert und der Sohn – ein Sechtsklässler – führte mir alles vor.
Natürlich kann ich kein Tamilisch lesen. Aber ich habe lange für Lehrerinnen Bücher und Sprachkassetten besorgt, die Tamilien unterrichtet haben. Dabei habe ich auch mehrsprachige tamilische Lehrmittel kennen gelernt. Daneben war ich lange Zeit an einem Freiwilligenprojekt mit dem wohl klingenden Namen „Mitten unter uns“ beteiligt, das die Kinder von Neuzuzügern integrieren wollte, und dort hatte ich auch viel mit Tamilen und ihren Lehrmitteln zu tun.
Mir haben die Hefte und Bücher gut gefallen. Auf dem Niveau der 6. Klasse gab es das Thema Geschichte (Indische Geschichte mit einer Gandhi-Biografie), Flora und Fauna der Heimat, tamilische Sagen, die vielen uns bekannten Märchen ähnlich sind. Mit eingesperrten Singvögeln und traurige Prinzessinnen, die nicht tun dürfen, was sie möchten, mit gestrengen aber doch liebenswürdige Befehlshabern, mit cleveren Helden und eingeflochtenen Liedern und Gedichten.
Zu den meisten Themen gab es reichlich Auswendiglernfragen und Lückentexte. Mathematik und andere naturwissenschaftliche Fächer kamen nicht vor. Das sind Dinge, die werden in jeder Schule der Welt angeboten, die braucht es nicht.
Als ich danach mit dem Bus in die Stadt fuhr, konnte ich noch ein Mädchen im gleichen Alter nach ihrem Material fragen und sah, dass die Bücher mit denen des Jungen identisch waren.
Meine Befürchtung, dass Propaganda gemacht wird und die Mädchen hauptsächlich mit Haushaltslehre und Heiratsvorbereitungen beschäftigt werden, erwies sich als unbegründet, und darüber bin ich froh. Doch erlaube ich mir einen Rest Skepsis. Denn der grösste Teil des Lehrens und Lernens hängt davon ab, was im Unterricht gesagt, getan oder unterlassen wird.
Aber das ist ja bei uns nicht anders.

Überraschend ausgewogen,

(und wie gewohnt mit ausreichend Selbstwert gesegnet), gibt sich DonAlphonso in der beliebten Blogs!-Kategorie «Blogs vs. Journalismus»:

Es ist und bleibt eine spannende Frage, weil beide Systeme in Bewegung sind. Journalismus, zumal die papiergebundene Form, läuft in einen Strukturwechsel hinein, weil ihnen die Leser wegsterben. Die üblichen Agentur-Nachrichten sind im Netz omnipräsent und langfristig abrufbar, da werden Medien zwangsläufig Alleinstellungsmerkmale entwickeln müssen, um nicht austauschbar zu sein – und da lernt man auch von den Blogs. Auf der anderen Seite artikuliert sich in Blogs die Kritik an Medien und dem Spin ihrer Macher recht ungeschminkt und rau; brutaler jedenfalls, als es die Medien bislang in ihrer internen Debatte gewohnt sind.

Aufs Ganze.

Die Schule lebt

Ich gebe zu, zuerst war ich genervt. Vollbepackt angejapst mit vorbereitetem Material, das den Lehrjahren zugeordnet, in Mäppchen gesteckt, in Schränke verstaut werden musste.
Jetzt, wo endlich das Schulhaus wieder offen war und nächsten Montag der Unterricht beginnen soll. Ausgerechnet jetzt konnte ich in meinem Schulzimmer nicht zum Whiteboard, kaum zum Flipchart, zu keinem Schrank und die zusammengeschobenen Pulte waren auch überstellt.
Aber dann – dann hat es mich gerührt zu sehen, dass das Ausprobieren, Experimentieren, Reparieren, das Basteln am Erfolg und Misserfolg weiter gehen, wenn die Leute von den Hausdiensten allein im Schulhaus sind.
Um doch noch etwas auf einem Regal zu deponieren, habe ich vorsichtig eine Kurve angehoben, einen Ölspender verschoben, einen Schraubenzieher verrückt – und mich leise wieder verdrückt.
Heimlich Carrera im Schulzimmer

Alphabet

Als ich klein war, fragte ich mich oft, wie es wäre, im Alphabet an einem anderen Ort zu stehen. Zum Beispiel am Anfang oder ganz am Ende. Die Mitte fühlte sich so gewöhnlich an und ich wünschte mir „Aebi“ oder „Zwahlen“; das wäre etwas ganz Besonderes.

Tagwerk

Ich habe diese Ferien sehr viel korrigiert. Und vorbereitet. Und die Grobplanung gemacht, für sechs Klassen, bis zum Sommer. Das Kind hat mir heute alle Unterrichtsdaten in die sechs Semesterpläne eingefüllt, samt Auffahrt und Ostermontag und Schulkonferenz und was sonst noch so an Spezialitäten anfällt. Zuverlässig und kostengünstig für CHF 3.—pro Semesterplan.
Ich habe derweil im Forum für den Buchhandel online gestellt, was mir sinnvoll schien. Erstens die Unterlagen zu unserem diesjährigen Perspektivenachmittag, der für das dritte Lehrjahr wichtig ist. Denn diese jungen Leute haben wirklich Anlass zur Sorge, und es hilft bestimmt nicht, wenn wir so tun, als würden sowieso alle sofort eine Stelle finden. Zweitens habe ich (m)eine Aktion zum „Nixenkuss“, einer Neuerscheinung im marebuchverlag, angekündigt. Der Verlag liefert uns Leseexemplare für zwei ganze Klassen, damit diese vor Erscheinen schon darüber diskutieren und Verkaufsargumente finden können. Ziel wäre eine klassische Win-Win-Situation. Ich bin gespannt auf meinen Animationsanteil, ich habe das noch nie gemacht. Traumhaft, wenn ich nur anschubsen müsste.
Natürlich konnte ich es mir nicht verkneifen, auch ein bisschen Blogs zu lesen, was sich, wie meist, als vernünftig erwiesen hat. Meine Favoritin unter den Analysen zum letzten Jahr ist die von Chuzpe.
Mir gefällt, dass die Best-Off-Einträge in der Blogosphäre gedämpfter daherkommen als 2004. Auch das Auflisten von kleinen Ärgernissen, wie Mitmenschen, die unten an der Rolltreppe stehen bleiben, scheint inzwischen démodé. Ebenso die Smilies, die gesetzt werden, weil manche ihre eigenen Frechheiten nicht zu verteidigen wissen und denen, die sich wehren, nichts entgegnen können als: „Also wirklich! Das war doch mit Smiiiiiliiiiiie!“
Ich hatte heute wirklich eine nostalgische, anregende und sanftmütige Reise durch die Blogwelt und alles in allem einen guten Start ins Jahr. Es bleiben sogar noch ein paar Stunden Zeit für den gebeutelten Haushalt. Was will ich mehr.
UPDATE: Zum Wäschefalten scrupedas Vortrag über Buckminster Fuller angesehen. Was brauch‘ ich TV, wenn’s Blogs gibt? Höxtens für die WM.